Im Sommer 2011 wechselt Manuel Neuer vom FC Schalke 04 zu den Bayern. Der 25-Jährige gilt als bester Torhüter Deutschlands – aber in München wird er nicht nur mit offenen Armen empfangen. Die Abneigung vieler Fans hat einen Grund: Neuer ist Schalker durch und durch. Als Jugendlicher steht er mit den Ultras in der Nordkurve.
Der Goalie steht dazu, ein «Königsblauer» zu sein, S04 bezeichnet er als «die Liebe meines Lebens». Nie zeigt er diese Verbundenheit stärker als am 25. April 2009. Schalke spielt in der Allianz Arena und führt mit 1:0. Ein letzter Bayern-Schuss, Neuer lenkt ihn übers Tor, der Schiedsrichter pfeift ab. Nun muss die Freude raus: Neuer sprintet zum Cornerfähnli, reisst es aus dem Boden, schmeisst sich in den Rasen und feiert mit dem guten Stück.
Ein Jubel, der so seltsam wie vertraut ist. Schliesslich hat ihn niemand anders als Oliver Kahn erfunden. Der «Titan» jubelt auf diese Art, als Bayern München 2001 den Schalkern in letzter Sekunde den Meistertitel entrissen hat.
«Ich habe mich so wahnsinnig über unseren Sieg gefreut», sagt Neuer nach dem Spiel, «und in diesem Augenblick kam mir die Szene von damals wieder hoch.» Neuer erzählt, wie er damals als 15-Jähriger im Schalker Parkstadion stand und mitgelitten habe. «Da habe ich ganz schlimme Minuten erlebt. Vielleicht war das ja jetzt eine kleine Genugtuung für viele unserer Fans.»
Das ist es in der Tat – und gleichzeitig sehen es die Anhänger von Bayern München als Provokation an. Denn als zwei Jahre nach dem Eckfahnen-Jubel ein Transfer Neuers nach München im Raum steht, protestieren sie wild. «Ausgerechnet der?!», fragen sich die Fans. Und als Schalke im Halbfinal des DFB-Pokals nach München muss, halten sie tausende Zettel in die Luft, auf denen sie fordern: «Koan Neuer!»
Neuer und die Bayern-Bosse hält dieser Widerstand nicht davon ab, den Transfer wenige Monate später zu besiegeln. Auch Vorgänger Kahn ist skeptisch, kritisiert in der Bild die Ablösesumme, welche rund 30 Millionen Euro beträgt: «Man verpflichtet einen sehr guten Torwart, der unter Umständen eine Ära prägen kann», so Kahn. «Die Frage ist, was man sich das kosten lässt. Man sollte vorsichtig sein und nicht irgendwelche Mondsummen bezahlen. So eine Summe für einen Spieler, der nächstes Jahr ablösefrei wäre, ist exorbitant hoch.»
Kaum in München, muss Neuer erneut zu seinem Jubel Stellung nehmen. «Es war keine Aktion, die gegen Kahn oder Bayern München gerichtet war», diktiert er in die Notizblöcke der Reporter. «Hamit Altintop schiesst, ich halte den Ball, der Schiri pfeift ab. Da hatte ich einen Blackout und bin zur Eckfahne gerannt.» Er habe sich dies nicht vorgenommen, «das war spontan und ich konnte das nicht richtig steuern. Damals war ich aber auch noch jung.»
Einige Jahre später wird Manuel Neuer längst vom hintersten und letzten Bayern-Fan gefeiert. Der Weltmeister wird mit den Münchnern mehrfach Meister, Pokalsieger und holt zweimal die Champions League. Und mehr noch: Mit seinen überragenden Leistungen und der modernen Interpretation seiner Rolle hebt er das Torwartspiel auf eine neue Ebene.
Das Fazit: Einst kopierte Manuel Neuer den grossen Oliver Kahn. Dann ging er zu den Bayern und wurde selber zum lebenden Denkmal.
Aber egal, schlussendlich haben sie alle Neuer zugejubelt.