Für einen Sprinter ist ein Sieg auf der Avenue des Champs-Élysées einer mit ganz besonders viel Prestige. Als Gilbert Glaus 1982 zum ersten Mal an der Tour de France teilnimmt, ist er von diesem Etappensieg noch weit entfernt. Der im Berner Oberland lebende Freiburger landet auf Rang 23.
Ein Jahr später führt Gesamtsieger Laurent Fignon das Feld auf die letzten Meter, in seinem Windschatten Sean Kelly. Der Ire hat das Grüne Trikot für den Sieger der Punktewertung auf sicher, und natürlich will er diesen Triumph mit dem Etappensieg in Paris krönen. Doch der Schweizer Glaus macht ihm einen Strich durch die Rechnung.
«Schibu» ist früh im Wind, zieht den Sprint von vorne durch und gewinnt als erster und bis heute einziger Schweizer die Schlussetappe der Tour de France auf den Champs-Élysées. Es sei sein schönster Sieg gewesen, sagt er nach seiner Karriere.
Der Erfolg auf dem Prachtboulevard ist der zweite grosse Triumph in Glaus' Karriere. 1978 wird er auf dem Nürburgring Weltmeister der Amateure. In dieser Kategorie gewinnt er rund 170 Rennen, so dass er mit Preisgeldern mehr verdient, als wenn er Profi wäre. Erst mit 27 Jahren wechselt er doch noch ins Lager der Berufsfahrer.
Gleich in seinem ersten Jahr bei den Profis wird Gilbert Glaus 1982 Schweizer Meister und er gewinnt 1986 das fast 600 Kilometer lange Traditionsrennen von Bordeaux nach Paris, das erstmals 1891 ausgetragen wurde und das vor ihm mit Heiri Suter und Ferdy Kübler erst zwei andere Schweizer gewinnen konnten.
Glaus kommt auf fünf Teilnahmen an der Tour de France und zwei am Giro d'Italia. Eine dreiwöchige Rundfahrt zu beenden, sei «etwas vom schwersten», hält er 1984 in der «Berner Zeitung» fest. «Aber wenn man den Willen aufgebracht hat, bis nach Paris zu fahren, schenkt das eine grosse Befriedigung.»
Sein Etappensieg auf den Champs-Élysées ist der Höhepunkt, aber nicht die einzige bemerkenswerte «Errungenschaft» von Gilbert Glaus an der Tour de France. Ein Jahr nach seinem Erfolg beendet er die Frankreich-Rundfahrt als Träger der «Lanterne Rouge», als Letztplatzierter. Das ist allerdings keine Schande, im Gegenteil: Manchmal reissen sich Fahrer sogar um diese rote Laterne. Auf die Spitze treibt es der Belgier Wim Vansevenant, der zwischen 2006 und 2008 drei Mal in Folge Letzter der Tour de France wird.