Sportlich ist Margaret Court über jeden Zweifel erhaben: 62 Grand-Slam-Titel, davon 24 im Einzel, sie ist neben Maureen Connolly und Steffi Graf eine von nur drei Spielerinnen, die alle vier Grand-Slam-Turniere innerhalb eines Jahres gewinnen konnten. Seit 2003 ist die zweitgrösste Arena im Melbourne Park, Schauplatz der Australian Open, nach ihr benannt. 50 Jahre ist es her, als die inzwischen 77-Jährige den Kalender-Grand-Slam erreicht hat.
Ein Grund zum Feiern, eigentlich. Denn Margaret Court stürzt die stolze Tennis-Nation Australien in ein Dilemma.
Da ist die erfolgreiche Sportlerin, die Rekorde aufgestellt hat, die wohl ewig währen. Aber da ist auch eine Weltanschauung, die aus der Zeit gefallen ist. Nach ihrem Rücktritt 1976 wurde Court evangelikale Predigerin. Und als solche sorgt sie mit ihrer Haltung regelmässig für Unmut. Um sportliche Meriten geht es in dieser Debatte schon lange nicht mehr.
«Der Teufel ist in die Medien, die Politiker, die Erzieher und das Fernsehen gefahren», predigt sie Ende Dezember vor der evangelikalen Gemeinde in Perth an der australischen Westküste. «Kinder entscheiden sich mit sieben oder acht Jahren, ihre Sexualität zu ändern – lest die ersten beiden Kapitel der Schöpfungsgeschichte, das ist alles, was ich dazu sage», sagt Court, weisses Kleid mit schwarzen Punkten. Regelmässig und ungefiltert hetzt sie gegen Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transsexuelle. Sie habe nichts gegen diese, aber die Ehe, die gehöre Mann und Frau vorenthalten. Transsexualität sei ein Frevel, das Geschlecht von Gott gegeben, «er alleine macht uns zu dem, was wir sein sollen», predigt Court.
Seit Jahrzehnten ritzt die zweifache Mutter mit Aussagen wie diesen das soziale Miteinander. In der Debatte um die gleichgeschlechtliche Ehe in Australien stellte sie fest, man dürfe «nichts legitimieren, was Gott widerwärtige sexuelle Praktiken nennt». Sie wehre sich dagegen, «alternative, ungesunde und unnatürliche Verbindungen» zur Ehe zuzulassen. Das Tennis sei voll von Lesben und sie seien hier, um diesen Menschen zu helfen. Transgender-Kinder bezeichnet sie 2012 als «Werk des Teufels».
John McEnroe warf Court daraufhin vor, «uns ins tiefste Mittelalter» versetzen zu wollen. Schon vor 20 Jahren sagte Court, Lesben würden das Tennis ruinieren und seien schlechte Vorbilder für die Jugend. Mit Billie Jean King und Martina Navratilova leben zwei Ikonen dieser Zeit in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Navratilova sagte damals: «Margaret Court war einst eine herausragende Tennis-Spielerin und ist eine homophobe Rassistin.»
Schon seit Jahren wiederholt sich das schaurige Ritual: Sobald der australische Tennis-Sommer beginnt, ist auch Court wieder zur Stelle. Vor zwei Jahren hatte sie zum Boykott gegen die Fluggesellschaft Qantas aufgerufen, weil diese die Tennis-Spieler Casey Dellacqua unterstützt, die mit ihrer Ehefrau zwei Kinder hat. Zahlreiche Exponenten aus dem Tennis forderten daraufhin, die Margaret Court Arena umzubenennen. «Wenn etwas deinen Namen trägt, musst du offen sein und jeden empfangen wollen», hatte Billie Jean King gesagt.
Margaret Court sei so etwas wie die Oma, die an Weihnachten rassistische Sprüche mache, zog ein Talkshow-Moderator einen Vergleich. «Es ist völlig daneben, aber du hast deine Oma immer noch gern.» Die Debatte kochte so weit hoch, dass sich selbst der damalige Premierminister, Malcom Turnbull, dazu äusserte und für eine Trennung zwischen Sportlerin und Privatperson plädierte.
An Court entzündet sich die Frage, ob sich die Erfolge als Sportlerin von der öffentlichen Person im Jahr 2020 trennen lässt. Die stolze Tennis-Nation Australien steckt im Dilemma. Der nationale Verband, Tennis Australia, teilt in einer Mitteilung vor den Australian Open mit, man teile Margaret Courts Weltanschauungen nicht. Diese hätten in den letzten Jahren viele Mitglieder der Tennis-Familie verletzt. Man stehe für Gleichheit, Diversität und Inklusion ein. Man anerkenne die Leistungen Courts, gedenke aber nicht, diese zu feiern.
Doch genau das fordert Court, öffentlich und mit Nachdruck. Ihr stehe die gleiche Anerkennung zu wie Rod Laver, dessen zweiter Kalender-Grand-Slam sich im Vorjahr zum 50. Mal gejährt hatte und dem man ein Jahr lang gehuldigt hatte.
Am liebsten würde die Tennis-Familie das Thema unter den Tisch kehren. Man ist es leid, die Tiraden von Scharfmacherin Court zu kommentieren. Selbst Roger Federer, der Meister der Diplomatie, sagte vor dem Turnier, er wisse nicht, was er sagen solle und behalf sich einer Notlüge, als er sagte, er habe keine Meinung dazu.
Viele wünschen sich, dass Serena Williams die Australian Open gewinnt und damit Courts Rekord von 24 Grand-Slam-Titeln im Einzel egalisiert. Ausgerechnet sie, die als Afro-Amerikanerin und Frau gleich zwei Gruppen vertritt, die sich Rechte und Anerkennung im letzten Jahrhundert und bis heute haben erkämpfen müssen.
«Wenn sie meinen Rekord schlägt, hat sie es verdient. Ich werde deswegen keine schlaflosen Nächte haben», sagt Court. Sie finde Frauen-Tennis ohnehin langweilig und in ihrer Zeit hätte Williams keine Chance gehabt. Darauf angesprochen, sagt Williams: «Margaret Court war eine grosse Siegerin. Sie verdient die Anerkennung für ihre harte Arbeit, wie Steffi Graf, Chris Evert und Martina Navratilova.» Man wünscht sich, Court würde sich eine Scheibe von Willliams' Grösse abschneiden.
Schwach, einfach nur schwache Aussage, denn er würde kaum seine Sponsoren verärgern, wenn er die Aussagen der Court so taxieren würde wie sie taxiert gehören.