Fünf der sechs Wild-Card-Duelle gingen am Wochenende über die Bühne. Für die einzige grössere Überraschung sorgten die San Francisco 49ers, die sich bei den Dallas Cowboys mit 23:17 durchgesetzt haben.
So wird in den Divisional Playoffs am nächsten Wochenende gespielt: Drei der vier Duelle sind bereits fix, nur die Tampa Bay Buccaneers warten noch auf ihren Gegner. Im letzten Wild-Card-Game treffen in der kommenden Nacht die Arizona Cardinals auf die Los Angeles Rams.
Die Dallas Cowboys mussten sich gegen die San Francisco 49ers nach einer unfassbaren Schlussphase mit 17:23 geschlagen geben. Am Ende fehlte «America's Team» genau eine Sekunde, um zumindest noch einmal die Chance einer Hail Mary zu bekommen. Nach einem eigenen Rush wollte Quarterback Dak Prescott den Ball auf den Boden werfen, um die Uhr anzuhalten.
Dies gelang ihm allerdings nicht mehr – auch weil die Schiedsrichter etwas dagegen hatten. Ein Unparteiischer verhinderte den Last-Second-Snap, indem er den Ball noch einige Zentimeter weiter nach hinten legte. Gemäss NFL-Regeln muss ein Ref den Ball vor dem nächsten Play berühren. Doch genau in diesem Moment lief die Zeit ab und für die Cowboys ging die Saison jäh zu Ende.
Schon vorher schlugen sich die Cowboys selbst: Prescott und seine Kollegen kamen mit der Favoritenrolle überhaupt nicht zurecht und leisteten ungewöhnlich viele Fehler. Insgesamt handelten sich die Cowboys 14 Strafen ein, die sie 89 Yards kosteten und in entscheidenden Momenten immer wieder zurückwarfen. Das Publikum quittierte das Geschehen auf dem Feld zwischendurch lautstark mit Pfiffen.
Bryan Anger's punt hit the jumbotron 😱
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Doch zu Beginn des Schlussviertels waren die Fans plötzlich wieder da: Die Cowboys griffen beim Stand von 7:23 tief in die Trickkiste, um nochmals ins Spiel zu kommen. Durch einen Fake-Punt erzielten die Texaner zunächst ein neues First Down und verkürzten den Rückstand in der Folge durch ein Field Goal.
Eine Interception von 49ers-Quarterback Jimmy Garoppolo, der ebenfalls keinen Sahnetag erwischte, und ein Rushing Touchdown von Prescott sorgten schliesslich für die dramatische Schlussphase, die für die Cowboys aber ohne Happy End blieb. Seit 1995 wartet man noch immer auf den sechsten Super-Bowl-Triumph.
Ein Jahr länger dauert die Wartezeit der 49ers. Sie dürfen weiter hoffen, in den Divisional Playoffs wartet mit den Green Bay Packers allerdings die Nummer 1 aus der Regular Season.
In den beiden weiteren Sonntags-Spielen gaben sich die Favoriten keine Blösse und unterstrichen ihre Ambitionen auf den Super Bowl: Zunächst kamen Tom Brady und seine Tampa Bay Buccaneers zu einem lockeren 31:15-Sieg gegen die Philadelphia Eagles.
Der 44-jährige Brady präsentierte sich bei seinem 35. Playoff-Sieg (!) bereits in absoluter Titelform: Der siebenfache Super-Bowl-Champion brachte 29 seiner 37 Pässe an, warf für 271 Yards sowie zwei Touchdowns und verschuldete gleichzeitig keinen Turnover. Dass den «Bucs» mit Cyril Grayson, Chris Goodwin und Antonio Brown drei Anspielstationen für Brady fehlten, schien den Altmeister nicht zu stören.
