Im Januar platzte beim Australian Open der Traum vom ersten rein schweizerischen Grand-Slam-Final aller Zeiten auf der Zielgerade. Stan Wawrinka schaltete in seinem Halbfinal Novak Djokovic aus, doch Roger Federer konnte gegen Rafael Nadal nicht nachziehen und schied in drei Sätzen aus.
Neun Monate später könnte der erste Schweizer Major-Final wieder Tatsache werden. Noch fehlen beiden Spielern nur zwei Siege. Im April in Monte Carlo sorgten Wawrinka und Federer für den ersten gemeinsamen Final, das erste Schweizer Endspiel auf hoher Stufe gab es 2000 in Barcelona, als der damals 18-jährige Federer gegen Marc Rosset verlor. Danach war er so bitter enttäuscht, weil er dachte, er würde nie ein Turnier gewinnen können.
I remember my first final like it was yesterday, thought I was never going to win a tournament after the match! #heartbreak
— Roger Federer (@rogerfederer) 13. Februar 2014
14 Jahre später muss sich Federer nicht mehr um einen möglichen ersten Turniersieg kümmern. Sein Palmares ist eindrücklich. Doch die Schweiz träumt wieder mehr denn je vom Schweizer Endspiel der beiden Davis-Cup-Spieler. Die Vorbereitung auf den Halbfinal gegen Italien würde dann zwar extrem kurz ausfallen, aber uns wäre ein «Swiss final» auch recht. Diese Hürden müssen noch aus dem Weg geräumt werden:
Head-to-Head: 2:0
Der Romand trifft im Viertelfinal heute Abend (im watson-Liveticker) zum dritten Mal in seiner Karriere auf Kei Nishikori. Der 24-Jährige gehört zur jungen Garde, der man grosse Titel zutraut. In diesem Jahr holte er zwei seiner fünf Titel. Wie Wawrinka gilt Nishikori als Spieler, der nie aufgibt und mit seiner Schnelligkeit und Ausdauer die Gegner zermürben kann.
Bisherige Duelle: Die ersten beiden Duelle vor zwei Jahren gewann er locker in zwei Sätzen (in Cincinnati und Buenos Aires).
Siegchancen: 70%
Wie Wawrinka ist auch Nishikori gezeichnet vom bisherigen Turnier. Im Achtelfinal schaltete er Milos Raonic etwas überraschend in fünf Sätzen aus, stand dafür aber bis morgens um 2.26 Uhr auf dem Court.
Head-to-Head: 6:8
Murray hat seine Form nach einem schwachen Sommer wiedergefunden. Beeindruckte beim Dreisätzer gegen Jo-Wilfried Tsonga, gab aber gegen Andrey Kuznetsov und Robin Haase je einen Satz ab.
Bisherige Duelle: Die Bilanz ist ziemlich ausgeglichen, die letzten beiden Duelle holte sich der Schweizer souverän. Beim US Open trafen die zwei schon dreimal aufeinander. Das erste Duell holte sich der Schotte, zuletzt zweimal der Schweizer.
Siegchancen: 55 %
Es ist alles offen. Murray liegt Wawrinka aber grundsätzlich etwas besser als Djokovic.
Head-to-Head: 3:15
Djokovic ist beim US Open wie auf Knopfdruck wieder bereit und fliegt derzeit durch das Turnier. Gegen Philipp Kohlschreiber bekundete er aber trotz Dreisatzsieg mehr Mühe als erwartet. Die wirklich grosse Hürde stellt sich dem Serben heute Nacht im Spiel gegen Murray. Gewinnt er dort – ist er ein ganz heisser Titelfavorit.
