Der Absturz nimmt kein Ende – Tesla verliert in Europa acht Monate in Folge
Die Lage auf dem europäischen E-Auto-Markt in einem Satz erklärt: Teslas Dominanz ist vorbei, VW zieht an der Spitze davon und BYD aus China rollt das Feld von hinten auf.
Doch wie sieht es im Detail aus?
Wie läuft es für Tesla?
Tesla findet nicht aus dem Tief. Nach den ersten acht Monaten des Jahres resultiert für Teslas Neuzulassungen in der Europäischen Union ein dickes Minus von 43 Prozent. Statt 150'037 E-Autos im Vorjahr sind es noch 85'673 Fahrzeuge.
Gleichzeitig legten vollelektrische E-Autos aller Hersteller um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Von Januar bis August kamen in der EU über 1,1 Millionen neue Elektroautos auf die Strassen, europaweit über 1,5 Millionen.
Betrachtet man ganz Europa, also EU, EFTA und UK, liegt Teslas Absatz-Minus bei «nur» 33 Prozent, da sich der US-Autobauer in den Nicht-EU-Ländern Norwegen (+26 %) und Grossbritannien (-5 %) besser als in fast allen EU-Ländern hielt.
Tesla profitiert als einer von ganz wenigen Autoherstellern nicht von der steigenden Beliebtheit von Elektroautos in Europa. Nur Norwegen, Spanien und die winzigen Märkte Island und Litauen melden gegenüber dem Vorjahr steigende Tesla-Zahlen, überall sonst in Europa liegt Tesla hinter den bereits schwachen Vorjahreszahlen. Die Folge: Der Marktanteil fiel auf 1,5 Prozent, während er im Vorjahr bei 2,3 Prozent lag. Dass Tesla die angestammten Autohersteller aus dem Markt fegt, scheint gänzlich illusorisch.
Wie sieht’s bei uns aus?
Schweizer kauften im laufenden Jahr 43 Prozent weniger Teslas als im Vorjahr. Damit liegen wir exakt im Schnitt der EU-Staaten.
Im August wurden bei uns 276 neue Teslas eingelöst. Im August vor einem Jahr waren es 629. Teslas Auslieferungen sind hierzulande seit Anfang 2025 stark rückläufig, lediglich im Juni konnte der Hersteller die Vorjahreszahlen knapp übertreffen. Im September dürfte erneut ein Minus resultieren.
Während Tesla schrumpft, legte der gesamte Schweizer E-Auto-Markt im Jahresverlauf um 8 Prozent leicht zu. Damit liegt das Stromer-Wachstum bei uns weit hinter dem EU-Schnitt von rund 25 Prozent.
Gelingt die Trendwende?
Auch im August lieferte Tesla in Europa 23 Prozent weniger Autos aus als im August vor einem Jahr, in der Schweiz gar 56 Prozent weniger.
Die August-Zahlen sind für Tesla erneut ernüchternd, aber immerhin fällt der Rückgang in mehreren Ländern nicht mehr so ausgeprägt aus wie in den Monaten zuvor. Der September könnte europaweit gar der beste Monat im laufenden Jahr werden.
Kommt nun die Trendwende?
Dass Tesla in der zweiten Jahreshälfte etwas besser abschneiden wird, war zu erwarten. Die neue Version des im Frühling lancierten Model Y verhindert einen stärkeren Einbruch, brachte das Unternehmen in den meisten europäischen Ländern aber bislang nicht auf den Wachstumspfad zurück. Auch in China liegt Tesla rund sechs Prozent hinter den Vorjahreszahlen.
Auffallend gut läuft es für den Musk-Konzern derzeit in Spanien mit einem Wachstum von 161 Prozent gegenüber August 2024. Tesla reitet dort auf einer durch staatliche Subventionen befeuerten E-Auto-Welle. Die Nachfrage nach E-Autos hat sich in diesem Jahr fast verdoppelt. Davon profitieren viele Hersteller, am meisten BYD aus China und Tesla.
Trotzdem: Unter dem Strich resultiert für Tesla in Europa der achte Monat in Folge mit einem fetten Absatz-Minus.
Besser sieht es in den USA aus: Da die staatliche Förderung für Elektroautos Ende September endete, zogen viele den geplanten E-Auto-Kauf vor, wovon auch Tesla profitiert. Im September dürften die Tesla-Zahlen in den USA gut oder gar hervorragend ausfallen. Starke US-Zahlen könnten die Verluste in Europa und China kompensieren und Tesla zum ersten Mal in diesem Jahr ein Quartal mit Wachstum bescheren. Von einer Trendwende zu sprechen, wäre allerdings verfrüht. Mit dem Ende der E-Auto-Förderung dürfte der temporäre E-Auto-Boom in den USA abrupt enden und Tesla auf den Boden der Realität zurückholen.
