«Nicht viele können von sich behaupten, mit Roger im gemischten Doppel gespielt zu haben», sagt Belinda Bencic. Neben ihr war das Martina Hingis und seiner heutigen Frau Mirka vergönnt. Mit Federer gewann Bencic 2017 und 2018 den Hopman Cup in Perth und profitierte auch neben dem Platz von der grossen Erfahrung des Baselbieters. Locker sei er, und habe immer alles im Griff. Vor allem aber bewundert die 24-Jährige die Gelassenheit, mit der Federer dem Rummel um seine Person begegnet, während er auf dem Platz hoch konzentriert arbeite. «Das ist auch mein Ziel», sagt Bencic, die nicht nur Federer, sondern auch dessen Eltern Robert und Lynette ins Herz geschlossen haben.
Gerade in Australien habe sie viel an Federer erinnert. «Die ganze Tenniswelt vermisst ihn und sein Tennis. Alle sind traurig, dass er schon so lange nicht mehr dabei ist.» Die Rückkehr dürfte Bencic auch aus anderem Grund freuen: Sie möchte bei den Olympischen Spielen in Tokio mit Federer im gemischten Doppel antreten.
Er ist nur äusserst selten bei den Turnieren und scheut das Rampenlicht, ist aber einer der Schlüssel zu den Erfolgen Roger Federers: der Fitnesstrainer Pierre Paganini. Jüngst machte der 63-Jährige eine Ausnahme und erzählte im «Tages-Anzeiger», wie er die letzten Monate erlebt hat. Ein Phänomen sei Federer, denn nach den Operationen habe sich die Muskulatur stark abgebaut, «und war überhaupt nicht mehr im gleichen Zustand. Das Knie war besonders fragil.» Federer habe grosse Geduld und Hartnäckigkeit gezeigt. Paganini sagt: «Er gibt einfach nie auf.» Eine Eigenschaft, die immer unterschätzt werde. «Denn wenn er spielt, sieht das so leichtfüssig aus, so tänzerisch und ökonomisch.»
Für Federer sei es schon ein grosser Sieg, wenn er überhaupt wieder auf den Platz gehen und spielen könne. Doch Paganini sagt auch: «Roger spielt nur, wenn er weiss, dass er wieder gut spielen kann.» Spricht etwas dagegen, dass Federer noch einmal um Titel spielen kann? Paganini: «Ich behaupte jetzt: nein. Du kannst immer alles von ihm erwarten. Obwohl du weisst, dass es nicht leichter wird.»
Während 30 Jahren spielte die CVP-Bundesrätin Interclub, zuletzt für den TC Simplon, ihre beste Klassierung war R3. Entsprechend aufmerksam verfolgt die Vorsteherin des VBS den Tennis-Zirkus. Als Federer im Februar 2019 in Dubai seinen 100. Turniersieg feierte, gehörte sie zu den ersten Gratulantinnen. «Sie tragen mit ihren Leistungen den Namen unseres Landes, der Schweiz, in die ganze Welt hinaus. Einen besseren Botschafter als Sie kann ich mir nicht vorstellen», schrieb sie.
Klar, dass Amherd nicht entgangen ist, dass Federer nun vor der Rückkehr in den Tenniszirkus steht. «Die aussergewöhnliche Karriere von Roger Federer verfolge ich schon seit Jahren und bin ein grosser Fan von ihm.» Sie schätze ihn nicht nur als überaus fairen Weltklasse-Spieler, «sondern auch als Mensch und Familienvater», sagt Amherd. «Auf seine Rückkehr auf den Tennisplatz freue ich mich und wünsche ihm viel Erfolg», sagt die 58-Jährige.
Als 14-Jähriger zog es Roger Federer in die Romandie, erst nach Ecublens, später nach Biel. Zu Beginn sprach er kaum Französisch und weinte viel. «Man muss einfach auf die Zähne beissen, bis es besser wird. Irgendwann hörst du einfach auf zu heulen. Es wird ja nicht besser, wenn du heulst. Irgendwann sagte ich mir: ‹Reiss dich zusammen, jetzt wach mal auf. So schlecht ist es gar nicht.› Oder du telefonierst und das Mami beruhigt dich wieder», erinnerte Federer sich einmal.
1997 bezog Federer in Biel eine Wohnung, die er sich mit dem um drei Jahre älteren Yves Allegro teilte und mit dem er später zwei Doppel-Titel gewann. Der Walliser freut sich auf den Kontrast, wie er sagt: «Seine Art und Weise, Tennis zu spielen, ist ganz anders als die von Djokovic und Nadal und einmalig.» Allegro glaubt, dass es für Federer in Doha darum gehe, sich wieder an den Wettkampf zu gewöhnen. Seine Ziele seien andere: Wimbledon zum Beispiel. «Und ein Spieler wie Roger kann so lange Turniere gewinnen, wie er spielt.»
Fast ihr ganzes Leben lang kennen sich Marco Chiudinelli und Roger Federer. Sie spielten beide bei den Old Boys, gingen beide nach Biel und wohnten dort sogar eine Zeit lang zusammen. 2014 gewannen sie den Davis Cup, 2017 beendete Chiudinelli seine Karriere, in der er bis auf Position 52 der Weltrangliste kletterte. Den Tenniszirkus verfolgt er immer noch aufmerksam und hält seine Beobachtungen als Kolumnist der «Basler Zeitung» fest. Dass bei den Australian Open wieder gespielt wurde, freut ihn besonders. Er sagt: «Kompliment an die Organisatoren.» Federers Absenz sei nur ein kleiner Wermutstropfen gewesen. Gleichwohl freut es ihn als Tennisfan und Freund, dass Federer zurückkehrt.
