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Analyse

Warum Wladimir Putin Volkswagen das China-Geschäft versauen könnte

VW hat am 9. März 2022 den vollelektrischen Kleinbus ID.Buzz präsentiert.
Das jüngste Kind aus dem Hause Volkswagen: Der Kleinbus ID. Buzz.Bild: Volkswagen
Analyse

Warum Wladimir Putin Volkswagen das China-Geschäft versauen könnte

Kriege haben unvorhersehbare Konsequenzen – auch für den grössten Autohersteller der Welt.
17.03.2022, 05:5917.03.2022, 07:28
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Ob Käfer oder Golf, ob Porsche oder Audi – nichts lässt die Herzen unserer nördlichen Nachbarn höher schlagen als die Produkte aus Wolfsburg, Stuttgart oder Ingoldstadt. Volkswagen ist der Inbegriff der deutschen Wirtschaft und der bedeutendste Arbeitgeber obendrauf. Rund 500’000 Menschen beschäftigt VW in Europa.

Doch der Schein trügt: «Öffnet man die Motorhaube und schaut sich die Umsatzzahlen und die Profite an, dann ist VW mehr chinesisch als deutsch», stellt die «Financial Times» fest. Nicht einmal von höchster Stelle wird dem widersprochen. «China braucht VW wahrscheinlich nicht», sagt VW-CEO Herbert Diess. «Aber VW braucht China, und zwar sehr.»

epa09452621 Volkswagen CEO Herbert Diess delivers a speech at the International Motor Show IAA in Munich, Germany, 07 September 2021. The 2021 International Motor Show Germany IAA 2021, which this yea ...
Sorgen mit China: Herbert Diess, VW-CEO.Bild: keystone

Über die Abhängigkeit des Westens von russischem Öl und Erdgas sind inzwischen ganze Bibliotheken verfasst worden. Die Tatsache, wie abhängig die westliche Wirtschaft von China geworden ist, fliegt jedoch nach wie vor unter dem Radar. VW ist ein Paradebeispiel für diese Abhängigkeit, wie die «Financial Times» in einem längeren Bericht aufzeigt.

VW war der erste westliche Autohersteller, der in China Fuss gefasst hat. Schon in den Achtzigerjahren wurde im Reich der Mitte der VW Santanda zum beliebtesten Auto des Landes. Später eroberten auch andere Modelle die Herzen der Chinesen. Im Rekordjahr 2018 wurden insgesamt 4,1 Millionen Autos aus dem Volkswagenkonzern verkauft.

Covid und die Tatsache, dass es VW bisher nicht gelungen ist, im chinesischen Elektroauto-Markt so richtig Fuss zu fassen, haben dazu geführt, dass die Verkaufszahlen 2021 auf 3,3 Millionen gesunken sind. Doch das sind immer noch rund ein Drittel der 8,8 Millionen Fahrzeuge, welche der Volkswagenkonzern weltweit unter die Leute bringt.

Nicht nur Rohstoffe sind von den Launen der Geopolitik abhängig. Angenommen, China liefert – wie von Moskau gefordert – Russland tatsächlich Waffen, dann könnte dies indirekt auch für VW gravierende Folgen haben. Boykotte von Konsumenten oder gar ein von der Regierung verordneter Rückzug aus dem Markt sind denkbar.

Farmers prepare to till a farmland that was submerged by recent floods in Huangtugang village in central China's Henan province on Saturday, Oct. 23, 2021. The flooding disaster in July is the wo ...
Chinesische Bauern bestellen Felder, die zuvor überflutet waren.Bild: keystone

Thorsten Benner, Direktor des Global Public Policy Institutes in Berlin, erklärt: «Was sich derzeit in Russland abspielt, muss den deutschen Unternehmen eine Heidenangst einjagen und ihnen aufzeigen, wie riskant es ist, sich mit einem autoritären Regime einzulassen.»

Die Abhängigkeit ist jedoch gegenseitig. Putins Krieg bringt auch Xi Jinping in Nöte. Er kommt für Peking zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Chinas ehrgeizige wirtschaftliche Ambitionen sind in Gefahr, es ist fraglich, ob das Bruttoinlandprodukt wie geplant 5,5 Prozent wachsen wird.