Auch dass mit Leonard Fournette und Ronald Jones die zwei besten Running Backs nicht mittun konnten, liess Brady bei seiner Galavorstellung kalt. Stattdessen suchte der «GOAT» immer mal wieder seinen alten Kumpel Rob Gronkowski, der Mitte dritten Viertels schliesslich für den dritten «Bucs»-Touchdown zuständig war. Für den 32-jährigen Tight End war es bereits der 15. Playoff-Touchdown. Damit liegt er weiterhin auf Rang 2 der ewigen Bestenliste, zu Rekordhalter Jerry Rice fehlen aber noch ganze sieben Touchdowns.
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Noch stärker als Brady spielte Patrick Mahomes auf. Der Quarterback der Kansas City Chiefs warf beim 42:21-Sieg gegen die Pittsburgh Steelers für insgesamt 404 Yards und zum zweiten Mal in seiner Playoff-Karriere fünf Touchdown-Pässe. Damit ist der Super-Bowl-Champion von 2020 nach Kurt Warner und Daryle Lamonica erst der dritte Quarterback, der mindestens zweimal fünf Touchdown-Pässe in einem Postseason-Spiel geworfen hat.
Der Start misslang Mahomes noch komplett. Nach einer unglücklichen Interception fand er jedoch schnell ins Spiel und begann, mit seiner Offense den Gegner zu überrollen. Er blieb geduldig und konzentriert und sorgte mit drei Rushes auch auf den Füssen für Raumgewinn. Letztlich war es vor allem ihm zu verdanken, dass der Chiefs-Sieg so deutlich ausfiel.
Doch einer überstrahlte am ersten Playoff-Weekend gar Brady und Mahomes: Josh Allen lieferte beim 47:17-Erfolg seiner Buffalo Bills gegen die New England Patriots trotz Eiseskälte eine Leistung für die Geschichtsbücher ab. Mit 306 Passing Yards und fünf geworfenen Touchdowns zerlegte der 25-Jährige die Patriots-Defense durch die Luft nach Belieben. Mit gerade einmal vier Incomplete Passes brachte er weniger Bälle nicht an den Mann, als seine Mitspieler in der Endzone für einen Touchdown zu finden. Sein Passer-Rating war mit 157,6 dann auch das fünfthöchste der Playoff-Geschichte.
JOSH ALLEN MAGIC 🪄
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Doch damit nicht genug: Allen lief auch immer wieder selbst und sorgte mit kurzen Rushes gleich mehrfach für ein neues First Down. Am Ende stand er bei für einen Spielmacher herausragenden 66 Rushing Yards. Dank ihres Quarterbacks kamen die Bills in ihren ersten sieben Drives zu sieben Touchdowns – das war zuvor noch keinem NFL-Team gelungen.
Mit seiner rekordverdächtigen Gala hat Allen, der zuletzt den Ruf hatte, mit Druck nicht umgehen zu können, ein Signal an die ganze Liga geschickt – ganz besonders aber an die Chiefs. In den Divisional Playoffs kommt es zum grossen Wiedersehen, nachdem die Bills im letzten Jahr im Championship Game an Mahomes und Co. gescheitert waren. Doch dieses Mal soll es dank ihres furiosen Quarterbacks endlich reichen für die erste Super-Bowl-Teilnahme seit 29 Jahren.
Zu Beginn der 1990er-Jahre waren die Bills Stammgast im Super Bowl. Von 1990 bis 1993 standen sie gleich viermal in Serie im grossen Endspiel um die Meisterschaft, gewinnen konnten die Bills allerdings nie. Dieses Trauma soll Allen nun ein für allemal tilgen.
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Zum Auftakt der Playoffs gab es am frühen Samstagabend gleich den grossen Aufreger. Die Cincinnati Bengals setzten sich gegen die Las Vegas Raiders dank einer äusserst umstrittenen Schiedsrichter-Entscheidung mit 26:19 durch.
