Nach dem WM-Qualifikationsspiel gegen Norwegen sind die Spieler der Schweizer Nationalmannschaft ausser sich vor Wut. Weil Brede Hangeland kurz nach dem Führungstreffer von Mario Gavranovic der 1:1-Ausgleich gelingt, verpasst es die Nati, den direkten Kontrahenten um den Gruppensieg vorzeitig entscheidend zu distanzieren. Schuld an der verpassten Chance tragen jedoch nicht die Spieler selbst, sondern der Schiedsrichter.
Der Unparteiische sei «arrogant» und «hochnäsig» und seine Leistung «abartig und unterirdisch» gewesen, sagt Stephan Lichtsteiner nach der Partie. Auch Xherdan Shaqiri nimmt den spanischen Referee David Fernandez Bobalan ins Kreuzfeuer: «Die Leistung des Schiedsrichters war miserabel, so einen Schiri habe ich schon lange nicht mehr gehabt», so der junge Mittelfeldmotor. Und für Diego Benaglio ist sowieso klar: «Wir haben gegen zwölf Mann gespielt.»
Auch wenn die faulen Ausreden der Fussball-Profis nicht gerade die feine Art sind, irgendwie gehören sie im Fussball halt zum «Daily Business». Was aber Trainer Ottmar Hitzfeld an diesem und an den Folgetagen abzieht, gehört weder ins Fussball-Business noch in die Lörracher Kirche, ins Sky Studio oder sonst wohin.
Der sonst so besonnene Trainer kann mit den Schiedsrichter-Entscheidungen noch weniger leben als seine Spieler und zückt kurz vor dem Pausentee doch tatsächlich den Mittelfinger. Die ganze Fussball-Schweiz fragt sich: Hat er wirklich? Ottmar Hitzfeld? Das kann doch nicht sein …
Eine Stunde später sind sämtliche Zweifel behoben: Der Nati-Coach hat sich nämlich auch nach dem Schlusspfiff nicht im Griff und streckt seinen Stinkefinger erneut in Richtung des spanischen Schiedsrichters aus. Die Bilder sprechen eine deutliche Sprache. Möchte man meinen.
Ottmar Hitzfeld sieht die ganze Sache nämlich anders. Als ob sein doppelter Ausrutscher nicht schon peinlich genug wäre, behauptet er am Tag danach an einer Pressekonferenz doch allen Ernstes, dass er den Stinkefinger gegen sich selber gerichtet habe: «Ich habe mir den Stinkefinger gezeigt, weil ich stinksauer auf mich selber war. Wütend, dass wir gegen Norwegen nicht gewonnen haben. Ich glaube nicht, dass die FIFA jemanden bestraft, der sich selber den Stinkefinger zeigt.»
Witzig auch die Ausrede des SFV: Das Ausstrecken des Mittelfingers sei lediglich eine «natürliche Gestik» von Hitzfeld gewesen. Er mache dies manchmal auch im Training. Belegen wollen sie diese Theorie mit einem Schnappschuss aus dem Training.
Wie bitte? Natürliche Gestik? Sich selber den Mittelfinger zeigen? Nein, diese Ausreden sind faul. So faul, dass auch die FIFA sie nicht glaubt: Hitzfeld darf im nächsten Spiel gegen Island zwar noch auf der Bank sitzen, für die beiden Zypern-Spiele wird er aber gesperrt. Zusätzlich bekommt er eine Busse von 7000 Franken aufgebrummt.
Hitzfeld zeigt auch nach der Strafe wenig Rückgrat und verfolgt das Spiel in Zypern nicht einmal von der Tribüne, sondern vom Hotelzimmer aus. Die Schweizer Nati liefert ohne ihren Coach eine dürftige Vorstellung ab und spielt gegen die Mittelmeer-Kicker lediglich 0:0.
Trotz des Hitzfeld-Blackouts qualifiziert sich die Schweizer Nati letzten Endes souverän für die WM-Endrunde, wo sie nach einem heroischen Kampf gegen Argentinien im Achtelfinale ausscheidet.
Übrigens: Im Spiel gegen Chile an der WM 2010 hatte Hitzfeld ebenfalls seine liebe Mühe mit dem Schiedsrichter: «Es gibt Schiedsrichter für den Fussballplatz und solche für den Strand», sagt der Ex-Nati-Trainer damals stinksauer. Ob er auch schon dem Saudi-Schiri Khalil al-Ghamdi den Stinkefinger gezeigt hat, dürfen sie selbst entscheiden: