Mario Basler ist den meisten Fussballfreunden wegen Sprüchen bekannt: «Das habe ich ihm dann auch verbal gesagt», «Jede Seite hat zwei Medaillen» oder «Ich grüsse meine Mama, meinen Papa und ganz besonders meine Eltern». Doch er hatte nicht nur eine grosse Klappe, er konnte auch hervorragend kicken.
Am Freitagabend des 23. Septembers 1994 läuft die Partie MSV Duisburg gegen Werder Bremen. Auf dem Papier eine klare Sache: Werder ist Erster, Duisburg Vorletzter. Trotzdem haben die Gäste Mühe, ins Spiel zu kommen.
Trainer Otto Rehhagel überlegt sich bereits, wie er seinen Schützlingen in der Pause die Leviten lesen will. Der Trainer, welcher bereits die 14. Saison bei Bremen an der Seitenlinie steht, muss dann aber doch nicht zur Standpauke greifen.
In der 39. Minute kommt der Favorit zu einer Ecke. Standards sind bei Bremen für gewöhnlich eine Angelegenheit für Spezialist Mario Basler.
So auch dieses Mal: Der 25-jährige Mittelfeldspieler nimmt Anlauf und zirkelt das Leder – zur Überraschung aller – direkt aufs Tor. Auch Duisburg-Torwart Martin Pieckenhagen hat offensichtlich mit einer Flanke gerechnet, ist schlecht positioniert und muss den Ball passieren lassen.
Die Weichen sind nun auf Sieg gestellt, trotzdem brauchen die Norddeutschen bis zur 88. Minute, ehe Wynton Rufer das Spiel mit dem 2:0 per Penalty entscheidet. Der Tabellenführer aus Bremen nimmt die zwei wichtigen Punkte mit nach Hause.
Wer denkt, das gelingt nur einmal im Leben, der irrt sich gewaltig. Offensichtlich haben nicht alle Bundesliga-Keeper Wind vom Eckball-Tor bekommen, sodass der listige Mittelfeld-Fuchs noch in der selben Saison zwei weitere Male auf die gleiche Art und Weise zuschlagen kann.
Mario Basler trifft in der Saison 1994/1995 aber nicht nur von der Eckfahne, sondern aus allen Lagen. Mit 20 Treffern wird er Bundesliga-Torschützenkönig. Als Mittelfeldspieler schaffen das bis heute nur zwei weitere Spieler: Oberhausens Lothar Kobluhn 1971 und Nürnbergs Marek Mintal 2005.
Zum Meistertitel reicht es Rehhagel, Basler und Co. indes nicht. Am letzten Spieltag verlieren die Bremer bei den Bayern mit 1:3, Borussia Dortmund bedankt sich und holt die Meisterschale.
Den Rest seiner Karriere verbringt «Super Mario» bei Bayern München und Kaiserslautern. Auch hier zeigt sich der Exzentriker immer wieder torgefährlich und trifft regelmässig. Ein Treffer per Ecke gelingt ihm allerdings nicht mehr. Mit seinen drei Toren ist er aber einsame Spitze, weshalb er sich zurecht «Eckball-Rekordtorschütze» der Bundesliga nennen darf.
In der deutschen Nationalmannschaft bringt es Basler auf zwei Tore in 30 Spielen und wird 1996 Europameister. Immer waren seine Leistungen jedoch nicht zufriedenstellend, sodass auch schon das ZDF-Fernsehstudio beim Torwandschiessen darunter leiden musste.
Ein Rezept für seine direkt verwandelten Eckbälle hat der Meister seines Fachs natürlich auch auf Lager: «Das Geheimnis ist eigentlich nur, dass man eine gute Schusstechnik braucht, um einen Ball direkt aufs Tor ziehen zu können.»
Weshalb direkte Ecken so gefährlich sind, weiss Basler ebenfalls: «Für den Torwart ist es extrem schwer, weil vor ihm im Fünfmeterraum ganz viele Spieler rumwuseln. Und dann kommt der Ball mit viel Effet an, so dass der Keeper sich schnell mal bezüglich der Länge des Balls verschätzt.»
Mario Basler wird anfangs 2009 Präsident des Landesligaklubs ATSV Wattenheim. Im Pokalspiel gegen den Oberligaklub Niederauerbach steigt der Oldie gleich selbst wieder in die Hosen und erzielt sogar ein Tor: Per direkt verwandeltem Eckball! Und was sagt Eckenkönig Basler dazu? «Für so ein Tor braucht man viel Glück.»
Wer an Mario Basler denkt, sieht einen Zauberfuss und keinen unermüdlichen Kämpfer vor seinem geistigen Auge. Das weiss Basler selbst am besten: «Ich habe immer gesagt, dass ich kein Dauerläufer bin, sonst könnte ich ja gleich beim Marathon starten.»
Den Spitznamen «Marathon-Man» trägt also zurecht ein anderer. Zum Glück für dieses rauchende und saufende Genie gab es jenen 23. September 1994. Es war die Geburtsstunde des «Eckball-Rekordtorschützen», der als Trainer und Funktionär nicht an seine Erfolge auf dem Rasen anknüpfen kann. Im Spätsommer 2016 ist Mario Basler deshalb kein Kandidat für ein Traineramt, sondern in der TV-Show «Big Brother».