Zuwanderung beflügelt den Schweizer Fussball, so die gängige Meinung. Beim letzten Pflichtspiel gegen England standen in der Startaufstellung 6 von 11 Spielern (Rodríguez, Inler, Behrami, Xhaka, Shaqiri, Drmić) mit Migrationshintergrund.
Doch wie gross ist die Korrelation zwischen dem Ausländeranteil in der Bevölkerung und den Erfolgen der Fussball-Nationalmannschaft wirklich? 100 Jahre Zuwanderung und Länderspielbilanz übereinander gelegt, ergeben folgendes Bild:
Blau: Siegesquote in Prozent der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft: 100 x [Anzahl Siege + Anzahl Unentschieden/2] ÷ Anzahl Spiele in jeweiligem Jahr (Pflicht- und Freundschaftsspiele). Grün: Anteil der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung in Prozent. grafik: watson; daten: bundesamt für statistik, wikipedia
Ins Auge sticht der stetige Anstieg des Ausländeranteils seit den 1980er-Jahren, der mit zunehmenden Erfolgen der Nati zusammenfällt. Gleichzeitig fällt in der Blütephase der Nati in den 1920er, 1930er und 1940er Jahren auf, dass der Ausländeranteil damals stetig sank.
In jene Zeit fallen einige der grössten Siege in der Geschichte der Fussball-Nati, darunter ein 4:2 gegen Turnierfavorit Deutschland im Achtelfinal der WM 1938 in Frankreich.
bild: pd
Es geht (oder ging damals zumindest) auch ohne viel Zuwanderung? Nicht unbedingt, wie Sporthistoriker Christian Koller auf Anfrage von watson erläutert:
«Man muss berücksichtigen, dass die Spieler mit ausländischen Wurzeln aufgrund der restriktiven Einbürgerungspolitik jeweils erst mit einer gewissen Verzögerung in die Nati vorstossen. In den 1920er bis 1940er Jahren gab es verschiedene solche Spieler, die zu Stützen der Nati wurden, deren Eltern aber bereits ein bis zwei Jahrzehnte zuvor eingewandert waren, darunter Severino Minelli und Sirio Vernati mit italienischen und Hans-Peter Friedländer mit deutsch-jüdischen Wurzeln. Hier wirkte also teilweise die hohe Einwanderung vor dem Ersten Weltkrieg nach.»
Derselbe Verzögerungseffekt lässt sich laut Koller in der Gegenwart beobachten: «Auch bei den in den letzten zwei Jahrzehnten in der Nati erfolgreichen ‹Secondos› lag die Einwanderung der Eltern häufig bereits in den 1960er bis 1980er Jahren. Grundsätzlich hänge der Erfolg einer Fussballnationalmannschaft immer von mehreren Faktoren ab. «Der Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Erfolg scheint für die Schweiz aber klar zu sein», so Koller.
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Die beliebtesten Kommentare
Jol Bear
27.09.2015 19:19registriert Februar 2014
Der aktuelle Erfolg mit Spielern mit ausländischen Wurzeln ist wesentlich auf die gute Juniorenausbildung in der Schweiz zurückzuführen. Das wird z.B. auch durch die zunehmende Erfolge der albanischen Nationalmannschaft bestätigt. Dort spielen nicht selten vier bis fünf Spieler in der Stammformation, die in der Schweiz aufgewachsen und ausgebildet wurde. Zu Zeiten und unmittelbar nach Ende des "eisernen" Ostblockvorhangs war Albanien völlig abgeschottet und das Fussball-Team "Kanonenfutter". Wie man nun an den Erfolgen der beiden Nationalteams sieht, schlummert dort ein riesiges Potenzial.
das beweist höchstens, dass mit statistik wirklich jeder blödsinn belegt werden kann. wenn schon, dann hätte man mindestens die anzahl spieler mit migrationshintergrund in der nati noch visualisieren müssen. der ausländeranteil der bevölkerung sagt darüber ja überhaupt nichts aus.
Mit Statistiken kann man schon jeden Bullshit belegen ... Ich denke, es liegt wohl eher an der besseren Jugendförderung und -ausbildung.
Wie erklärt sich dann der Erfolg der Eishockey-Nati in den letzten zwei Jahrzehnten? Da ist der Anteil Spieler mit Migrationshintergrund deutlich tiefer ...
Ciriaco Sforza sieht im TV, wie er ohne sein Wissen transferiert wird
10. Dezember 1995: Ciriaco Sforza ist zu Besuch bei Freund Hansi Müller. Im Fernsehen sieht der Schweizer Nationalspieler zu seiner Überraschung sein Gesicht und erfährt von seinem Transfer zu Inter Mailand. Sforza ist von den News und den Reaktionen seiner Mitspieler mehr als überrascht – er ahnt nicht, dass ihm gerade ein übler Streich gespielt wird.
Mit schöner Gemütlichkeit beginnt der Fernsehbeitrag vom 10. Dezember 1995. Der Schweizer Ciriaco Sforza macht es sich auf dem Sofa seines Freundes, des ehemaligen deutschen Nationalspielers Hansi Müller, bequem.
Ich denke, es liegt wohl eher an der besseren Jugendförderung und -ausbildung.
Wie erklärt sich dann der Erfolg der Eishockey-Nati in den letzten zwei Jahrzehnten? Da ist der Anteil Spieler mit Migrationshintergrund deutlich tiefer ...