Montagabend in Regensburg, die Bayern gastieren in der 1. Runde des DFB-Pokals beim damaligen Zweitligisten SSV Jahn. Bei Temperaturen um 35 Grad Celsius entwickelt sich ein Spiel, das dem deutschen Rekordmeister nicht gefallen kann. Die Angst vor der Blamage spielt mit. Das Starensemble von Jupp Heynckes tut sich enorm schwer gegen einen Gegner, der sich nur hinten reinstellt.
Franck Ribéry, Arjen Robben, Thomas Müller und wie sie alle heissen, laufen sich immer wieder im Abwehrriegel der Regensburger fest, die Bayern wirken uninspiriert. Dank eines Treffers von Neuzugang Mario Mandzukic in der 32. Minute führt der Favorit zwar standesgemäss, aber etwas schmeichelhaft mit 1:0.
Zur Pause bringt Heynckes dann den zweiten Neueinkauf. Und dieser Wechsel sollte sich als Glücksgriff herausstellen. Für den leicht fiebrigen Ribéry kommt Xherdan Shaqiri ins Spiel, der für 12 Millionen Euro vom FC Basel zum deutschen Rekordmeister wechselte.
Vielerorts wurde der Schweizer Nati-Star für diesen Transfer belächelt. Er sei ja schon ein grosses Talent, aber gleich zum FC Bayern ... Dort sei er gegen die starke Konkurrenz im Mittelfeld mit Robben, Ribéry Müller, Schweinsteiger, Kroos und dem bald erwarteten Javi Martinez ja eh chancenlos, so der Tenor bei den meisten Schweizer Fussball-Fans.
Doch Shaqiri, der bereits in der Vorbereitung stark gespielt hatte, im DFB-Supercup aber dennoch nur vier Minuten ran durfte, zeigt bei seinem zweiten Pflichtspieleinsatz, wozu er fähig ist. Kaum 15 Minuten auf dem Feld überzeugt er Robben und Kroos, ihn die Wiederholung eines Freistosses treten zu lassen. Mit Erfolg: Der damals 20-Jährige nimmt zwei, drei Schritte Anlauf und schlenzt den Ball herrlich über die Mauer zum 2:0 ins Netz.
Nach seinem ersten Pflichtspiel-Treffer ist Shaqiri nicht mehr zu bremsen. Der 1,69 Meter grosse «Kraftwürfel» wirbelt die Abwehr von Jahn Regensburg immer wieder gehörig durcheinander. Nahezu jeder Angriff in der zweiten Halbzeit läuft über ihn. So auch in der 80. Minute, als er Mandzukic mit einem perfekten Pass in die Tiefe lanciert und dieser nach Umkurven des Torhüters nur noch einzuschieben braucht.
Drei Minuten vor dem Ende legt Shaqiri nach einem Doppelpass mit Luiz Gustavo auch noch das 4:0 durch Rückkehrer Claudio Pizarros auf und macht sich so endgültig zum Mann des Spiels.
Die Bayern-Bosse halten sich mit Lob für Shaqiri dennoch zurück. «Wenn ein Spieler eingewechselt wird, dann hofft man, dass er etwas bewegt und das Spiel belebt – das hat er heute getan», erklärt Sportvorstand Matthias Sammer nüchtern. Trainer Heynckes lobt immerhin: «Mit der Einwechslung von Shaqiri haben wir in der zweiten Halbzeit viel besser gespielt. Er ist ein riesiges Talent. Er hat alles, was ein Fussballer braucht.»
Begeistert ist auch TV-Experte Mehmet Scholl: «Jeder weiss, wie Ribéry spielt. Jeder weiss, wie Robben spielt. Aber mit Shaqiri haben sie eine neue Komponente im Spiel. Er macht die Bayern variabler», so der einstige Spielmacher. Auch in den Zeitungen ist der Nati-Star am Tag danach natürlich das grosse Thema. «Shaqiri wuselt sich ins Rampenlicht» titelt der «Kicker», «Staunen über den kleinen Schweizer» die «Süddeutsche».
Und was sagt Shaqiri selbst? «Ich glaube, jeder hat gesehen, dass ich nicht nur der kleine Schweizer bin, sondern der Mannschaft helfen kann», erklärt er selbstbewusst. Auf die Frage, ob er nun einen Stammplatz fordere, gibt er sich aber diplomatisch: «Ich will nicht, dass in der Mannschaft Krieg ist. Ich will, dass wir füreinander spielen dieses Jahr, nur so können wir Erfolg haben. Man sieht aber jetzt schon auf dem Platz, dass wir Spass haben. Und das ist das Wichtigste.»
Und Spass hat Shaqiri in seiner ersten Saison mit den Bayern. Zwar kommt er unter Heynckes nicht über die Rolle des Ergänzungsspielers hinaus, immerhin spielt er in seiner ersten Bayern-Saison aber in 39 von insgesamt 54 Pflichtspielen und leistet mit acht Toren und 13 Assists auch seinen Beitrag zum historischen Triple-Gewinn.
Doch dann übernimmt Pep Guardiola bei den Bayern und unter ihm beginnt für Shaqiri eine lange Leidenszeit. Erst wird der an Inter Mailand ausgeliehen und dann von den Italienern übernommen. Trotzdem kann sich der Kraftwürfel in Italien nicht durchsetzen. Nach einem halben Jahr wechselt er im August 2015 zu Stoke City. Erst im Sommer 2018 – nach dem Abstieg Stokes wechselte Shaqiri zu Liverpool – ist er auf die grosse Bühne des Weltfussballs zurückgekehrt. Bei den Reds war der Schweizer zwar nur Ergänzungsspieler, darf allerdings zum zweiten Mal die Champions League und den englischen Meistertitel bejubeln.
sorry, aber das interessiert an der saison 2012 ja nun gar niemand mehr
Also wenn dieser Winkel nur noch Einschieben ist, dann schiesse ich Amateurkicker nie mehr ein Tor.