Das Wichtigste gleich vorweg: Obwohl ihre Autobiografie den Titel «Hard Choices» («Entscheidungen») trägt, verrät Hillary Clinton auf 944 Seiten nicht, ob sie ins Rennen ums Weisse Haus steigen wird. Doch sie lässt die Gerüchteküche weiter brodeln.
Seit Monaten zanken sich Kommentatoren in Washington darüber, ob die 66-jährige Frau von Ex-Präsident Bill Clinton den eisernen Willen aufbringt, als erste Frau das höchste Amt der Vereinigten Staaten zu bekleiden.
«Ob ich 2016 für die Präsidentschaft kandidieren werde», sei die Frage, die sie am häufigsten höre, frotzelt die ehemalige US-Aussenministerin im Buch in Richtung all jener, die sich darüber seit Wochen den Kopf zerbrechen. «Die Antwort lautet: Ich habe mich noch nicht entschieden.»
We welcome the @TheHillaryBus to our beloved Buckeye State. OH-IO is ready for @HillaryClinton in 2016.
#SoGoesOHIOSoGoesTheNation
— Tim Ryan (@TimRyan) 9. Juni 2014
Auch wenn sie die Antwort auf die wohl drängendste Frage schuldig bleibt: Clintons seit Dienstag in den USA und Deutschland erhältliches Buch scheint schon jetzt den Weg für einen möglichen Hillary-Wahlkampf in zwei Jahren ebnen zu sollen.
«Entscheidungen» ist ein fein abgestimmtes Stückwerk aus persönlichen Erfahrungen, aussenpolitischer Analyse und einem Marsch durch die Herausforderungen, mit denen Clinton in ihren vier Jahren als Top-Diplomatin unter Präsident Barack Obama zu kämpfen hatte.
"If you were healthy, educated and able, you should be out there doing for others." -Hillary Clinton. I am #readyforHillary! #HillaryonABC
— Ellen Hakenewerth (@ellenhak) 10. Juni 2014
Mit zwei äusserst unbequemen Themen räumt sie gleich zu Beginn auf – möglicherweise, um Kritikern im Fall ihrer Kandidatur ein wenig das Wasser abzugraben. Es sei «ein Fehler» gewesen, im Jahr 2002 als Senatorin für den US-geführten Irak-Krieg zu stimmen, schreibt sie. «Ich handelte damals in gutem Glauben und auf Basis aller mir vorliegenden Informationen. Trotzdem lag ich schlicht und einfach falsch.»
Dieses Votum verfolgte sie noch Jahre später, als sie die Präsidenten-Vorwahl der Demokraten 2008 schliesslich an Obama abtreten musste. Bis Clinton den Fehler nun öffentlich eingestehen konnte, sind noch einmal fast sieben Jahre vergangen. Jetzt ist das Thema endlich vom Tisch.
Auch den Zoff um den Angriff auf die US-Botschaft im libyschen Bengasi scheint die ehemalige «Secretary of State» endlich beilegen zu wollen. Ihr wird vorgeworfen, die Gefahr unterschätzt und öffentlich heruntergespielt zu haben – bei dem Angriff im Jahr 2012 kamen vier Amerikaner ums Leben.
Ihre Kritiker würden aus einer Tragödie politischen Gewinn schlagen wollen, schreibt Clinton. Und schlägt zurück: «Ich werde mich nicht an einem politischen Schlagabtausch auf dem Rücken toter Amerikaner beteiligen.»
Der wohl dramatischste Moment ihrer Amtszeit als Chefdiplomatin war die Jagd auf Top-Terrorist Osama bin Laden. «Wir konnten nur warten, bis neue Informationen vom Team vor Ort kamen», schreibt Clinton.
«Ich blickte zum Präsidenten. Er wirkte ganz ruhig. Selten war ich so stolz darauf, an seiner Seite tätig zu sein, wie an diesem Tag.» Hier verpasst sie nicht die Chance, auch ihren eigenen Einfluss auf Obamas Entscheidung hervorzuheben.
Auffällig gut weg kommt die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. «Während meiner Zeit als Aussenministerin wuchs meine Bewunderung für diese entschlossene, kluge und ehrliche Frau, die mir gegenüber nie verhehlte, was sie dachte», schwärmt Clinton. Merkel sei eine «willkommene Abwechselung zu manch anderen Staatschefs, die wirkten, als wüssten sie schon alles».
Die geschickt gestreuten Vorab-Schnipsel und Interviews sowie ihr anstehender Marathon zu Buchpräsentationen in New York, Chicago, Philadelphia und Washington wirken schon fast wie ein Vorbote für ihre mögliche Kampagne. Clinton schliesst mit den Worten: «Die Zeit für schwere Entscheidungen kommt früh genug.» Beobachter wollen darin längst ein «Ja» zum Wahlkampf 2016 erkannt haben.
Great to see all the #ReadyforHillary support at @CapitalPrideDC! #ReadyforEquality pic.twitter.com/avfz5Xtd2W
— Ready for Hillary (@ReadyForHillary) 8. Juni 2014
«Dieser Band ist sehr stark die Arbeit von jemandem, der sich all seine politischen Optionen offenhält», resümiert die «New York Times». Die «Washington Post» nennt «Entscheidungen» ein «Kampagnen-Buch» – und fasst nach einer Analyse zusammen: «Lasst uns ehrlich sein. Hillary Clinton kandidiert für das Präsidentenamt.» (jas/sda)