Das Scheitern eines Trainers in Zeiten des SCB-Klimawandels
War denn Jussi Tapola nicht ein Trainer, der eine Entwicklung eingeleitet hatte, die zum nächsten Titel führen könnte? Ja, war er. Aber mit Ablaufdatum.
Solange die Spieler ihrem Trainer folgten – und das ist immer die Voraussetzung für den Erfolg –, so lange funktionierte die Mannschaft. Sie kletterte mit «Schablonen-Hockey» bis auf Rang 3 in der Qualifikation.
Aber Jussi Tapola, gewöhnt an absolute Autorität in einer finnischen Hockeyorganisation, die es ihm erlaubte, die Spieler, die ihm nicht passten, fast beliebig auszuwechseln, verscherzte sich diese Gefolgschaft durch eigenwillige Machtdemonstrationen. Er unterschätzte die Macht der Spieler, die in unserer National League noch grösser ist als in Skandinavien oder Nordamerika.
Den Keim zu seinem Scheitern legte er im Herbst 2024 vor dem ersten Spiel der letzten Saison. Als Machtdemonstration setzte er Dominik Kahun, den Topskorer der vorangegangenen Saison, beim ersten Spiel gegen Langnau auf die Tribüne. Das amüsante Theater um diesen hochbegabten Schillerfalter zersetzte die Autorität des Trainers Stück um Stück. Das Ende dieser Scharade war das schmähliche Scheitern im 7. Viertelfinalspiel gegen Gottéron. Die Spieler folgten ihrem Trainer nicht mehr bedingungslos.
Den letzten Rest seiner schwindenden Autorität hat Tapola mit der «Beleidigung» von Simon Moser verspielt. Er verbannte ihn diese Saison zwischendurch auf die Tribüne. Eine solche drastische Massnahme hatte in Tampere funktioniert. Jeder duckte sich. Weil jeder auswechselbar war. In der Schweiz, in Bern, ist das nicht so. Die Kadertiefe ist viel zu wenig gross. In struben Zeiten scharen sich Teams um ihre Leitwölfe. Und nicht um den Trainer.
Beim SCB um Simon Moser, dessen zentrale Rolle für die Chemie des Teams nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Auch seine politische Schlauheit rettete Jussi Tapola nicht mehr: Er gewährte den jungen Spielern viel Eiszeit. Weil er von ihren Fähigkeiten überzeugt war? Oder eher, weil er wusste, dass das seine Chefs gern sehen? Wir wollen nicht grübeln.
Und nun noch die Erklärung in drei Worten. Der Trainer ist in einem Sportunternehmen der mit Abstand wichtigste Arbeitnehmer. Also sind seine Anstellung und Entlassung immer Sache der obersten Führung: Des General Managers oder des Verwaltungsrates. Der Trainer ist viel zu wichtig, um diese Personalie der Sportabteilung zu überlassen. Also ist SCB-General Marc Lüthi der Mann, der zur Trainerentlassung etwas zu sagen haben muss. Solange Marc Lüthi Trainer abgesetzt und angestellt hat, war der SCB erfolgreich. Also müsste sich Marc Lüthi in dieser Ausnahmesituation zum «Fall Tapola» äussern. Er tut es, altersmilde geworden, nicht mehr. Seine Antwort: «Plüss anrufen – merci».
Das wäre in einer «normalen» Sportorganisation richtig so. Aber der SCB ist eben nicht ein gewöhnliches Sportunternehmen. Die Führung dieser Titanic bedingt eine etwas archaische Kommandostruktur und ist darin Bayern München nicht unähnlich. Der SCB ist ja in seinem Selbstverständnis ein wenig das Bayern München des Hockeys. Wenn Marc Lüthi die Verantwortung des Trainerentscheides auf Martin Plüss abschiebt, dann bleibt der Schwefelgeruch eines Führungsverhaltens zurück, für das die Amerikaner eine boshafte Bezeichnung gefunden haben «Cover your ass».
Marc Lüthi prägt durch seine Art und durch sein erfolgreiches Wirken, das schon im letzten Jahrhundert begonnen hat, die Kultur seines Unternehmens wie kein anderer Hockeymanager. Und er wird es tun, bis er ganz aussteigt. Ob er will oder nicht. Solange er beim SCB ein Amt ausübt, kann es beim SCB gar keine wichtige Entscheidung geben, auch nicht im Sport, bei der nicht er das letzte Wort hat oder bei der nicht in einer Art vorauseilendem Gehorsam so entschieden wird, wie vermutet wird, dass er entscheiden würde.
Wenn ein Marc Lüthi sich nicht mehr in der Trainerfrage exponieren mag, wenn er nicht mehr in die Katakomben hinabsteigt und einen Trainer nach einem Spiel feuert, mag das mehr einer modernen Unternehmensführung entsprechen als sein einstiges hemdsärmliges Vorgehen. Aber es entspricht eben nicht dem, was der SCB als Hockey-Titanic in der Beamtenstadt Bern braucht, um unruhig, dynamisch, arrogant und letztlich erfolgreich zu sein. Sage mir, ob Marc Lüthi altersmilde ist, und ich sage dir, wie es um den SCB steht.
Obersportchef Martin Plüss und sein Untersportchef Diego Piceci stehen vor der schwierigsten Aufgabe, die es in unserem Hockey gibt: Den Titanen SCB auf allen sportlichen Ebenen wieder fit zu machen, auf Trab zu bringen und für die Unruhe, Dynamik und Arroganz zu sorgen wie zu den Zeiten, als Marc Lüthi noch der wahre Marc Lüthi war. Das Bild passt: Es braucht zwei Mann, um so viel zu bewirken, wie ein Marc Lüthi.
Martin Plüss und Diego Piceci haben bis im nächsten Frühjahr Zeit, um sich klar zu werden, welche Hockeykultur zum SCB passt und welcher Trainer und welche Spieler dazu in der Lage sind, diese Kultur umzusetzen. Wenn sie sich irren oder vor unbequemen personellen Massnahmen zurückschrecken, dann droht dem SCB auf Jahre hinaus Mittelmass und ein Dasein als Lugano des Nordens. Der SCB ist am heikelsten Wendepunkt seiner neueren Geschichte angelangt. Der Versuch einer Emanzipation von Marc Lüthi hat begonnen.
Mit einer kurzzeitigen Reaktion auf dem Eis ist nun zu rechnen. Schon deshalb, weil alle in der Kabine soooo froh sind, dass Jussi Tapola endlich weg ist. Aber eine kurzzeitige Schönwetterphase ist noch lange kein Klimawandel.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
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Er ist
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Er kann
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