«Wenn es im Interesse von Servette ist, dann verkaufe ich sogar meinen Sohn»
Wie kommt es, dass Sie in Genf nicht nur Trainer, 
sondern auch Manager und sogar Teambesitzer 
geworden sind? Sie könnten wahrscheinlich mit viel 
weniger Arbeit und Verantwortung anderswo mehr Geld 
verdienen.
Chris McSorley: Es war nie meine Absicht, Teambesitzer 
zu werden. Es ist alles aus Zufall so gekommen.
Erzählen Sie!
Die Anschutz-Gruppe ist in Genf 
eingestiegen, hat mich als Trainer verpflichtet und die 
Rückkehr in die NLA ermöglicht. Aber jedes Jahr gab es 
gut vier Millionen Verlust. Als sich abzeichnete, dass es 
nicht möglich ist, ein Stadion zu bauen, zog sich 
Anschutz zurück. Das Management war fair zu mir. Sie 
haben mir im September 2005 gesagt: Ende Saison 
geben wir Genf auf. Du kannst den Klub übernehmen.
Und dann?
Ich bin nach Hause gegangen und habe 
meiner Frau gesagt: Ich übernehme Servette. Entweder 
ist es der dümmste oder der smarteste Entscheid, den 
ich in meinem Leben gefällt habe.
War es smart oder dumm?
Der smarteste Entscheid. Jeden Morgen 
wenn ich aufstehe, denke ich daran, wie glücklich ich 
bin, in Genf zu sein.
Hatten Sie damals Offerten aus der NLA?
Ja.
Von wem?
Das bleibt geheim. Aber glauben Sie mir, 
ich habe mehrmals in einem Genfer Hotel lange 
Verhandlungen geführt und ich hätte viel mehr Geld 
verdient, wenn ich nicht Besitzer von Genf geworden 
wäre.
Sie mussten schmal durch?
Am Anfang, ja. Ich war bei Anschutz 
einer der bestbezahlten Coaches in Europa und musste nun in einigen Lebensbereichen ein Downgrade machen.
Aber jetzt geht es? Oder schreiben Sie immer noch rote
Zahlen?
Seit drei Jahren verlieren wir kein Geld 
mehr.
Wie haben Sie es geschafft, keine Verluste mehr zu 
machen?
Scheitern war für uns nie ein Thema, 
einen Plan B hatten wir nie. Auf dem Weg über den 
Fluss habe ich immer auf einem Stein oder 
Krokodilsrücken Tritt gefunden und habe schliesslich das 
rettende Ufer erreicht. Wir haben die Kosten in Griff und 
heute ist Servette als Hockeyunternehmen in Europa, ja 
sogar in Nordamerika ein Begriff. Darauf sind wir sehr, 
sehr stolz.
Wer sind denn jetzt die Besitzer?
Präsident Hugues Quennec, Franz 
Szolanski und ich. Wir bilden auch den Verwaltungsrat.
Sind Sie je überstimmt worden?
Nein. Weil wir noch gar nie per 
Abstimmung einen Entscheid getroffen haben.
Logisch, Diktatoren stimmen nicht ab.
Falsch. Wir stimmen nie ab, weil wir nur 
Entscheidungen fällen von, deren Richtigkeit wir alle 
überzeugt sind. Ich kann sehr wohl zuhören und 
akzeptiere andere Meinungen.
Wie viele Trainings leisten Sie bei der Belastung noch 
persönlich?
Alle.
Alle?
Es ist so. Ich leite jedes Training. Ich 
habe bis heute auch erst ein Spiel verpasst. Wegen einer 
wichtigen Sitzung fuhr ich nicht mit dem Teambus nach 
Lugano. Ich wollte am Nachmittag mit dem Flugzeug die 
Reise machen. Ausgerechnet an diesem Tag tobte in 
Lugano ein Schneesturm. Mein Assistent Louis Matte 
musste coachen.
Und stimmt es, dass Sie sich auch noch um die Menus 
im Stadionrestaurant kümmern?
Ja, das ist so. Wir haben gut sechs 
Wochen probiert, bis ich mit den Steaks, der Sauce und 
den Pommes zufrieden war.
Sie geben den guten Menschen von Genf. Aber mit ihren 
Spielern gehen sie kaltschnäuzig um. Wer nicht in Ihr 
Konzept passt, wird von einem Tag auf den anderen 
ausgemustert. Soeben musste Juraj Simek gehen.
Das ist richtig. Wenn es im Interesse 
von Servette ist, dann verkaufe ich sogar meinen Sohn 
und jeden Spieler.
Nur nicht übertreiben. Ihren Sohn sicher nicht.
Nein, das natürlich nicht. Aber wie ich 
sagte: Jeder Spieler ist verkäuflich. Aber bevor es soweit 
ist, vergehen Wochen. Wir versuchen alles, um eine 
Lösung zu finden und ich stelle mich auch selbst in 
Frage: Ist es vielleicht mein Fehler? Wenn ich aber zur 
Erkenntnis komme, dass es nicht mehr geht, dann ist es 
für alle, auch für einen Spieler, besser, wenn wir uns 
trennen.
Sind Sie zu hart mit den Spielern?
Ja, ja, es gibt Leute, die denken, einer 
wie ich fresse zum Frühstück jeden Tag Nägel. Aber so 
ist es nicht. Ja, ich bin direkt. Aber es ist nie persönlich.
Haben Sie schon mal einen Spieler getroffen, der eine
Kritik vom Trainer nicht persönlich nimmt?
Hm, nein.
Also doch zu hart mit den Spielern?
Früher ja. Aber nicht zu hart. Sondern 
zu direkt. Ich musste mich anpassen. Wäre ich noch 
immer so wie in meiner ersten Saison, dann wäre ich 
nicht mehr hier. Ich bin sanfter geworden. Ich bin nicht 
mehr so direkt.
Ein bisschen schweizerischer. Haben Sie schon daran
gedacht, den Schweizer Pass zu beantragen.
Ja, ich habe vor, im nächsten Jahr die 
Einbürgerung für meine Familie und mich zu 
beantragen.
Chris McSorley wird Schweizer?
Das ist der Plan. Genf ist die Heimat für 
meine Familie und mich geworden. Es gibt kein besseres 
Land als die Schweiz.
Als Schweizer werden Sie vielleicht nicht mehr so oft
gebüsst, wenn Sie wieder mal mit den Schiedsrichtern 
Zoff haben.
Chris McSorley bleibt Chris McSorley, da 
wird mir auch ein Schweizer Pass nicht helfen.


