Beide Trainer haben eine genaue Vorstellung, was für eine Art Fussball ihre Teams spielen sollen: Barca-Coach Luis Enrique setzt bereits die gesamte Saison auf ein 4-3-3. Lionel Messi läuft in diesem System als halbrechter Stürmer auf. Die tiki-taka-Vergangenheit streifte Barca zuletzt ab, mit Stürmer Suarez suchen sie den direkteren Weg in die Spitze.
Juventus-Trainer Massimiliano Allegri wiederum ist ein Freund der Mittelfeldraute. Sein 4-3-1-2 zeichnet sich durch eine hohe Präsenz im zentralen Mittelfeld aus. Alles ist auf die Pässe von Altmeister Andrea Pirlo ausgelegt, der die Stürmer mit Zuspielen füttert.
Von Beginn weg hatte Barcelona mit der eigenen Formation leichte Vorteile: Juventus' Raute ist sehr eng angelegt, Barcelona kann dank zweier Aussenstürmer das Spiel hingegen sehr breit anlegen. Während Messi und Neymar häufig in die Mitte zogen, besetzten die Wing-Backs die Flügel. Barcelona lockte mit flachem Kurzpassspiel Juventus oft auf die rechte Seite, um dann blitzartig nach links umzuschalten.
Juventus hatte grosse Probleme mit diesen Verlagerungen. Zwar wurde aus ihrer Mittelfeldraute am eigenen Sechzehner eine flache Vier, sodass sie am Strafraum im kompakten 4-4-2 verteidigen konnten. Jedoch standen sie selbst in solchen Situationen dermassen eng, dass eine einfache Spielverlagerung das Konstrukt aufbrechen konnte. Erst nach rund 20 Minuten veränderten sie ihr Spiel und verteidigten in einer etwas breiteren Formation.
Nach dem Führungstreffer machte Barcelona das, was Barcelona am besten kann: Sie liessen Ball und Gegner laufen und zogen ihr berüchtigtes Kurzpassspiel auf. Iniesta liess sich leicht fallen, um aus dem Rückraum heraus das Spiel zu kontrollieren.
Bis zur Pause konnte Juventus nur wenige Kontergelegenheiten erspielen. Wenn sie den Ball tief in der eigenen Hälfte gewannen, war der Weg meistens zu weit, um schnell zum gegnerischen Tor durchzubrechen. Barca hingegen dachte gar nicht daran, den Ball durch riskantes Spiel im Mittelfeld zu verlieren.
Es brauchte die Halbzeitpause, damit Allegri seine Mannen wieder auf den richtigen Kurs führen konnte. Juventus rückte nach der Pause wesentlich aggressiver heraus und störte früher. Das flache 4-4-2, das sie vor der Pause oft einnahmen, war nun nicht mehr zu erkennen; Pogba und Vidal waren fast nur noch in der gegnerischen Hälfte zu finden.
Juventus erarbeitete sich vor allem auf den Flügeln ein Übergewicht. Messi und Neymar arbeiteten zwar im Pressing fieberhaft mit, in die eigene Hälfte bequemten sie sich indes nur selten. Juventus' Aussenverteidiger rückten nun weiter vor und nutzten die Lücken, die Messi und Neymar hinterliessen. Von dort fand Juve jetzt öfter den Weg in die Box – und Morata erzielte den Ausgleich (54.).
Eine typisch italienische Mannschaft hätte den Ausgleich zum Anlass genommen, wieder etwas kontrollierter zu spielen. Juventus hätte sich weiter zurückziehen können, machten sie aber nicht. Sie spielten unbeirrt weiter nach vorne, übten immer mehr Druck aus – und kassierten prompt den entscheidenden Konter:
Der Rest ist Geschichte. Juventus drückte weiter, hatte ausser Flügelangriffen jedoch wenig Ideen. Allegri löste selbst kurz vor Schluss nicht seine Raute auf, er stellte erst wenige Sekunden vor Abpfiff auf ein Drei-Stürmer-System um. Das war zu wenig gegen abgebrühte Barca-Spieler, die mit List und Passspiel die Zeit von der Uhr drehten.
Am Ende ist Barcelona der verdiente Sieger. Sie waren taktisch cleverer als die Italiener, die nach dem Ausgleich in ihr eigenes Verderben rannten. Vor allem aber bewiesen die Katalanen, dass sie mehr können als nur tiki taka – das zweite und das dritte Tor erzielte Barca jeweils nach Kontern. Das ist der Verdienst von Luis Enrique.