Schönwetterspieler, Diva, Heulsuse. Der Ruf, der Andy Möller während seiner Karriere begleitet, ist wahrlich nicht der Beste. Und was er an diesem Donnerstagabend im Dortmunder Westfalenstadion tut, bewirkt das Gegenteil einer Imagekorrektur. Offensivspieler Möller erfindet in diesem Spiel die «Schutzschwalbe».
Der Karlsruher SC führt am 26. Spieltag beim Meisterschaftsanwärter Borussia Dortmund mit 1:0, die Partie dauert nur noch eine Viertelstunde. Da setzt Andy Möller zu seiner Flugeinlage für die Geschichtsbücher an.
In der 75. Minute läuft er im Strafraum des KSC an Gegenspieler Dirk Schuster vorbei – und wirft sich dann spektakulär in den Rasen. Schiedsrichter Günther Habermann zeigt auf den Penaltypunkt.
Die Fernsehbilder entlarven Möller als Simulanten. Denn Schuster hat ihn mitnichten gefoult. Ja, er berührt den Gegenspieler noch nicht einmal. Michael Zorc verwandelt den Elfmeter, Matthias Sammer schiesst kurz vor dem Ende das 2:1, das dem BVB den Sieg bringt.
Die Karlsruher sind verständlicherweise ausser sich. «Zwischen ihm und mir hätte ein Kleinwagen parken können – da fiel er plötzlich hin, fast aus dem Stand», beschreibt Verteidiger Schuster die Szene. Als der Schiedsrichter auf den Punkt zeigt, kann er das kaum fassen. «Das kann doch nicht wahr sein. Das muss der doch gesehen haben!»
Wenig überraschend kocht besonders der impulsive Karlsruher Trainer Winnie Schäfer vor Wut. Er mag Möller nicht und weil die Abneigung gegenseitig ist, setzt der Schwalbenkönig noch einen drauf. Er behauptet: «Es war kein Elfmeter. Aber der Trainer des KSC attackiert mich Jahr für Jahr. Bei jedem anderen wäre ich zum Schiedsrichter gegangen und hätte gesagt, dass es kein Elfmeter war, bei ihm jedoch nicht.»
Möller kreiert im Nachgang auch eine neue Tierart. «Das war eine Schutzschwalbe», erklärt er, «ich dachte, dass Schuster mich voll umhauen würde.»
Eine Woche nach der Schauspieleinlage gibt das DFB-Sportgericht bekannt, was es davon hält. Möller muss 10'000 Mark Busse bezahlen und wird wegen der Schwalbe für zwei Spiele gesperrt. Bundestrainer Berti Vogts verbannt ihn zudem für einige Spiele aus der Nationalelf.
Seine Schwalbe gibt Möller damals sogar schon auf dem Feld zu, als Schuster ihn vor einem Eckball darauf anspricht. «Er hat mit geantwortet, der Zweck heilige die Mittel», erzählt Schuster. Heute ist er nicht mehr sauer auf Möller. «Durch den massiven Imageschaden hat er genug gebüsst.»
Das Ansehen des Mittelfeldspielers erleidet später weiteren Schaden. Im Ausland macht er sich unbeliebt, als er im EM-Halbfinal 1996 gegen England im hohlen Kreuz wie ein Feldherr den Finaleinzug bejubelt. Und im Jahr 2000 begeht Möller das «Verbrechen», von Dortmund zum verhassten Revier-Rivalen Schalke 04 zu wechseln.
So bleiben am Ende seiner Karriere nicht die ausserordentlichen Erfolge haften, sondern die Tiefpunkte. Andy Möller: Der Schönwetterspieler, die Diva, die Heulsuse – der Schöpfer der Schutzschwalbe.