Ausserdem müssen die auf den ersten Blick positiven US-Zahlen relativiert werden. Andere E-Auto-Hersteller sind in den letzten Monaten stärker gewachsen. Tesla verlor folglich auch im traditionell starken Heimmarkt massiv Marktanteile.
Welche Rivalen profitieren?
Während Tesla den Rückwärtsgang eingelegt hat, haben andere Autohersteller ihre Elektro-Offensive beschleunigt. Mit Abstand am meisten E-Autos in Europa kommen aus dem VW-Konzern. Die Deutschen steigerten ihre Auslieferung auf dem europäischen Elektroautomarkt in der ersten Jahreshälfte um 89 Prozent, weltweit um 47 Prozent. Auch BMW gewinnt Anteile und ist Tesla in Europa dicht auf den Fersen.
E-Auto-Neuzulassungen in Westeuropa
Von vielen noch weitgehend unbemerkt setzt Chinas grösster Autohersteller BYD zur Aufholjagd an. BYD war im August bereits unter den zehn meistverkauften E-Auto-Marken in Europa und lieferte mehr vollelektrische E-Autos als Kia, Ford oder Volvo aus. Dazu kommen vermehrt teilelektrische Plug-in-Hybride, welche die Chinesen nach Europa verschiffen, um die zusätzlichen Strafzölle der EU auf E-Autos zu umgehen. Mit dieser Strategie ist BYD derzeit der am schnellsten wachsende Autohersteller in Europa, während Tesla von allen grossen Herstellern am stärksten schrumpft.
Warum steckt Tesla in der Krise?
Teslas Probleme in Europa manifestieren sich in sinkenden Absatzzahlen und einem schrumpfenden Marktanteil. Dafür gibt es vielerlei Gründe:
- Stärkerer Wettbewerb: Europäische Hersteller wie VW, BMW oder Renault haben aufgeholt und bringen nun in hohem Tempo auf den europäischen Geschmack zugeschnittene E-Modelle auf den Markt. Dazu kommen neue Player wie BYD, die Tesla mit günstigeren Modellen bedrängen und rasant wachsen.
- Verlust des Technologievorsprungs und kleine Modellpalette: Andere Hersteller haben Tesla technisch eingeholt und teils überholt, etwa bei der Akku- und Ladetechnologie. Noch schwerer wiegt, dass Teslas Modellangebot weiterhin sehr klein ist (z. B. fehlender Kleinwagen) und viele Kundenbedürfnisse nicht abdecken kann.
- Fokus auf Robotaxi und humanoide Roboter: Während Rivalen laufend neue Modelle lancieren, konzentriert sich Tesla unter CEO Musk auf die Entwicklung von Robotaxis und humanoiden Robotern. Die Entwicklung neuer, günstiger Elektroautos wurde verschoben oder gestrichen. Zumindest kurzfristig wirkt sich dies negativ aus.
- Imageschaden durch Elon Musk: Musks Unterstützung für rechtsextreme Parteien wie die AfD, seine Hitlergruss-Provokation und sein Engagement als Trumps Kostensenker haben der Marke Tesla geschadet. Für zahlreiche Menschen kommt ein Tesla mit Musk als CEO nicht mehr infrage, egal wie gut oder günstig das Auto ist. Anders als früher finden sie problemlos Alternativen.
Auch Berichte über mangelhaften Kundenservice und Qualitätsprobleme bei Tesla könnten eine Rolle spielen. Tesla hingegen argumentierte Anfang Jahr, der Rückgang liege an der Produktionsumstellung auf die neue Version des Model Y. Dieser Effekt ist inzwischen vorbei, die Probleme sind geblieben. Das neue Model Y war zwar im August das beliebteste E-Auto in Europa, lag aber 37 Prozent unter den August-Zahlen des alten Model Y vor einem Jahr.
Wenn die Tesla-Aktie zuletzt stark gestiegen ist, lag dies nicht an neuen Modellen oder berauschenden Verkaufszahlen, sondern an Musks Versprechen, Tesla in den dominierenden Konzern für Robotik, KI und autonome Taxis zu verwandeln. Jüngst verkündete er beispielsweise, Teslas humanoider Roboter Optimus würde dereinst rund 80 Prozent des Gesamtwertes von Tesla ausmachen.
Vor zwei Wochen hat sich Musk zudem Tesla-Aktien im grossen Stil gesichert und so einen Kurssprung ausgelöst. Die Investoren glauben, dass Musks Wette auf KI und Roboter aufgeht.