Ein siebter ATP-Finals-Titel würde Federer gut tun.Bild: AP
10.11.2019, 10:5810.11.2019, 12:25
Anfang des Jahres gewann Roger Federer in Dubai seinen 100. Titel auf der ATP-Tour. Nach diesem Meilenstein sagte er:
«Wir leben in einer Zeit, in der anscheinend jeder Rekord gebrochen werden muss. Für mich gilt das nicht, ich muss nicht jeden Rekord haben.»
100? Mittlerweile steht Federer bei 103 Turniersiegen.Bild: EPA
Stimmt. Federer muss nicht, aber er kann. Und jeder Rekord hilft, um am Ende in der «GOAT»-Debatte um den grössten Tennisspieler aller Zeiten die Argumente auf seiner Seite zu haben. Vor den ATP Finals in London schauen wir auf die wichtigsten Tennis-Rekorde und versuchen abzuschätzen, ob Federer am Ende ganz oben stehen wird oder ob seine beiden grossen Erzrivalen Rafael Nadal und/oder Novak Djokovic noch an ihm vorbeiziehen werden.
Wochen als Nummer 1
Der aktuelle Stand:
- Roger Federer: 310 Wochen
- Novak Djokovic: 275 Wochen
- Rafael Nadal: 197* Wochen
(*=aktuelle Weltnummer 1)
Nadal ist in dieser Sparte ziemlich sicher aus dem Rennen, zu deutlich liegt der 33-jährige Malloquiner hinter Federer und Djokovic. Der Serbe hat aber beste Chancen, Federer den Nummer-1-Rekord streitig zu machen – auch wenn Nadal Djokovic am letzten Montag nach ziemlich genau einem Kalenderjahr wieder vom Tennis-Thron verdrängt hat
Die aktuelle Weltrangliste:
Nur 35 Wochen liegt der fast sechs Jahre jüngere Djokovic hinter Federer. Der Schweizer befindet sich mit seinen 38 Jahren im Spätherbst seiner Karriere und passt den Turnierplan seinen Kräften an. Noch einmal die Weltnummer 1 zu werden, hat für ihn nicht mehr die allerhöchste Priorität und wäre auch äusserst schwierig zu erreichen. Momentan liegt Federer in der Weltrangliste deutlich hinter Nadal und Djokovic zurück.
Djokovic dagegen hat schon an den ATP Finals in London die Chance, Nadal wieder von der Spitze zu verdrängen. 540 Punkte muss «Nole» dafür mehr holen als «Rafa». Gewinnt Djokovic, der zuletzt in Paris-Bercy seine Topform bewies, in London beispielsweise ungeschlagen, würde er 1500 Punkte dazu gewinnen und Nadal müsste mindestens ungeschlagen in den Final einziehen, um am Jahresende vorne zu bleiben.
Nadal oder Djokovic – wer ist Ende Saison die Nummer 1?
bild: reddit
Die Prognose:
- Djokovic wird sich den Nummer-1-Rekord früher oder später holen.
Wochen als Nummer 1 in Serie
Der aktuelle Stand:
- Roger Federer: 237 Wochen
- Novak Djokovic: 122 Wochen
- Rafael Nadal: 56 Wochen
Über vier Jahre in Serie müssten Djokovic oder Nadal die Weltnummer 1 bleiben, um Federer diesen Rekord abzuluchsen. Die beiden haben in dieser Saison zwar alle grossen Titel unter sich aufgeteilt, werden aber auch nicht jünger und die nächste Generation um Alexander Zverev, Stefanos Tsitsipas oder Daniil Medewdew drängt langsam aber sicher auf die Wachablösung.
Federer stellte seinen Fabelrekord von 237 Wochen auf dem Tennis-Thron zwischen Februar 2004, als er nach seinem zweiten Grand-Slam-Titel erstmals die Nummer 1 wurde, und August 2008 auf, als das Leistungsdichte an der Spitze deutlich kleiner war als heutzutage.
Die Prognose:
- Diesen Rekord werden Djokovic und Nadal dem «Maestro» nicht mehr abluchsen.
