Die 5. Etappe der Tour de France endete am Donnerstag mit einer Überraschung. Die Gesamtleaderin Demi Vollering verlor das Maillot Jaune nach einem Sturz kurz vor dem Ziel, neu liegt die niederländische Vorjahressiegerin 1:19 Minute hinter der Polin Kasia Niewiadoma zurück.
Für die kommenden Etappen der Tour, die am Sonntag auf der Alpe d'Huez entschieden wird, verspricht dies Spannung. Und für die ist auch jene Fahrerin besorgt, die derzeit Rang 76 der Gesamtwertung belegt: Yanina Kuskova.
Die Usbekin ist die einzige ihrer Equipe, die noch im Rennen dabei ist. Die sechs Kolleginnen, die mit ihr zur Tour de France antraten, mussten alle aufgeben. Für vier von ihnen war schon die erste Etappe, komplett flach und mit 123 Kilometern eher kurz, zu viel. Die Usbekinnen vom Tashkent City Women Professional Cycling Team waren überfordert.
Für viele Beobachter kam dies alles andere als überraschend. Die Equipe hatte sich die Teilnahme an der Tour mittels einer Wildcard verdient, die es für die zwei besten Rennställe der zweithöchsten Kategorie gab.
Das Tashkent-Team war Nutzniesser des Reglements des Weltverbands UCI. Es konnte sich viele Punkte in Rennen ohne grosse Konkurrenz ergattern. Kuskova etwa wurde jüngst Landesmeisterin in einem Rennen gegen elf Teamkolleginnen und eine einzige Frau, die nicht dem Tashkent-Team angehört.
Die Regeln seien so, wie sie sind, sagte Volodymyr Starchyk, einer der sportlichen Leiter, gegenüber radsport-news.com. «Es gab Leute, die gesagt haben: Ihr solltet gar nicht hier sein. Aber ich denke, es ist auch ein Erfolg für die Tour de France, ein Team hier zu haben, das von ausserhalb des europäischen Radsports kommt und komplett aus einer Nation besteht. Das zeigt, dass der Radsport offen für die ganze Welt ist.»
Dass es für das Tashkent-Team hart werden würde beim wichtigsten Rennen des Jahres, sei allen bewusst gewesen, bekannte der sportliche Leiter. «Die Fahrerinnen sind teils 18 oder 19 Jahre alt und bestreiten direkt ihre erste Tour de France. Das ist zu viel, denke ich. Wir hatten gehofft, dass sie es schaffen. Aber wir sind das nicht mit verschlossenen Augen angegangen», betonte Starchyk.
Für den Ukrainer ist die Tour-Teilnahme des Teams aus Usbekistan dennoch wertvoll. Denn sie trage dazu bei, Frauen in diesem muslimischen Land in Zentralasien neue Möglichkeiten aufzuzeigen.
In den 90er-Jahren hatte Usbekistan mit dem legendären Dschamolidin Abduschaparow einen der besten Sprinter der Welt, er war noch ein «Produkt» der sowjetischen Ausbildung. Seit «Abdu» war das Land auf höchster Radsport-Ebene nicht mehr präsent.
Die meisten der Fahrerinnen, die aufgegeben haben, rollen trotzdem über die Strecken: Als Training und bevor die Etappen starten. Nur Yanina Kuskova hält die Farben ihres Teams noch hoch. Als Einzelkämpferin kein leichtes Unterfangen: Wo andere Wasserträgerinnen haben, ist die 22-Jährige auf sich alleine gestellt.
«Ich versuche, den starken Fahrerinnen im Feld zu folgen und mich gut zu positionieren, aber das ist nicht einfach», sagte Kuskova gegenüber «Cycling Weekly». Dass alle Kolleginnen aufgeben mussten, sei frustrierend. Aber kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. «Ich bin zuversichtlich, dass ich die Tour de France beenden kann», sagte die Fahrerin, die sich auf einer Mission befindet. «Ich möchte allen zeigen, dass Fahrerinnen aus dem usbekischen Team dieses harte Rennen beenden können, und der Welt zeigen, dass man auch in Usbekistan Rad fährt.»
Nach dem Auftakt der Tour de France in den Niederlanden geht es nun in Richtung Alpen. Die Etappe heute endet in Morteau, wenige Kilometer von der Grenze zum Neuenburger Jura entfernt. Noemi Rüegg, Fünfte der Etappe nach Lüttich am Mittwoch, ist die einzige verbliebene Schweizerin. Elise Chabbey musste die Rundfahrt nach einem Sturz auf den Kopf verlassen.