Dazu kommt, dass die Ukraine ein wichtiger Getreidelieferant für China ist. Das könnte schmerzliche Folgen haben. Wegen starken Regens ist die Ernte im eigenen Land miserabel ausgefallen. Chinas Agrarminister spricht gar von «möglicherweise der schlechtesten in der Geschichte».

Schliesslich ist die Exportnation China auch auf Swift angewiesen. Eine klare Stellungnahme für Russland könnte zu einem Ausschluss aus dem WhatsApp der internationalen Finanzwirtschaft führen und damit auch die Exporte verunmöglichen.

Kevin Rudd, der ehemalige Premierminister von Australien, ist ein profunder Kenner der Verhältnisse in Asien. In einem Gastkommentar im «Wall Street Journal» fasst er die aktuellen Probleme des chinesischen Staatspräsidenten wie folgt zusammen:

«Ein lang andauernder Krieg stellt für Mr. Xi eine Gefahr dar. Einige in der kommunistischen Partei beginnen sich zu fragen, ob es sinnvoll war, von einer Aussenpolitik des Tiefstapelns – wie sie einst Deng Xioaping empfohlen hat – abzuweichen. Andere sind unglücklich über sein hartes Vorgehen gegen die private Wirtschaft, die das Wachstum der letzten 35 Jahre angetrieben hat. Wieder andere schliesslich schauen und warten auf eine Explosion der Covid-Fälle, die sich von Hongkong kommend im ganzen Land ausbreiten. Das könnte Mr. Xis Anspruch der letzten zwei Jahre, die Pandemie besser als die USA und der Westen bewältigt zu haben, infrage stellen.»

Kein Wunder also, gibt sich Peking alle Mühe, weder Russland noch den Westen zu brüskieren. Energisch widerspricht Qin Gang, der chinesische Botschafter in den USA, in der «Washington Post» der These, wonach Putin seinen Krieg mit Xi abgesprochen habe. «Die Behauptungen, dass China von diesem Krieg gewusst, ihn gebilligt oder gar heimlich unterstützt habe, sind reine Desinformation», stellt er fest. Damit diese Aussagen auch glaubhaft werden, muss ihnen Peking bald auch Taten folgen lassen.

Wirtschaftlich gesehen ist Russland eine Regionalmacht, sein Bruttoinlandsprodukt ist etwa gleich gross wie das italienische. Doch es hat 6000 Atomwaffen und einen Diktator mit Grossmacht-Illusionen. Das könnte im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Welt, wie wir sie kennen, morgen schon ganz anders aussehen könnte.

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79 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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RicoH
17.03.2022 06:32registriert Mai 2019
Das ist ein Problem der globalen Vernetzung.
Solange Menschen weltweit für ihre Leistung nicht gleich viel verdienen wie beispielsweise in Europa, wird sich die Abhängigkeit nicht ändern. Das betrifft alle Unternehmen, die in billig Ländern produzieren lassen.
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Florotor
17.03.2022 06:56registriert Dezember 2017
"the harder they come, the harder they fall."

Es ist ein Muster der Natur, gilt für alle, die Gelben, die Roten, die Weissen.

Nicht nur China erntet immer schlechter. Die Welt erntet immer schlechter. Der Klimawandel affektiert nicht politische Systeme. Er verändert die Ökosysteme. Und die folgen den Mustern der Natur.

Die Grenzen sind egal. Die Märkte sind egal. Das Problem ist der Krieg, den wir gegen unsere eigenen Lebensgrundlagen führen.

Was für eine lächerliche Torheit, sich mit Armeen und Waffen gegen Mutter Natur zu stellen...

Die industrielle Ausbeutung des Planeten muss enden!
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Salvatore_M
17.03.2022 09:14registriert Januar 2022
@Herr Löpfe: Ihr Bericht bezieht sich auf den gestrigen Artikel in der FT („Volkswagen and China: the risks of relying on authoritarian states”). China ist auch ohne die Auswirkungen des Ukraine-Krieg ein zunehmend schwierigeres Pflaster für westliche Unternehmen, nicht nur für Volkswagen. Was im Artikel der FT nicht erwähnt wird, sind z.B. zwei Hürden für West-Firmen: das ‚Social Security System‘ und das neue ‚Anti-Sanktionsgesetz‘. Alleine schon deshalb sollte der Westen seine Abhängigkeit von China deutlich reduzieren, was äusserst herausfordernd ist. Bitte schreiben Sie doch dazu mal.
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