Mit seinem ersten Australian-Open-Titel im Februar 2004 übernahm Federer auch die Nummer-1-Position in der Weltrangliste.Bild: EPA AAP
Grand-Slam-Titel
Der aktuelle Stand:
- Roger Federer: 20
- Rafael Nadal: 19
- Novak Djokovic: 16
Um ein Haar hätte Federer in diesem Jahr in Wimbledon seinen 21. Grand-Slam-Titel geholt, doch im epischen Final gegen Djokovic vergab er zwei Matchbälle und musste sich schliesslich geschlagen geben. Der Serbe holte in dieser Saison wie Nadal zwei Major-Titel und so wird das Rennen in der wohl wichtigsten aller Statistiken immer spannender. Nadal liegt nur noch einen Grand-Slam-Erfolg hinter Federer, Djokovic liegt mit 16 in Tuchfühlung.
Die Prognose:
- Den Grand-Slam-Rekord wird Federer nicht halten können. Der Schweizer holt – wenn es gut läuft – vielleicht noch einen oder zwei Major-Titel, schliesslich will er noch ein oder sogar zwei Jahre weiterspielen. Die jüngeren Nadal und Djokovic haben aber noch deutlich mehr Möglichkeiten, Grand Slams zu gewinnen. Der Spanier wird Federer vielleicht schon nächstes Jahr überholen, am Ende wird er oder gar Djokovic die Nase vorn haben.
Grand-Slam-Finals
Der aktuelle Stand:
- Roger Federer: 31
- Rafael Nadal: 27
- Novak Djokovic: 25
Eine Statistik, mit der man sich nichts kaufen kann, die aber die Konstanz der «Big 3» sehr schön aufzeigt. Federer liegt auch hier noch vorne, wird aber von Nadal und Djokovic belagert.
Nadal stand im letzten Jahr in drei Grand-Slam-Finals, Djokovic in zwei, Federer in einem.Bild: AP
Prognose:
- Hier dürfte Federer vorne bleiben. In einen Grand-Slam-Final zu kommen, ist für den Schweizer deutlich einfacher, als das Turnier auch zu gewinnen. Für einen Sieg gegen Djokovic oder Nadal ist der «Maestro» immer gut. Zuletzt hat sich aber gezeigt: Beide im gleichen Turnier zu schlagen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit geworden. Und trifft er im Final auf einen seiner Erzrivalen, ist er wegen der negativen Head-to-Heads psychologisch im Nachteil.
Titel an den ATP Finals
Der aktuelle Stand:
- Roger Federer: 6
- Novak Djokovic: 5
- Rafael Nadal: 0
Nadal ist hier ausser Rang und Traktanden, noch nie konnte er am Saisonende triumphieren. In der Halle ist der «Stier aus Manacor» deutlich schwächer als seine beiden Konkurrenten, ausserdem ist er Ende Jahr wegen seines kräfteraubenden Spielstils meist nicht mehr ganz fit. Ganz anders Federer und Djokovic, die in der Halle die beiden dominierenden Spieler sind.
Die Finalisten der ATP-Finals seit 2003:
bild: screenshot wikipedia
Prognose:
- Auch hier wird es für Federer ganz eng. Djokovic wartet zwar schon drei Jahre auf seinen sechsten Titel bei den ATP-Finals, könnte den Schweizer aber trotz dreijähriger Flaute noch überholen. Viel wird vom diesjährigen Turnier abhängen. Kann Federer seinen Vorsprung mit dem siebten Titel ausbauen, könnte es für ihn reichen. Ansonsten tippe ich auf Djokovic.
Masters-1000-Titel
Der aktuelle Stand:
- Rafael Nadal: 35
- Novak Djokovic: 34
- Roger Federer: 28
Lange konnte Federer im Rennen um die meisten Masters-1000-Titel mit seinen beiden Hauptkonkurrenten mithalten, mittlerweile haben ihn Nadal und Djokovic aber deutlich distanziert. Nadal gewinnt fast alle Turniere der zweitgrössten Kategorie auf Sand, Djokovic gehört auf Hartplatz und in der Halle immer zu den Siegesanwärtern. Zu Federers Leidwesen gibt es kein Masters-1000-Turnier auf Rasen.
Federer holte 2019 ein Masters-1000-Titel (in Miami), Djokovic (Madrid und Paris) und Nadal (Rom und Montreal) je zwei.Bild: AP
Prognose:
- Federer wird nicht mehr zu Nadal und Djokovic aufschliessen können. Den einen oder anderen 1000er-Titel wird sich der 38-jährige Tennis-Stilist noch schnappen – in Indian Wells und Cincinnati hat er jeweils die besten Chancen. Ob Djokovic oder Nadal am Ende vorne sein wird, hängt ziemlich sicher davon ab, wer länger spielen wird.
