28 Siege als Profi wird Rolf Järmann auf seinem Konto haben, als er seine Karriere beendet. Jener vom 17. Juli 1992 hat dabei einen ganz besonderen Stellenwert. Schliesslich erringt ihn der Arboner an der Tour de France, dem wichtigsten Radrennen der Welt.
Es ist die längste Etappe der Rundfahrt, welche die Fahrer an diesem Freitag in den Alpen zu bewältigen haben: 267,5 Kilometer zwischen Dôle und St-Gervais stehen auf dem Programm. Järmann ist gut in Form, er hat sich in den vergangenen Tagen aktiv gezeigt und ist deshalb vor dem Etappenstart als kämpferischster Fahrer ausgezeichnet worden.
In einer Abfahrt 150 Kilometer vom Ziel entfernt greift der ehemalige Schweizer Meister Jogi Müller an. Järmann geht mit, der Franzose Fabrice Philipot folgt dem Duo. Der Vorsprung wird gross und grösser – doch von hinten stossen dennoch weitere Konkurrenten zur Fluchtgruppe. Und was für welche! Der Gesamtdritte Stephen Roche, der Gesamtachte Giancarlo Perini und Pedro Delgado, Gesamtneunter. Der Ire Roche gewann 1987 die Tour, den Giro und die WM; der Spanier Delgado holte sich den Tour-Sieg 1988.
Müller setzt sich zwischenzeitlich noch einmal ab, wird jedoch wieder gestellt. So muss der Schlussaufstieg nach St-Gervais entscheiden, rund 7 Kilometer ist er lang. Schon früh verlieren Müller, Philipot und Perini den Kontakt, übrig bleiben Roche, Delgado und Järmann.
Järmann verhält sich clever, versteckt sich im Windschatten der höher dotierten Gegner. Und er «liest» Delgado richtig. Als dieser den «toten Mann» markiert und sich etwas zurückfallen lässt, weiss Järmann, was kommt: ein Angriff des Spaniers. Sofort kontert der Thurgauer diesen, Roche ist abgehängt.
«Ins Unendliche fixiert war der Blick, als Järmann vor dem Zielstrich schliesslich selbst antrat», beschreibt die NZZ die entscheidende Attacke. Delgado kann nichts mehr entgegensetzen – er ist geschlagen, der 26-jährige Thurgauer jubelt. Er sei sich zu 80 Prozent sicher gewesen, dass er den Zweiersprint für sich entscheide, erklärt Järmann danach, er hätte Delgado auch schon früher stehenlassen können. «Aber ich wollte den früheren Tour-Sieger nicht demütigen», sagt er gönnerhaft.