In einem an Torchancen armen Spiel können sich die Argentinier mit etwas Glück und besseren Elfmetern knapp durchsetzen. Im Spiel selbst profitierten sie von einem guten Plan, der aber nur defensiv funktionierte. Offensiv waren auch die späteren Sieger zu statisch ausgelegt.
Chile, Costa Rica und Mexiko hatten die Niederländer bei dieser Weltmeisterschaft mit unterschiedlichen Dreier- und Fünferkettensystemen vor Probleme gestellt, doch Alejandro Sabella entschied sich trotz des Ausfalls von Angel Di Maria ein weiteres Mal für das 4-4-1-1/4-4-2-System. In diesem bildeten Enzo Perez – eigentlich ein zentraler Mittelfeldspieler im Verein – und Ezequiel Lavezzi die Flügelzange. Anstatt die Oranjes zu spiegeln und somit deren Mannorientierungen sowohl entgegenzukommen als sie auch dadurch zu neutralisieren, wollte Sabella mit diesem System die Flügel überladen.
Im 4-4-1-1 hatte die Albiceleste doppelt besetzte Flügel, wo es den Niederländern teilweise an der passenden Spielweise mangelte. Normalerweise orientieren sich die beiden Stürmer der Mannschaft von Louis van Gaal eher am Raum und stehen dann zwischen Innenverteidigern des Gegners und den Halbräumen. Dadurch stehen aber bei einer gegnerischen Viererkette die Aussenverteidiger frei, während die Flügelstürmer die niederländischen Flügelverteidiger binden sollen.
Diese Überladungen versuchten die Argentinier mehrmals, um auf der Seite nach vorne zu kommen und dann zu flanken oder in den Rückraum abzulegen. Die Umstellung Lavezzis, der vom linken Flügel auf den rechten wechselte und dort häufig mit Zabaleta den Raum überlud, war ein weiteres Indiz für Sabellas Plan. Er wollte hier mit dem schnellen Lavezzi gegen Blind durchbrechen, während Perez als nun linker Aussen einrückte und Higuain die Mitte besetzte.
Die vielen Mannorientierungen der Niederländer und ihre hohe Absicherung im 5-1-3-1/5-2-1-2-System sorgten aber dafür, dass die Argentinier trotz zahlreicher Angriffe und vermeintlich offener Räume nie konstant Gefahr erzeugen konnten. Doch diese Mannorientierungen hatten auch einen Nachteil.
Das niederländische System basiert darauf, dass sie sich flexibel an die gegnerischen Bewegungen anpassen, was sie über Mannorientierungen erreichen. Hierbei nutzten sie Wesley Sneijder und Georginio Wijnaldum, die sich an den beiden gegnerischen Sechsern Javier Mascherano und Lucas Biglia orientierten. Dadurch war Nigel De Jong eine Linie dahinter frei, weswegen er sich den häufig zurückfallenden Lionel Messi vorknöpfte und diesen deckte.
Bislang spielten die Niederländer meistens ein 5-2-3 oder ein 5-2-1-2 bei der Weltmeisterschaft, durch das 4-4-1-1 der Argentinier und Messi als hängendem Stürmer stellten sie aber auf eine Art 5-1-2-2 um. Problematisch war aber, dass dies nicht die einzigen Mannorientierungen waren. Überall innerhalb dieser Formation suchten sich die Spieler einen Gegenspieler und übernahmen diesen situativ.
Durch die Bewegungen der argentinischen Akteure – beispielsweise das Ausweichen Messis, das Zurückfallen Mascheranos zwischen die Innenverteidiger und die Bewegungen von Perez und Biglia – entstanden aber viele ungeplante Staffelungen aus Sicht der Niederlande. Ein 5-1-4 mit weit offenem Sechserraum war ebenso häufig sichtbar wie ein 6-1-3 oder auch ein 4-3-3, in welchem Martins Indi nach vorne rückte. Diese Mannorientierungen sorgten für viel Zugriff und konnten den Nachteil der offenen Räume – auch dank zurückhaltender Argentinier – neutralisieren. Problematisch war aber dann das Konterspiel.
Wegen der Mannorientierungen standen die Niederländer nach Balleroberungen häufig verbindungslos zueinander, konnten dadurch nicht ordentlich umschalten und hatten Probleme im Konterspiel, welches sie bei der Weltmeisterschaft bisher so gefährlich gemacht hatte. Dieser Mangel an ordentlichen Staffelungen nach der Balleroberung führte dazu, dass sich Argentinien auch meistens rechtzeitig wieder kompakt formieren konnte.
Ihr 4-4-2/4-4-1-1 war nicht hochklassig umgesetzt, reichte aber gegen die Niederländer; mit ihren acht Spielern hinter dem Ball konnte die Niederlande selten offene Räume vorfinden, die Flügel der Oranjes wurden gut isoliert und die Argentinier stellten mit ihrer passiven Ausrichtung flexibel Überzahlen in Ballnähe her. Daran sollten auch die Anpassungen der beiden Trainer nichts ändern.
Eigentlich gab es eine Vielzahl von kleinen und personellen Umstellungen auf beiden Seiten. Bei Argentinien liess sich Messi zum Beispiel später weiter nach hinten zurückfallen, Perez wurde bis zu seiner Auswechslung stärker im Aufbauspiel eingebunden, Biglia und Mascherano tauschten ihre Rollen im Aufbauspiel häufig und Lavezzi wechselte die Seiten mit Perez. Auch Higuain zeigte sich nach gut einer Stunde aktiver im Bewegungsspiel, dazu gab es mit Palacio für Perez (81. Minute), Agüero für Higuain (82. Minute) und Maxi Rodriguez für Lavezzi (101. Minute) drei Einwechslungen mit jeweils neuen Spielertypen für die gleiche Position.
Ähnliches war bei der Niederlande der Fall, wo Wijnaldum und Sneijder ihre Defensivrollen flexibel tauschten, Janmaat für Martins Indi eine Veränderung der Flügel- und Halbverteidiger-Positionen bedeutete sowie die Einwechslung Jordy Clasies für De Jong, was eine offensivere Ausrichtung im zentralen Mittelfeld zufolge hatte. Huntelaar für Van Persie in der Verlängerung hätte mehr Präsenz geben können, doch wie alle anderen Wechsel versandete auch dieser.
Der Grund dafür ist ein einfacher: Die strategische Ausrichtung änderte sich nie. Beide Mannschaften pressten zurückhaltend, griffen mit wenigen Spielern an und versuchten möglichst in jeder Situation gut abgesichert zu agieren. Daraus entstand ein zäher Spielrhythmus mit extrem wenigen Torchancen, was letztlich im Elfmeterschiessen enden musste. Es war eine Mischung aus Lotterie und individueller Klasse, welche das Elfmeterschiessen entschied, was fast schon exemplarisch für diese Partie stand.