Die Führung in Kiew liess nach eigenen Angaben einen vermeintlichen Hilfskonvoi aus Russland stoppen. Es bestehe «Grund zur Annahme, dass der Konvoi dazu hätte genutzt werden können, die Spannungen weiter zu verschärfen», erklärte das ukrainische Aussenministerium am Samstag.
Das Büro von Präsident Petro Poroschenko hatte am Vorabend mitgeteilt, der Konvoi sei «von russischen Truppen und Militärausrüstung» begleitet worden und «sollte offenbar die Grenze überqueren, um einen ausgewachsenen Konflikt zu provozieren».
Wegen der «russischen Aggression» habe Präsident Petro Poroschenko die Militärführung zu Beratungen einberufen. «Die Gefahr scheint aber vorerst gebannt», sagte der Vizechef der Präsidialverwaltung in Kiew, Waleri Tschaly, am Samstag.
Ein «einseitiges Eingreifen Russlands auf ukrainischem Boden, etwa unter dem Vorwand humanitärer Hilfe, wäre völlig inakzeptabel und sehr alarmierend», sagte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Samantha Power, vor dem UNO-Sicherheitsrat am Freitag.
«Dringende humanitäre Hilfe sollte von internationalen Organisationen gestellt werden», sagte Power. «Sie sollte nicht von Russland gegeben werden.» UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon signalisierte die Bereitschaft der Vereinten Nationen, ihre Unterstützung zu verstärken, falls sich die humanitäre Lage weiter verschlechtern oder die Bemühungen Kiews nicht ausreichen sollten.
Kremlsprecher Dmitri Peskow wies die Vorwürfe einer militärischen Provokation zurück. «Es gab keine Versuche russischer Truppen, auf ukrainisches Territorium zu gelangen», sagte er.
Moskau warnte den Westen nach dem russischen Einfuhrverbot für Lebensmittel vor einer weiteren Zuspitzung der Krise. Sollten die EU und die USA im Ukraine-Konflikt neue Sanktionen gegen Russland verhängen, werde Moskau reagieren, sagte Peskow am Samstag in Sotschi. Russland hatte zuletzt etwa ein Überflugverbot für ausländische Airlines nicht ausgeschlossen.
In der Ostukraine gingen die Gefechte zwischen Regierungseinheiten und Aufständischen mit unverminderter Härte weiter. Die Aufständischen teilten mit, sie seien zu einer Feuerpause bereit. Während einer befristeten Waffenruhe sollten Zivilisten das Konfliktgebiet verlassen, zudem könnten Verwundete versorgt werden. Die Regierung in Kiew reagierte zunächst nicht auf das Angebot.
Der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine sprach von 13 getöteten Soldaten innerhalb von 24 Stunden. Granatsplitter töteten in Lugansk ein sechsjähriges Mädchen, wie die Behörden mitteilten. Hunderttausende seien weiter ohne Strom und Wasser.
In Donezk starb bei Schiessereien ein Mann, der zwischen die Fronten geraten war. Granaten beschädigten erneut zahlreiche Wohnhäuser, zudem wurden die Oberleitungen vieler Buslinien zerstört.
Wegen der Kämpfe ruht auch die Arbeit am Absturzort des malaysischen Flugzeugs MH-17. «Die Front führt direkt über das Trümmerfeld. Die Situation ist wie Treibsand - die Lage ändert sich stündlich», sagte der Vizechef des OSZE-Einsatzes, der Schweizer Alexander Hug, in einem Interview zur Nachrichtenagentur dpa in Wien. Die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wollten so schnell wie möglich nach Grabowo zurückkehren.
Auf dem von proeuropäischen Demonstranten seit Monaten besetzten Unabhängigkeitsplatz (Maidan) in Kiew entfernten Reinigungskräfte weitere Barrikaden. «Es ist jetzt an der Zeit dazu», sagte Bürgermeister Vitali Klitschko.
Immer mehr Bewohner der Millionenmetropole würden sich über das Zeltlager beschweren. Zahlreiche Demonstranten widersprachen lautstark und entzündeten zum Protest Autoreifen. Bei Zusammenstössen wurden drei Männer verletzt. (mbu/erf/sda/dpa/afp)