Rund drei Milliarden Dollar hat Elon Musk sich sein Twitter-Abenteuer kosten lassen. Damit hat er sich 9,2 Prozent des Aktienkapitals und einen Sitz im elfköpfigen Verwaltungsrat gesichert. Finanziell war dies einmal mehr ein Geniestreich. Die Wall Street liebt ihn, schliesslich hat sich der Tesla-Kurs in letzter Zeit dank Musk verzehnfacht. Sein Einstieg bei Twitter hat den Aktienkurs rund 30 Prozent in die Höhe schiessen lassen. Damit sind die Erwerbskosten bereits wieder kompensiert.
Doch Geld dürfte bei diesem Deal keine Rolle gespielt haben. Das Vermögen des reichsten Mannes der Welt wird bereits heute auf sagenhafte 270 Milliarden Dollar geschätzt. Auf ein paar Zerquetschte kommt es da nicht mehr an.
Musk will mehr. Er hat nicht nur rund 80 Millionen Follower bei Twitter. Er hat auch offensichtlich vor, sich aktiv an der Entwicklung des auch politisch sehr einflussreichen Mediums zu beteiligen. Anders als die anderen Verwaltungsräte hat er sich deshalb geweigert, eine Vereinbarung zu unterzeichnen, die ihm verboten hätte, sich ins Geschäft einzumischen.
Dazu hat er bereits einen Tweet abgesetzt, in dem er verkündet, er hoffe, «in den kommenden Monaten signifikante Verbesserungen bei Twitter» machen zu können. Auch Twitter-CEO Parag Agrawal tweetete: «Die Unterhaltungen, die wir in den letzten Wochen mit Elon geführt haben, zeigen, dass er eine grosse Bereicherung für unseren Verwaltungsrat sein wird.»
Nicht bei allen Twitter-Angestellten löst der Einstieg von Musk Begeisterung aus. So zitiert die «Financial Times» ein Mitglied des mittleren Kaders wie folgt: «Er ist ein Spinner. Wir wollen ihn nicht.»
Tatsächlich steht Musk quer in der Twitter-Kulturlandschaft. Der Gründer Jack Dorsey gilt als linksliberaler Idealist. Doch dessen Einfluss ist am Schwinden. Ihm gehören gerade mal noch 2,3 Prozent der Aktien. Das Amt des CEO musste er im vergangenen November mehr oder weniger freiwillig an Agrawal abtreten. Trotzdem macht auch Dorsey gute Miene zum bösen Spiel. «Parag und Elon führen beide mit dem Herzen. Sie werden ein unglaubliches Team sein», tweetete er.
Jubel herrscht derweil bei den Konservativen. «Musk. Meinungsfreiheit», tweetete etwa der Abgeordnete Jim Jordan, der am äusserst rechten Flügel der Republikaner angesiedelt ist. «Elon Musk hat klargemacht, dass er ein Gegner der Zensur durch Big Tech ist, und das ist etwas, das alle freiheitsliebenden Amerikaner unterstützen», ergänzte Jordans Gesinnungsschwester Marsha Blackburn, Senatorin aus Tennessee.
Bei Fox News führte Tucker Carlson geradezu Freudentänze auf und verkündete, ein neues Medien-Zeitalter sei angebrochen.
Die Hoffnung der Rechten ist berechtigt. Politisch gesehen ist Musk eine unberechenbare Zeitbombe. Er neigt zu libertären Ansichten, die sich nicht selten mit rechtem Gedankengut verbinden. Zudem hat er mehrmals angedeutet, dass ihm die Twitter-Politik nicht passt. «Angesichts der Tatsache, dass Twitter de facto ein Marktplatz der öffentlichen Meinung geworden ist, untergräbt es die fundamentalen Prinzipien der Demokratie, wenn die Meinungsfreiheit nicht eingehalten wird», tweetete er letzten Monat.
Vor seinem Einstieg bei Twitter liess er bei seinen Followern eine Abstimmung zur Frage durchführen: «Meinungsfreiheit ist essenziell für das Funktionieren der Demokratie. Glaubst du, dass Twitter sich strikte an dieses Prinzip hält?» Rund 70 Prozent all jener, die an dieser Umfrage teilgenommen haben, sagten Nein.
Donald Trump ist bekanntlich auf Lebzeiten von Twitter verbannt. Er und seine Basis werden sich nun Hoffnung machen, dass dieser Bann dank Musk wieder aufgehoben wird. Der Ex-Präsident könnte jedoch gemischte Gefühle haben, denn der Einstieg von Musk bei Twitter dürfte wohl der endgültige Todesstoss für seine als Twitter-Konkurrenz gedachte Plattform Truth Social gewesen sein.
Derzeit ist Twitter noch ein sehr zentralistisches Wesen. Das könnte sich ändern. Schon vor seinem Einstieg gab es bei Twitter Diskussionen, wie man die Plattform dezentralisieren und spezifischer auf die Bedürfnisse einzelner Kundensegmente anpassen könnte. Musk gilt als Krypto- und Blockchain-Fan. Diese Diskussionen werden sich wahrscheinlich verstärken.
Musk ist nicht der erste Tech-Milliardär, der sich als Medien-Tycoon versucht. Schon vor einigen Jahren hat sich Jeff Bezos die «Washington Post» unter den Nagel gerissen. Mit Twitter ist Musk möglicherweise ein noch bedeutenderer Coup gelungen. Vielleicht auch nicht. Musk musste nämlich unterschreiben, dass er in den nächsten zwei Jahren nicht mehr als 14,9 Prozent der Twitter-Aktien besitzen darf.