Seit Wochen verfolgt die Weltgemeinschaft mit wachsender Besorgnis die Ereignisse im Ostkongo, nachdem die Rebellengruppe M23 die Stadt Goma eingenommen hat. Mehr als 3000 Personen wurden dabei getötet. Hinter der Eskalation wird das Nachbarland Ruanda vermutet. In der Gegend gibt es einige der begehrtesten Rohstoffe der Welt: Gold, Zinn, Kupfer, Coltan.
30 Jahre nach dem Genozid mit bis zu einer Million Toten innerhalb von drei Monaten bleibt die Region ein Pulverfass. Hunderttausende flüchteten nach Kongo-Kinshasa, unter ihnen Täter, die den Konflikt mitbrachten. Am Ende bekämpften sich Soldaten aus neun afrikanischen Ländern. Es ist ein Szenario, von dem viele fürchten, es könnte sich nun wiederholen.
Sehr aufmerksam verfolgt man die Situation in der Region auch in der Schweiz, genauer in Aigle. Hier hat der internationale Radsportverband UCI seinen Hauptsitz. Denn Ruanda soll vom 21. bis 28. September dieses JAhres als erstes afrikanisches Land eine Weltmeisterschaft austragen. Tadej Pogacar und Co. zum Beispiel sollen auf einem Parcours von 267,5 Kilometern in und rund um die Hauptstadt Kigali 5475 Höhenmeter bewältigen.
Dabei gibt es nicht nur angesichts des Krieges im Ostkongo Fragezeichen. Ruanda gilt als politisch und wirtschaftlich instabil. Die britische Zeitung «The Economist» führt das Land in seinem Demokratieindex im 117. Rang. Wie viele autoritäre Regime sollen Investitionen im Sport das Land in ein globales Schaufenster hieven. Paris Saint-Germain, Bayern München und Arsenal werben mit dem Slogan «Visit Rwanda». Präsident Paul Kagame will dereinst Olympische Spiele oder eine Fussball-WM ins Land holen.
Die Strassenrad-Weltmeisterschaft in Kigali soll den Auftakt machen. Doch die Vorbehalte werden grösser und die Stimmen lauter, die die UCI dazu auffordern, die Vergabe zu überdenken. «Wir haben grosse Zweifel. Und wir sind nicht die Einzigen», zitieren belgische Medien Anfang Februar die Generalsekretärin des nationalen Verbandes, Nathalie Clauwaert. Neben der Sicherheit betreffe das etwa auch die Logistik und die Unterkünfte.
In einem Dilemma steckt auch David Lappartient. Er präsidiert derzeit den Radweltverband UCI und musste viel Kritik einstecken für seinen Umgang mit dem Tod von Muriel Furrer bei der letzten Strassenrad-WM in Zürich. Mitte März stellt sich der Franzose zur Wahl für die Nachfolge von Thomas Bach als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees.
Gemäss belgischen Medien arbeite die UCI bereits an einem Notfallplan. Demnach sei das Wallis eine Alternative. 2020 hätte die WM in Aigle und Martigny stattfinden sollen, wurde aber rund sechs Wochen vorher wegen der Bestimmungen des Bundesrats zur Bekämpfung der Coronapandemie abgesagt und fand in Imola statt. Heisst: Die Vorbereitungen waren weit fortgeschritten. So weit, dass man notfalls für Kigali einspringen könnte?
Was folgerichtig erscheint, dürfte sich als illusorisch herausstellen. Gleich mehrere Gründe sprechen dagegen. Erstens, die schwierige Vorgeschichte: Das Bundesamt für Sport hat damals, im Rahmen seiner finanziellen Unterstützung für sportliche Grossanlässe in der Schweiz, 4,5 Millionen zugunsten der Rad-WM bezahlt. Umgekehrt haben die Organisatoren der WM dem Internationalen Radsport-Verband UCI eine Gebühr von 5,8 Millionen Franken überwiesen für das Recht, den Anlass durchzuführen.
Für begleitende Fördermassnahmen durfte Swiss Cycling 500'000 Franken für sich beanspruchen, die restlichen 4 Millionen wurden bis Februar 2020 mittels eigener Vereinbarung ans OK der WM weitergeleitet. Zusätzlich zu den Bundesgeldern floss auch staatliche Unterstützung durch die beiden Austragungskantone Waadt und Wallis. Dieses Engagement teilt sich auf in einen Barbetrag sowie diverse Sachleistungen und muss gemäss Bundesvorgaben mindestens doppelt so hoch sein wie der eigene Beitrag. Die Rückzahlung durch die UCI erfolgte nur schleppend.
Zweitens findet von Ende August bis Mitte September, also kurz vor der Strassen-WM, bereits ein Radsport-Grossanlass im Wallis statt, wenn die Mountainbiker in Crans-Montana um Medaillen fahren. Das Baspo unterstützt den Anlass mit 1,5 Millionen Franken. Dazu sind die Budgets vieler dem Radsport nahe stehender Unternehmen bereits reserviert.
Dass die Fährte für einen Notfallplan in die Schweiz führt, scheint also wenig wahrscheinlich. Sowohl Swiss Cycling als auch die Stadt Martigny geben an, von der UCI nicht kontaktiert worden zu sein. Dennoch sah sich der Weltverband genötigt, die Gerüchte um eine Verlegung der WM zu dementieren. Man verfolge die Situation vor Ort. Eine Verlegung in die Schweiz oder anderswo hin sei «zu diesem Zeitpunkt» nicht geplant.
Unbeantwortet bleibt damit eine andere Frage: Wie die UCI verhindern will, dass eine Weltmeisterschaft in einem Land stattfindet, das Krieg führt. (aargauerzeitung.ch)
Aber mit Ruandas Verwicklung in den Krieg in Ostkongo muss die WM verlegt werden. Kagame darf nicht auch noch belohnt werden, so menschenverachtend im Nachbarland vorzugehen!