Sport
Unvergessen

Österreich spielt gegen die Schweiz mit Perücken und falschen Bärten

ARCHIV – ZUR SCHWEIZER NATIONALMANNSCHAFT AN DER FUSSBALL WM 1954 IN DER SCHWEIZ STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - Ein oesterreichischer Spieler stuerzt bei einem Kampf um den  ...
Das berühmteste Länderspiel zwischen den beiden Nachbarländern: Österreich gewinnt den WM-Viertelfinal 1954, die «Hitzeschlacht von Lausanne», mit 7:5.Bild: PHOTOPRESS-ARCHIV
Unvergessen

Österreich spielt im Ur-Länderspiel gegen die Schweiz mit Perücken und falschen Bärten

8. April 1901: Es ist aus heutiger Sicht reichlich absurd, was sich in Wien abspielt. Österreich bestreitet das erste Länderspiel seiner Geschichte, Gegner ist die Schweiz. Wobei bei der Nati nicht drin steckt, was drauf steht.
08.04.2022, 00:0504.04.2022, 17:25
Ralf Meile
Mehr «Sport»

Als erstes Länderspiel weist der Schweizerische Fussballverband, 1895 im Bahnhofbuffet in Olten gegründet, eine 0:1-Niederlage gegen Frankreich aus. Am 12. Februar 1905 fand diese Partie in Paris statt.

Doch die Schweiz trug schon vorher Länderspiele aus – wenngleich sie nicht unbedingt mit heutigen Länderspielen vergleichbar sind. Denn für die «Nati» standen keine Schweizer Bürger auf dem Platz, sondern in der Schweiz lebende Engländer und Amerikaner. Bei einer dieser Partien war die Schweizer Auswahl 1901 der erste Gegner Österreichs in dessen Ur-Länderspiel.

Auch die Österreicher hatten sich mit zwei Engländern verstärkt. Skurriler mutet indes eine andere Anekdote zu dieser Partie an. Viele Fussballer des Heimteams liefen vor 1500 Zuschauern im Innenraum der Prater-Rennbahn unter einem Pseudonym auf. Zudem hatten sie sich falsche Bärte angeklebt und manch einer kickte mit einer Perücke. Wie schade, dass es offenbar keine Bilder dieser Partie gibt, welche der ORF als «Faschingsfest» bezeichnet.

Torszene beim Spiel Schweiz - Oesterreich 1934 im Stade des Charmilles in Genf. (KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Str)
Viel Volk: Eine Szene aus Schweiz – Österreich 1934 im Genfer Stade des Charmilles (2:3).Bild: PHOTOPRESS-ARCHIV

Österreicher namens «Blooncy» und «Mac John»

Der Grund dafür war, dass das Fussballspiel zu jener Zeit noch lange nicht den Status besass, den es heute hat. Der Sport war verpönt, Schülern war es gar verboten, in einem Verein zu spielen. Und so machten es die Österreicher wie die Brasilianer, zum Schutz traten sie mit Künstlernamen an. Aus Emil Wachuda wurde «Omlady», Max Johann Leuthe nannte sich «Mac John», Ignaz Blumenfeld trug sich als «Blooncy» in die Spielerliste ein und Franz Jureczek schlicht als «Albert».

Zur österreichischen Mannschaft, welche die Partie mit 4:0 gewann, gehörte auch «Jan». Der hiess Johann Studnicka und war später auch Teil der «richtigen» Nationalmannschaft, für die er in 28 Länderspielen 18 Tore erzielte. «Mit seinen beinahe enormen Säbelbeinen entwickelte er eine gefürchtete Aussenrist-Schusstechnik, und seine ‹Gschlapften› waren der Alptraum eines jeden Torhüters», schrieb ein Journalist ehrfürchtig über den Stürmer. (Ein «Gschlapfter» bezeichnet laut dem «Wörterbuch des Wienerischen» einen «Überheber», wird also wohl ein Chip über den Goalie sein). Studnicka war klein und gedrungen, was im Übrigen zum schönen Spitznamen «Der G'stutzte» führte.

Studnicka auch im ersten offiziellen Länderspiel dabei

Nach seiner Laufbahn wurde Studnicka Trainer, sein Weg führte ihn auch in die Schweiz. 1923/24 coachte er den FC Zürich zu dessen zweiten Meistertitel. Da hiessen die Spieler Paul Sturzenegger (426 Tore in 458 Spielen!) oder Albert Schnorf – und mussten sich nicht hinter einem Pseudonym verstecken oder sich falsche Bärte ankleben.

Zweikampf im Spiel der Schweiz gegen Oesterreich im Hardturm-Stadion in Zuerich, aufgenommen am 8. November 1936. Die Schweiz, dunkles Dress, verliert das Laenderspiel gegen Oesterreich mit 1:3. (KEYS ...
1936 kassiert die Schweiz im Zürcher Hardturm-Stadion eine weitere Niederlage gegen Österreich, sie verliert 1:3.Bild: Keystone

Bis zum ersten offiziellen Länderspiel gegen Österreich dauerte es danach ein wenig. Es fand erst 1917 in Basel statt, einen Tag vor Heiligabend, bei minus 10 Grad. Gleich blieb der Ausgang: Die Schweiz verlor, so wie beim Ur-Länderspiel in Wien, dieses Mal immerhin nur mit 0:1. Der Captain der Österreicher war ein alter Bekannter: der mittlerweile 34-jährige Johann Studnicka.

Im Frühling 2022 liest sich die ewige Länderspiel-Bilanz gegen den Ski-Erzrivalen ernüchternd. Die Schweiz konnte nur 12 von 42 Spielen gegen Österreich gewinnen, es gab fünf Unentschieden und 25 Niederlagen.

Unvergessen
In der Serie «Unvergessen» blicken wir am Jahrestag auf ein grosses Ereignis der Sportgeschichte zurück: Ob hervorragende Leistung, bewegendes Drama oder witzige Anekdote – alles ist dabei.
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Österreicher mit Supernamen
1 / 16
Österreicher mit Supernamen
Jörg Siebenhandl, Sturm Graz. Klar, dass einer mit sieben Handl Torhüter wird!
quelle: epa/epa / sascha steinbach
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Schweizer Tiktoker macht sich über Österreicher und lustig
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Schach-WM: Wunderkind Gukesh verpasst Führung gegen Ding
Bei der Schach-WM gibt es auch im 7. Spiel keinen Sieger. Das Duell zwischen Titelverteidiger Ding und Herausforderer Gukesh bleibt ausgeglichen.

Herausforderer Dommaraju Gukesh hat bei der Schach-WM in Singapur die erstmalige Führung verpasst. In der siebten Partie verspielte der 18-jährige Inder gegen Titelverteidiger Ding Liren (32) aus China eine klar vorteilhafte Stellung, nach dem insgesamt fünften Remis steht es 3,5:3,5. Wer zuerst 7,5 Punkte hat, ist Weltmeister, weiter geht es mit Partie Nummer acht am Mittwoch.

Zur Story