Weniger als zwei Minuten vor der Halbzeit bewegte sich Bengals-Quarterback Joe Burrow beim Stand von 13:6 in Richtung der rechten Seitenlinie. Nur Zentimeter vor dem Seitenaus warf der Spielmacher den Ball über zehn Yards zu seinem Wide Receiver Tyler Boyd in die Endzone – Touchdown.
Aber halt! Nach der Ballabgabe durch Burrow war deutlich ein Pfiff eines Schiedsrichters zu hören und in den NFL-Regeln heisst es ganz klar, dass das Spiel bei einem Pfiff sofort unterbrochen werden muss, selbst wenn der Pfiff fehlerhaft ist. Doch die Unparteiischen schienen diese Regel nicht zu kennen und gaben den Touchdown.
JOE BURR-WOW. #RuleTheJungle#SuperWildCard @JoeyB
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Anzeigen wollte der pfeifende Referee übrigens, dass Burrow im Moment seines Wurfs bereits im Seitenaus stand, was allerdings nicht der Fall war. Klar ersichtlich war aber auch, dass diverse Raiders-Spieler aufgrund des Pfiffs stehen blieben und nicht mehr versuchten, Boyd am Catch, der schliesslich eine 20:6-Führung für die Bengals zur Folge hatte, zu hindern.
Für die Raiders bleibt nach knapp verpasster Aufholjagd ein äusserst bitterer Nachgeschmack – dass die Unparteiischen in dieser Saison wohl kein Spiel mehr pfeifen dürfen, bleibt ein schwacher Trost. Den Bengals hingegen konnte das ganze Touchdown-Theater egal sein: Sie feierten den ersten Playoff-Sieg seit 31 Jahren. Zuletzt hatten sie im Januar 1991 gegen die nicht mehr existenten Houston Oilers ein Playoff-Spiel gewonnen und anschliessend alle acht Postseason-Duelle verloren.
Party like it's 1991, @Bengals fans! 🎉 #SuperWildCard | #RuleTheJungle pic.twitter.com/r61afGDu1Z
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Lange wirkten die New England Patriots in dieser Saison, als hätten sie sich vom Abgang von Tom Brady erholt. Rookie-Quarterback Mac Jones hatte eine starke erste Saison gespielt und sein Team souverän in die Playoffs geführt. Dort zeigte sich, dass er noch nicht in die grossen Fussstapfen von Tom Brady treten kann.
Schon in den letzten Spielen der Regular Season zeigte sich, warum Jones im letztjährigen NFL-Draft nur als sechstbester Quarterback galt. Vor allem unter Druck wirkte der 23-Jährige zu unbeweglich und zu wenig athletisch. Immer wieder verursachte er deshalb unnötige Ballverluste. Auch im Playoff-Duell gegen die Buffalo Bills leistete sich Jones zwei Interceptions. Und auch sonst zog er einen rabenschwarzen Tag ein.
Die Aufgabe für den 1,93-Meter-Mann, der in der Regular Season teils gross aufgespielt und Erinnerungen an die frühen Brady-Jahre geweckt hatte, war aber auch gross, schliesslich liegt der letzte Playoff-Sieg eines Rookie-Quarterbacks schon neun Jahre zurück.
Auch wenn Jones' Leistungskurve nach einem starken mittleren Saisondrittel zuletzt steil nach unten zeigte, dürfen die Patriots-Fans zuversichtlich in die Zukunft blicken. Headcoach Bill Belichick ist nämlich weiterhin recht angetan von seinem Schützling. «Ich glaube, er war einer unserer konstantesten Spieler», so die Trainer-Legende. Und wenn Belichick etwas mag, dann ist es Konstanz.
Wie Jones galt auch Brady zu Beginn seiner Karriere als zu wenig agil und behäbig. Dennoch hatte ihn Belichick in der Folge zum erfolgreichsten Quarterback der Geschichte gemacht. Eine ähnliche Transformation will er in den kommenden Jahren nun auch mit Jones schaffen.