Doha betrachtet der 39-Jährige als gute Wahl. «Roger kann dort völlig locker aufspielen und schauen, wo er steht. Ich erwarte nicht, dass er durchmarschiert, aber das hat auch nicht oberste Priorität. Ich bin selber gespannt und lasse mich überraschen. Das Tennisspielen hat er sicher nicht verlernt und körperlich hat er im Vergleich zu vor zwei Jahren sicher auch nicht viel verloren», sagt Chiudinelli. Traut er Federer noch grosse Turniersiege zu? Er sagt: «Kommt alles zusammen, kann Roger immer noch vorne mitspielen.»
Doris Löffel hat im letzten Jahr einen Vorgeschmack auf das bekommen, was eher früher als später passieren wird: dass ohne Roger Federer Tennis gespielt wird. «Tennis ist fast schon zur Nebensache geworden», sagt Löffel, die in den letzten Jahren alle ihre Ferien jeweils für Federer und die Reisen an Turniere geopfert hat. Der Situation konnte sie aber durchaus auch Positives abgewinnen. Die Wohnung sei schon lange nicht mehr so sauber gewesen. Sie habe sich Zeit nehmen können, um zu lesen, oder auch einmal nichts zu tun.
Gefehlt haben ihr nicht nur die Spiele Federers, sondern auch die Treffen mit anderen Fans. Die werden vorderhand nicht möglich sein, dennoch freut sich Löffel auf Federers Rückkehr. «Denn wir sollten es geniessen, so lange er noch spielt.» Den Gedanken, was aus dem Fanclub «fans4roger», in dessen Vorstand sie mitwirkt, wird, wenn Federer aufhört, will sie lieber noch etwas verdrängen. «Dann werden viele Tränen fliessen», sagt Löffel. Doch sie sagt auch: «Tennis hat es schon vor Roger gegeben und wird es auch nach ihm geben.» Den Fanclub wohl nicht.
Fast 13 Jahre ist es her, dass Madeleine Bärlocher sich zum letzten Mal mit Federer ausgetauscht hat - und das auch nur kurz bei einem Empfang im Basler Rathaus, nachdem er 2008 mit Stan Wawrinka Olympia-Gold im Doppel gewonnen hatte. In den 80er-Jahren war die 79-Jährige Junioren-Verantwortliche bei den Old Boys Basel, wo Federers Mutter Lynette im Frauenteam mitspielte. Eines Tages sei sie zu ihr gekommen und habe gesagt: «Du, ich habe einen Sohn. Er ist sieben Jahre alt und würde gerne Tennis spielen. Kann er bei euch mittrainieren?» Er konnte. «Das ist lange her», sagt Bärlocher. Selber Tennis spielen kann sie zwar nicht mehr: «Die Gelenke.»
Doch Federers Spiele verfolgt sie mit ihrer Tochter immer noch – zu jeder Tages- und Nachtzeit. Da versteht sich von selbst, dass sie auch nächste Woche mitfiebern wird, wenn der ehemalige Junior in Katar sein Comeback gibt. Bärlocher sagt: «Sein elegantes Tennis und der Spielwitz - das hat gefehlt. Wenn ‹Rogi› spielt, werde ich immer noch ganz nervös.»
Der Ex-Profi, der 1985 in Wimbledon das Doppel gewann und später als Trainer von Steffi Graf grosse Erfolge feierte, begleitet Federers Karriere seit vielen Jahren als TV-Experte. Während Federers Abwesenheit habe, habe er sich ein wenig wie auf Entzug gefühlt. Günthardt sagt: «Es fehlten die Gänsehautmomente. Wenn Roger irgendwo auf der Welt einläuft, wird er wie ein Einheimischer und für seine ganze Karriere gefeiert.» Doch in Doha sind weniger Zuschauer zugelassen als üblich. Ein Nachteil? «Sicher kein Vorteil», sagt Günthardt. Doch auch sein Gegner werde wissen, dass die ganze Welt dieses Spiel mitverfolgen wird.
Und was traut er Federer noch zu? «Die Frage stelle ich mir auch. Es ist wie bei einem guten Krimi: Da weisst du auch nicht, was dich erwartet. Roger betritt Neuland, in diesem Alter und mit den Ambitionen, die er noch hat.» Möge der Krimi beginnen. Mit Heinz Günthardt und Stefan Bürer am SRF-Mikrofon.
Erster Gegner ist nach mehr als 400 Tagen Pause entweder Jérémy Chardy oder Daniel Evans. Gegen den Franzosen Chardy (ATP 64) gewann Federer vier der bisherigen fünf Begegnungen, die drei Duelle gegen den Briten Evans (ATP 28) entschied der Schweizer alle für sich.
Federer hatte sich vor dem Abflug nach Doha mit einer Videobotschaft an seine Fans gewandt. «Ich bin sehr aufgeregt», sagte der 39-jährige Baselbieter. «Erstmals seit einem Jahr reise ich wieder an ein Turnier.» Ende Januar 2020 bestritt Federer im Halbfinal am Australian Open in Melbourne, als er angeschlagen Novak Djokovic klar unterlag, seine bislang letzte offizielle Partie.
— Roger Federer (@rogerfederer) March 5, 2021
«Es war ein langer und harter Weg», sagte Federer. «Ich weiss, ich habe die Ziellinie noch nicht erreicht, aber ich fühle mich gut.» Der 20-fache Grand-Slam-Sieger bedankte sich hinter seiner schwarzen Gesichtsmaske auch bei all jenen Leuten, die sein Comeback möglich machen. Das Turnier in Doha hat Federer 2005, 2006 und 2011 gewonnen. Letztmals trat er 2012 in der katarischen Hauptstadt an. (ram/sda)