Turniersiege
Der aktuelle Stand:
- Jimmy Connors: 109
- Roger Federer: 103
- Rafael Nadal: 84
- Novak Djokovic: 77
Lange galten die 109 Turniersiege von Jimmy Connors als Rekord für die Ewigkeit. Doch Federer ist dem Amerikaner schon bedrohlich nah gerückt, nur noch sechs Titel liegt der «Maestro» hinter Connors. Nadal und Djokovic liegen noch deutlich hinter dem Schweizer, könnten aber auch noch um den Rekord mitmischen, wenn sie genügend lange spielen. Als Federer so alt war wie Nadal heute, hatte er exakt 84 Titel auf dem Konto; als er so alt war wie jetzt Djokovic, hielt er bei 76 Turniersiegen.
Die entscheidende Frage: Spielt Nadal auch so lange wie Federer?Bild: KEYSTONE
Die Prognose:
- Federer wird Connors Marke knacken, wenn er noch zwei Jahre weiterspielt. Sechs Titel in zwei Saisons liegen locker drin. Spielt er nur noch eine Saison, könnte es eng werden. Aber eben: Da sind ja auch noch Nadal und Djokovic. Spielen die beiden wie Federer bis 38 und ohne grössere Verletzungen weiter, können sie ihm gefährlich werden. Aber erst müssen sie so lange spielen …
Final-Teilnahmen
Der aktuelle Stand:
- Jimmy Connors: 164
- Roger Federer: 157
- Rafael Nadal: 121
- Novak Djokovic: 111
Auch in dieser – zugegeben nicht allzu wichtigen – Kategorie liegt Connors noch knapp vor Federer. Die 100er-Marke haben auch Nadal und Djokovic schon geknackt.
Mit Finalteilnahmen kann man sich am Ende der Karriere nichts kaufen – es zählt nur der Titel.Bild: AP/AP
Die Prognose:
- Federer wird Connors auch bei den erreichten Finals überholen. Nadal und Djokovic werden es schwer haben, den Schweizer noch einzuholen, aber unmöglich ist es nicht.
Siege auf der ATP-Tour
Der aktuelle Stand:
- Jimmy Connors: 1274
- Roger Federer: 1235
- Rafael Nadal: 970
- Novak Djokovic: 889
Noch eine Kategorie, in der Federer kurz vor der Rekordübernahme steht. Mit 1235 Einzelsiegen auf der Tour liegt er nur noch 39 erfolgreiche Matches hinter Leader Connors. Nadal und Djokovic liegen hier klar zurück.
Jimmy Connors hätte sicher nichts dagegen, wenn Federer ihn überholen würde.Bild: AP
Die Prognose:
- Federer wird Connors im nächsten Jahr definitiv überholen. Die 40 benötigen Siege dürfte Federer am US Open oder in Schanghai erreichen. Doch auch in dieser Sparte könnten Nadal und Djokvic dem «Maestro» in der Zukunft noch gefährlich werden.
Siegquote:
Der aktuelle Stand:
- Rafael Nadal: 83.2 Prozent
- Novak Djokovic: 82.8 Prozent
- Björn Borg: 82.7 Prozent
- Roger Federer: 82.2 Prozent
Unfassbar, wie nah die «Big 3» nach je über 1000 Spielen auf der ATP-Tour in dieser Kategorie beieinander liegen. Nadal verfügt derzeit über die beste Siegquote – gefolgt von Novak Djokovic und Björn Borg, der allerdings mit 27 zurücktrat und nur 776 Partien bestritt. Federer hinkt etwas hinterher, auch weil es zu Beginn seiner Profikarriere etwas dauerte, bis er in die Gänge kam.
Sein Kampfgeist gehört zu Nadals grössten Stärken.Bild: EPA
Die Prognose:
- Federer kann Nadal und Djokovic nicht mehr überholen. Fast 100 Mal in Serie müsste er gewinnen, um den Spanier hinter sich zu lassen. Auch für den «Maestro» ein Ding der Unmöglichkeit. Djokovic könnte sich Nadal aber noch schnappen, wenn auf er auf Hartplatz weiterhin so dominant auftritt.
