Deutsche Fussballer sind in den 1990er-Jahren gefragt. Viele Weltmeister von 1990 verdienen ihr Geld in der italienischen Serie A, der besten Liga der Welt. Auch der Knipser von Manchester City ist Deutscher. Doch sein Name ist ein Hinweis auf den Stellenwert des Klubs zur damaligen Zeit: Uwe Rösler. Im Grunde genommen ein Habenichts.
City Player of the Day:
— ManCityFocus (@ManCity_Focus) 7. Juni 2017
Uwe Rösler
1994-1998
152 apps 50 goals pic.twitter.com/szTEMpTr0K
Der Stürmer mit der Erfahrung von 5 Länderspielen für die DDR wechselt 1994 nach mässigen Jahren in der Bundesliga zu den «Citizens». Dort mausert sich der 25-jährige Rösler schnell zum Liebling der Fans. Denn dank seinen Toren schafft es Manchester City, in der Premier League zu bleiben.
Es ist ein ganz anderer Klub als heute, dessen erfolgreichste Zeit lange zurück liegt. 1968 gewinnt Manchester City seinen zweiten Meistertitel nach 1937, im Jahr darauf kommt der insgesamt vierte Triumph im FA Cup hinzu und in der folgenden Saison setzt City der Erfolgsphase mit dem Gewinn des Cupsieger-Cups gegen Gornik Zabrze die Krone auf. Doch Anfang der 1980er-Jahre setzt ein Niedergang ein und ManCity wird zum Liftklub.
Als Uwe Rösler im März 1994 geholt wird, ist der Klub in akuter Abstiegsnot. Die Rettung gelingt dann auch in der Saison darauf noch einmal, ehe es 1996 in die zweite Liga geht. Die Entscheidung im letzten Spiel gegen Liverpool ist kurios. Angeblich hört ein Fan im Radio, dass aufgrund anderer Zwischenstände ein Unentschieden reicht. Also weist Trainer Alan Ball beim Stand von 2:2 seine Spieler an, kein Risiko mehr zu suchen. Dummerweise stellt sich hinterher heraus, dass die Information des Zuschauers falsch war.
Nur zwei Jahre später folgt dann gar der Absturz in die Drittklassigkeit. Die «Himmelblauen» fallen so tief wie noch nie seit der Gründung des Klubs 1880.
Als am 3. Mai 1998 die letzte Runde der Division 2 ansteht, dürfen Spieler und Fans noch hoffen. City liegt auf dem zweitletzten Platz einen Punkt hinter dem Trio Port Vale, Portsmouth und Stoke City – und es kommt zum Direktduell mit Stoke. Wer siegt, kann die Klasse vielleicht noch halten, sofern die anderen Resultate stimmen.
Manchester City erfüllt die Aufgabe und gewinnt mit 5:2. Doch weil auch Port Vale und Portsmouth siegen, gibt's am Ende nichts als Tränen in Stoke: Sowohl die «Potters» wie auch Manchester City steigen ab.
Die Fans lassen ihr Team jedoch trotz Drittklassigkeit nicht hängen. Fast 29'000 Zuschauer strömen im Schnitt in die Maine Road. Und auch die Auswärtspartien hätten sich wie Heimspiele angefühlt, erinnert sich Stürmer Gareth Taylor im «The Guardian».
Doch der Start in die Saison verläuft holprig. Erst nach Weihnachten nimmt Manchester City fahrt auf. «Am Boxing Day siegten wir 1:0 bei Wrexham, danach schlugen wir Stoke und der Zug nahm Fahrt auf. Von da an waren wir schier unaufhaltsam», so Taylor. Hinter Fulham und Walsall reicht es dennoch bloss zu Rang 3. Wenn City mitaufsteigen will, muss es die Playoffs für sich entscheiden.
Nach einem 1:1 im Hinspiel schlägt Manchester City den ersten Gegner Wigan zuhause mit 1:0 und zieht in den Final ein. Im Wembley trifft es auf den FC Gillingham. Ein einziges Spiel, in dem es um Alles oder Nichts geht. Ohne jemanden beleidigen zu wollen: Gillingham, das ist in etwa der FC Wohlen oder der FC Bulle Englands. Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass Gillingham im Wembley spielen darf, dieser Kathedrale des Weltfussballs.
