Wer ab und zu Zeit auf Insta und Co. verplämperlet, dürfte auch schon darüber gestolpert sein: Videos vom «Hobby Horsing», einer Sportart, bei der die Ausübenden Reiterin und Reittier zugleich sind. Sie springen mit Steckenpferd zwischen den Beinen über Hürden oder absolvieren mit säuberlich zum Dutt aufgesteckten Haaren Dressurküren. Immer wieder gehen Videos von der im ersten Moment kurios anmutenden Sportart viral. Die Kommentarspalten sind dementsprechend oft voll, das Thema polarisiert. Grund genug, sich das mal aus der Nähe anzuschauen.
In einer gut besuchten Sporthalle in Schaffhausen haben sich Dutzende Eltern und Grosseltern versammelt, um ihre Hobby-Horse-Champions anzufeuern. Am Verkaufsstand im Eingang verkauft der Hobby Horse Club Schaffhausen, von dem das Turnier organisiert wird, selbstgemachte Kuchen, Getränke und auch Bier (im Gegensatz zur Teilnehmerschaft waren bei den Zuschauern die Geschlechter etwa gleich stark vertreten).
Hobby Horsing ist eine Sportart, bei der die Reiterin (ich benutze hier aus oben erwähntem Grund mal frech das generische Femininum) sowohl die Jockette als auch das Pferd mimt. Die Sportart stammt aus Finnland, wo es sich seit etwa 15 Jahren wachsender Beliebtheit erfreut. Gegenüber dem Reitsport ist es natürlich viel günstiger und zugänglich für mehr Leute. Viele basteln ihre Hobby Horses selbst oder dichten ihnen einen Charakter an. Punktabzug gibt es im Springreiten, wenn eine Stange abgeworfen wird, aber auch, wenn das Hobby Horse verweigert (ja, das kommt vor). Disqualifiziert wird, wem das Hobby Horse auseinanderfällt.
Die Hindernisse mit einem Besenstiel zwischen den Beinen zu absolvieren, ist schwieriger als es aussieht. «Wenn die Stangen 40 Zentimeter hoch eingestellt wären, würde ich es vielleicht noch schaffen», sagt Alice Niederer, Organisatorin des Turniers. Sie hat im vergangenen Jahr den Hobby Horse Club Schaffhausen ins Leben gerufen. Ihre Tochter hat nach den Reitstunden jeweils noch mit einem Steckenpferdchen geübt. Bei der Recherche im Internet ist sie auf die grosse Hobby Horsing Community in Finnland gestossen und war inspiriert. Ihr Verein zählt inzwischen circa 30 Mitglieder, trainiert wird einmal pro Woche in einer Turnhalle.
Während in der Sporthalle in Schaffhausen gute Stimmung herrscht und eine Reiterin mit frenetischen «Hopp, hopp, Hobby Horse Thurgau»–Rufen angefeuert wird, werden viele Hobby Horserinnen im Netz mit Hass und Spott eingedeckt. «Viele Kommentare bei Instagram und TikTok sind unter der Gürtellinie», sagt Organisatorin Alice Niederer. Ihre Tochter, der über 10’000 Personen bei Tiktok folgen, musste das am eigenen Leib erfahren. Hasskommentare haben sie in der Vergangenheit stark verunsichert.
Von vielen, die ihre Videos sehen, würde sie aber auch Zuspruch bekommen. Viele machen ebenfalls Hobby Horsing und nehmen sie vor gemeinen Kommentaren in Schutz. Auch darum geht sie heute ihrer Leidenschaft mit Stolz nach. Indem sie Hobby Horsing machen, würden Kinder aber auch lernen, für sich einzustehen und sich nicht einschüchtern zu lassen, meint Alice Niederer.
Beim Turnier in Schaffhausen werden die Punkte nach klaren Vorgaben vergeben. Das Turnierreglement, das sich auf die nationalen Turniere in Finnland stützt, umfasst stolze 30 Seiten. Einige der Jurorinnen und Juroren am Turnier in Schaffhausen haben einen Hintergrund im Reitsport, da sich viele Kriterien beim Hobby Horsing und dem herkömmlichen Reitsport überschneiden. Das Aufnahmegesuch für die Olympischen Spiele 2024 erhielt dennoch einen negativen Bescheid. Nachdem es auch Breakdancing an Olympia geschafft hat, ist es nicht ausgeschlossen, dass bei der nächsten Olympiade auch Steckenpferdchen antraben werden.
Sieht schon etwas seltsam aus, aber auch nicht mehr als andere Sportarten oder Hobbies. Wer Freude daran halt, soll sich die nicht nehmen lassen!