Bei Ramon Zenhäusern will es im Moment einfach nicht laufen. In Wengen, wo er erneut ausserhalb der ersten 30 startet, weiss er bereits kurz nach der Zieleinfahrt, dass er mit über drei Sekunden Rückstand keine Chance auf die Teilnahme am zweiten Lauf hat.
Später ist es Tatsache. Der Walliser belegt unter den 52 Fahrern, die das Ziel erreichen, den bitteren 43. Rang. Wie in Val d'Isère, Alta Badia, Madonna di Campiglio und Adelboden bleibt der Walliser ohne Punkte.
Der Slalomspezialist, der die Saison vor zwei Jahren noch als Dritter der Disziplin abgeschlossen hat, geht hart mit sich ins Gericht:
Das Problem: So richtig erklären kann sich Zenhäusern seinen fehlenden Biss nicht. Er gibt zu, dass ihm die aktuelle Situation sehr zu schaffen macht. «Im Training sehe ich, dass die Fähigkeiten da sind, dass ich das Skifahren nicht verlernt habe», sagt Zenhäusern. «Aber im Moment fehlt einfach das Selbstvertrauen.»
So wie andere einen Lauf haben, ohne genau zu wissen, wie und warum, ist es auch bei Zenhäusern – nur eben umgekehrt.
Nur eineinhalb Wochen zuvor, vor dem Slalom in Adelboden, hatte das noch anders geklungen. «Die Situation ist nicht befriedigend, aber sie belastet mich weniger als früher», sagte Zenhäusern damals. Dabei erinnerte er sich an frühere Tiefs und daran, wie er einst beschlossen habe, seine Lebensfreude nicht von Ranglisten und Hundertstelsekunden abhängig zu machen. Schliesslich, so Zenhäusern, sei er gesund, habe eine gute Familie und könne sein Hobby immer noch als Beruf ausüben.
Das Ausscheiden am Chuenisbärgli, wo Zenhäusern zuvor sieben Mal in Folge in die ersten 15 gefahren war, nagte dann aber gleichwohl sehr an ihm, was sich auf Wengen übertrug. Auch im zweiten Rennen vor heimischem Publikum, zu dem auch seine Eltern gehörten, gelang ihm nicht der erhoffte Befreiungsschlag.
Eine Pause im Weltcup respektive ein Start im Europacup schliesst Zenhäusern aus. Für die FIS-Punkte hätte ein Erfolg auf zweithöchster Stufe kaum Auswirkungen, eine weitere Enttäuschung dagegen würde umso mehr schmerzen.
Die Frage drängt sich daher auf, wie lange sich Zenhäusern das noch antun möchte. Denn er kann auf eine schöne Karriere blicken. Im Slalom gewann er 2018 in Pyeongchang Olympia-Silber, im Weltcup holte er sechs Siege, zwei davon in Parallel-Rennen. Dazu kommen Olympia- und WM-Gold mit der Mannschaft. Eine Ausbeute, die sich sehen lassen kann.
Doch als er im Gespräch merkte, dass die Reporter über ein mögliches Karriereende spekulierten, hielt Zenhäusern klar dagegen:
Auf seine verbleibende Zeit im Weltcup angesprochen, wurde der Zweimetermann dennoch nachdenklich. «Früher habe ich gedacht, dass ich bis 38 oder 40 fahre. Einfach, weil es mir so viel Spass macht. Im Moment ist das Gefühl natürlich weniger toll.» Wie es mit seiner Karriere weitergehe, hänge in erster Linie von seiner Gesundheit ab. Sein Körper hat bisher mitgemacht, nun muss Zenhäusern eine Lösung für den Geist finden.
Eine schwierige Situation, das weiss auch Slalom-Cheftrainer Matteo Joris, der sich und sein Team in der Verantwortung sieht. «Unsere Aufgabe ist es, gemeinsam einen Schlüssel zu finden, der Ramon zurück an die Spitze bringt.» Aber wie? «Mit Arbeit, Arbeit und Arbeit.» Eine Antwort, die zwar vage ist, aber letztlich der bitteren Wahrheit entspricht. Gäbe es eine einfache Lösung, Zenhäusern hätte sie längst umgesetzt.
Die Chancen auf eine WM-Teilnahme stehen schlecht, mit Loic Meillard, Daniel Yule und Tanguy Nef dürften drei der vier Schweizer Starter feststehen. Auch Luca Aerni und Marc Rochat haben in diesem Winter bessere Resultate als Zenhäusern.
Vor der WM in Saalbach stehen noch die Slaloms in Kitzbühel und Schladming im Programm. In Österreich holte Ramon Zenhäusern seinen bisher letzten Weltcup-Punkt in dieser Saison, mit Platz 30 Ende November in Gurgl – vielleicht ein gutes Omen für die kommenden Rennen.