Mit den Toren ist es in diesem Spiel wie beim Ketchup in der Flasche: Lange kommt gar nichts, und dann alles auf einmal. Carl Assaba schiesst Gillingham in der 81. Minute in Führung, Robert Taylor erzielt in der 87. Minute das 2:0. Die ersten Anhänger der «Citizens» ziehen traurig von dannen. Sie verpassen eine unglaubliche Wende.
Vier Tage zuvor hatte der Stadtrivale Manchester United den Champions-League-Final gegen Bayern München mit zwei Toren in der Nachspielzeit noch gedreht und 2:1 gewonnen. Nun im Wembley bringt Kevin Horlock Manchester City in der 90. Minute heran und in der fünften Minute der Nachspielzeit gelingt Paul Dickov tatsächlich noch der Ausgleich. 2:2, Verlängerung! Kuriosität am Rande: Dickov war Trauzeuge von Gillinghams Goalie Vince Bartram und dieser stand Dickov bei dessen Hochzeit zur Seite.
Es ist eines dieser Tore, die die Geschichte eines Klubs prägen. Wo wäre Manchester City heute, wenn Paul Dickov damals nicht getroffen hätte? «Die Leute halten mich heute noch an, um über diesen Treffer zu sprechen», verrät er 2017, «und sie laden mich deswegen auf einen Drink ein.»
In der Verlängerung fallen keine Tore, das Penaltyschiessen muss über den Aufstieg entscheiden. Dickov ist einer der Schützen. «Ich war in meinem Leben noch nie so zuversichtlich», sagt er rückblickend. Aber der spätere schottische Nationalspieler schiesst an den rechten Pfosten, von welchem der Ball an den linken prallt und weg vom Tor.
«Ich war am Boden zerstört», erinnert sich der Stürmer. Weil alle seine Kollegen treffen und Torhüter Nicky Weaver zwei Versuche Gillinghams pariert, siegt Manchester City doch noch. Das Jahr in der Drittklassigkeit sollte eine Ausnahme bleiben.
Manchester City gelingt der Durchmarsch, spielt im Sommer 2000 wieder in der Premier League. Zwar geht's direkt wieder runter, aber auch umgehend wieder hoch. Seit 2002 ist der Klub nun ununterbrochen im Oberhaus. Und ein Ende ist – Stand heute – nicht in Sicht.
2003 zieht der Klub ins City of Manchester Stadium und er unterstreicht seine Ambitionen mit der Verpflichtung des französischen Stürmers Nicolas Anelka. Trotzdem reicht es nicht zu mehr als Platzierungen im Mittelfeld. Als 2007 der ehemalige thailändische Premierminister Thaksin Shinawatra den Klub erwirbt, kann er den Fans auch einen talentierten Schweizer präsentieren: den 20-jährigen Gelson Fernandes. Der Rackerer kann sich festbeissen und wird Stammspieler.
Das ändert sich mit dem nächsten Investitionsschub. Scheich Mansour bin Zayed al-Nahyan aus Abu Dhabi kauft Manchester City im September 2008 mit dem Ziel, eine Weltmarke aus ihm zu machen. Nun wird richtig geklotzt. 2012 ist erstmals Zeit, um die Ernte einzufahren. Lediglich 13 Jahre nach dem dramatischen Wiederaufstieg in die zweite Liga treffen Edin Dzeko und Sergio Agüero in der 92. und in der 94. Minute zum 3:2-Sieg gegen die Queens Park Rangers – Manchester City ist erstmals Meister der Premier League.
«Ich bin 47. Aber ich fühle mich, als ob ich heute 90 Jahre alt geworden bin», sagt Trainer Roberto Mancini hinterher. 2014, 2018, 2019 und 2021 holen die «Citizens» weitere Meistertitel. Nur mit dem ganz grossen Ziel, dem Triumph in der Champions League, wollte es bislang nicht klappen. Die Sorgen des Klubs haben sich bei Manchester City innert zwei Jahrzehnten maximal verändert.