Älteste Weltnummer 1
Der aktuelle Stand:
- Roger Federer: 36 Jahre und 10 Monate
- Rafael Nadal: 33 Jahre und 5 Monate
- Novak Djokiovic: 32 Jahre und 5 Monate
Mit seinem Turniersieg in Rotterdam wurde Federer im Februar 2018 nach über fünf Jahren Pause wieder die Weltnummer 1 – im für einen Tennisspieler schon fast biblischen Alter. Mit Nadal wechselte er sich in der Folge ab, mit 36 Jahren und 10 Monaten stand er Ende Juni 2018 zuletzt ganz oben.
Federer erhält 2018 in Rotterdam von Richard Krajicek die Trophäe für die älteste Weltnummer 1.Bild: EPA/ANP
Die Prognose:
- Ganz schwierig, hier eine Voraussage zu treffen. Spielen Nadal und Djokovic in drei bzw. vier Jahren noch? Und auf dem gleichen Niveau wie heute? Falls ja – was nicht allzu abwegig ist und beide auch nicht ausschliessen – könnten sie auch diesen Federer-Rekord brechen.
Ältester Grand-Slam-Sieger
Der aktuelle Stand:
- Ken Rosewall: 37 Jahre und 2 Monate
- Roger Federer: 36 Jahre und 7 Monate
- Rafael Nadal: 33 Jahre und 0 Monate
- Novak Djokovic: 32 Jahre und 3 Monate
Beim Australian Open 1972 holte Ken Rosewall im Alter von 37 Jahren und 2 Monaten seinen 16. Grand-Slam-Titel (den achten in der Open-Ärä). Zwei Jahre später stand er mit fast 40 in Wimbledon und beim US Open im Final, verlor aber beide Endspiele gegen Jimmy Connors klar in drei Sätzen. Federer holte seinen 20. Grand-Slam-Titel 2018 in Melbourne, damals war er 36 Jahre und 7 Monate alt.
Ken Rosewall 1972 mit dem Norman Brooks Challenge Cup. bild: twitter
Prognose:
- Federer wird Rosewalls Rekord knacken. In Melbourne gehört er im Januar 2020 zu den Top-Favoriten, wenn die Verhältnisse genügend sind. In Wimbledon hat Federer immer die Chance, zu triumphieren, sofern er topfit ist. Einmal noch zwei perfekte Wochen erwischen und Federer ist der älteste Grand-Slam-Sieger aller Zeiten.
Preisgeld
Der aktuelle Stand:
- Novak Djokovic: 136'954'944 Dollar
- Roger Federer: 127'504'891 Dollar
- Rafael Nadal: 115'466'561 Dollar
Mit deutlich über 100 Millionen Dollar Preisgeld haben natürlich alle drei längst ausgesorgt. Djokovic führt die Geld-Rangliste klar vor Federer an, obwohl der Schweizer fünf Jahre vor dem Serben Profi geworden ist und deutlich mehr Turniere gewonnen hat. Der Serbe profitiert aber davon, dass die Preisgelder in seinen dominanten Jahren deutlich angestiegen sind und dass er bei den «Big Titles» (Grand-Slams, Masters 1000 und ATP Finals) mit 55:54 knapp vor Federer liegt.
Bild: EPA
Die Prognose:
- Djokovic wird in Sachen Preisgeld der Krösus bleiben. Federer gehört dank lukrativen Ausrüster- und Sponsoren-Verträgen im Gegensatz zum «Djoker» aber jedes Jahr zu den höchstbezahlten Sportlern der Welt.
12. Dezember 1982: Dass die New England Patriots gegen die Miami Dolphins siegen, haben sie Mark Henderson zu verdanken. Der ist kein Footballer, sondern fährt im Stadion den Schneepflug.
Ein Football-Spiel geht in der Regel eher nicht mit 3:0 aus. Für einen Touchdown mit anschliessendem Field Goal gibt es ja bereits sieben Punkte. Aber die Partie zwischen den New England Patriots und den Miami Dolphins am 12. Dezember 1982 ist ja auch kein gewöhnliches Football-Spiel.
In Spanien wird Nadal immer die Nummer 1 sein und in Serbien wohl Djokovic.
Schlussendlich kann man das nicht messen, es spielt immer die Sympathie mit.
Zur Grösse zählen für mich auch Auftreten, Stil (auf und neben dem Platz) und Charisma. Djokovic wird da nie an Federers und Nadals Level herankommen, er wirkt zu verbissen und die ganze Gimelstob-Affäre hat ihm auch nicht wirklich geholfen. Nicht umsonst lässt sich ein Federer viel besser vermarkten als ein Djoker.