Bisherige Duelle: Die Bilanz spricht zwar klar für Djokovic. Im Januar siegte der Schweizer erstmals wieder nach 14 Duellen gegen den Serben und gewann danach die Australian Open. Im fünften Satz rang Stan den Djoker mit 9:7 nieder. Unvergessen sind auch die vorherigen Grand-Slam-Duelle 2013. Beide gingen über fünf Sätze, der Achtelfinal beim Australian Open war mit dem 10:12 im Entscheidungsdurchgang episch, beim US Open letztes Jahr gab Wawrinka zweimal eine Satzführung preis.
Siegchancen: 40 %
Besiegt Djokovic Murray, dürfte er wieder genug Selbstvertrauen haben, um Wawrinka im Normalfall zu besiegen. Aber Wawrinka ist Wawrinka. Da ist immer alles möglich.
Head-to-Head: 7:2
Der Franzose ist einer der Publikumslieblinge in Flushing Meadows und einer der grossen Defensivkünstler, was Federer wenig behagt. Der Showman geht allerdings auch grosses Risiko ein und will bei eigenem Aufschlag die Punkte oft schnell beenden. Sein Sieg gegen Grigor Dimitrov im Achtelfinal konnte nicht erwartet werden.
Bisherige Duelle: Auch wenn die Bilanz klar für Federer spricht, die Partien sind meist hart umkämpft. Zuletzt siegte Federer in Cincinnati in drei Sätzen knapp, in Schanghai verlor er gegen Monfils noch.
Siegchancen: 75%
Monfils mag in Form sein, aber Federer ist dies auch. Er hat alle Mittel, um den Franzosen auszuspielen.
Head-to-Head: 5:0
In den Achtelfinals musste Cilic gegen Gilles Simon über fünf Sätze, zuvor schon gegen Kevin Anderson über vier. Der Kroate hat noch nicht vollends überzeugt.
Bisherige Duelle: Gegen den Kroaten hat Federer noch nie verloren. In Toronto in diesem Sommer stand der 25-Jährige aber nahe am ersten Triumph. In einem fast dreistündigen Krimi siegte Federer erst mit dem siebten Matchball und zwei Durchgängen im Tiebreak. Die Partie endete um 00.20 Uhr, am Geburtstag Federers. Der sagte danach im Spass: «Ich spielte extra schön lange, um noch mit der Presse feiern zu können. Es war schon immer mein Wunsch und Traum, mit Journalisten zu feiern …» Beim US Open 2011 setzte sich Federer in vier Sätzen durch.
Siegchancen: 80%
Cilic wäre sicherlich die einfachste Aufgabe auf dem Weg ins Endspiel. In der aktuellen Form dürfte er für den Kroaten unerreicht sein.
Head-to-Head: 12:6
Um ein Haar wäre Berdych in der 2. Runde an Martin Klizan gescheitert, zog seinen Kopf aber in fünf Sätzen aus der Schlinge. Danach überzeugte der Tscheche mit zwei flotten Dreisatzsiegen. Im Duell mit Cilic ist er zu favorisieren.
Bisherige Duelle: Auch wenn Federer 12:6 führt, der Tscheche darf als eine Art «Angstgegner» bezeichnet werden. Mit dem Hardhitter und starken Aufschlägen bekundet der Baselbieter immer wieder Probleme und musste schon einige bittere Niederlagen einstecken. Da war die Olympia-Pleite 2004 oder die Viertelfinal-Niederlagen beim Wimbledon 2010 und beim US Open 2012. Beide Male stoppte Berdych schöne Serien. In Wimbledon verhinderte er den möglichen achten Finaleinzug Federers in Serie, in New York schied Federer erstmals seit 2003 wieder vor den Halbfinals aus. Berdych sagte danach: «Etwas von meinem Spiel behagt ihm nicht.» Er hat recht.
Siegchancen: 60 %
Federer wäre trotz allem der Favorit. In Dubai besiegte er den 28-Jährigen in diesem Jahr im Endspiel nach Satzrückstand. Jetzt ist Federers Spiel noch besser geworden. Ein weiteres Mal lässt sich der Schweizer vom Tschechen nicht die Suppe versalzen.