«Das Comeback war eine gute Therapie. Ich bin glücklich. Glücklicher, als wenn ich es nicht versucht hätte.» So beendete Daniel Albrecht am 6. Oktober 2013 seine Karriere. Diese verlief nicht wie erwartet, sondern erlitt am 22. Januar 2009 den entscheidenden Knackpunkt.
Nichts deutet an diesem Tag auf den fürchterlichen Augenblick hin. Daniel Albrecht ist auf der legendären Streif beim Abschlusstraining bei guten Bedingungen stark unterwegs. Mit der besten Zwischenzeit rast der 25-Jährige mit 138 km/h auf den Zielsprung zu. Die Bestzeit liegt griffbereit da – doch Albrecht stürzt. Er kann den Sprung nicht drücken, gerät in Rücklage und knallt rund 70 Meter später brutal auf die Piste. Regungslos liegt er da. Dieser eine Sturz verändert sein Leben.
Es folgen bange Minuten, Stunden, Tage, ja Wochen. Albrecht wird auf die Intensivstation in Innsbruck verlegt, er bleibt mit einem Schädel-Hirn-Trauma dreieinhalb Wochen im künstlichen Koma. Als er aufwacht, weiss Albrecht nicht, wer er ist, was er macht oder warum er im Spital liegt. Er muss wieder sprechen lernen, verwechselt Worte. Ein Stück Fleisch nennt er «Audi», einen Schmetterling erkennt er zwar, kann ihn aber nicht benennen.
Doch der Sportler kehrt erstaunlich schnell «ins Leben» zurück. Im April verlässt er das Spital, schon im Juli des gleichen Jahres gibt er sein neues Ziel bekannt: Die Rückkehr an die Weltspitze. Bereits in der kommenden Saison will er wieder Rennen fahren.
Seinen Comeback-Versuch muss Albrecht jedoch fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem Unfall an gleicher Stelle in Kitzbühel verschieben. An einer Pressekonferenz im Januar 2010 gibt er bekannt, dass er während der laufenden Saison nicht wieder fahren wird.
Seine Rückkehr gibt's erst am 5. Dezember 2010 in Beaver Creek. Im Riesenslalom belegt der Fiescher den beachtlichen 21. Rang. Doch es wird eines der wenigen Highlights der zweiten Karriere bleiben. Rückschläge sind an der Tagesordnung. So auch am 22. November 2012 im Training zur Abfahrt von Lake Louise, als er wieder stürzt. Die Diagnose ist niederschmetternd: Kniescheibenluxation und Riss des Innenbandes im linken Knie. Ein Rennen fährt er danach nicht mehr.
Daniel Albrecht war der Hoffnungsträger der Schweizer Skifans. Schon bei der Junioren-WM 2003 deutete er als 20-Jähriger sein gigantisches Potential an: Weltmeister in der Abfahrt, im Riesenslalom und der Kombination. Dazu Silber im Slalom. Auch bei den Aktiven ging der Weg lange nur aufwärts. Höhepunkt waren 2007 der WM-Titel in der Super-Kombination und WM-Silber im Riesenslalom. In 138 Weltcuprennen fuhr er acht Mal aufs Podest, vier Mal grüsste er dabei vom obersten Treppchen.
Am 13. Oktober 2013 tritt «Albright» zurück. Er habe keine Energie mehr, sagt er. Die grosse Rückkehr ganz nach oben lag nicht mehr drin. Tatsächlich ist der sympathische Walliser aber trotz allem ein Gewinner. Als erster Skifahrer kam er nach einem Schädel-Hirn-Trauma wieder in den Weltcup zurück – obwohl ihm die Ärzte davon abrieten. Auch darum kann er sagen: «Ich bin glücklich. Glücklicher, als wenn ich es nicht versucht hätte.»
Der Zielsprung in Kitzbühel wurde nach dem Sturz von Daniel Albrecht entschärft. Heute fliegen die Fahrer nicht mehr 70 Meter weit.