Das Coronavirus hat eine ohnehin schon angeschlagene Weltwirtschaft geschwächt. Um den Preis des Erdöls zu stützen, wollten die Saudis daher die Produktion drosseln und forderten die anderen Erdöl produzierenden Länder auf, ihrem Beispiel zu folgen.
Davon wollten die Russen nichts wissen. Aus Moskau kam ein dezidiertes Njet zu diesem Vorschlag. Das brachte den starken Mann in Riad, Mohammed bin Salman (MBS), auf die Palme. Er wollte gleichzeitig seinen Marktanteil verteidigen und Wladimir Putin zeigen, wer Herr und Meister auf dem Ölmarkt ist.
Anstatt die Produktion zu drosseln kündigte Saudi-Arabien eine massive Ausweitung an. Die Reaktion der Märkte folgte auf den Fuss, der Preis für ein Fass Erdöl rasselte in den Keller. Das wiederum versetzte die bereits verunsicherten Investoren in Panik. Ein historischer Sturz an den Börsen war nicht mehr zu vermeiden.
Selbst wenn sich die Aktienkurse und der Ölpreis wieder erholen, ist der angerichtete Schaden nicht so schnell wiedergutzumachen. «Es handelt sich um einen gegenseitigen Vernichtungskrieg aller Öl exportierenden Länder inklusive Saudi-Arabien, Russland und wahrscheinlich auch der Vereinigten Staaten», sagt Greg Brew gegenüber der «New York Times». Brew ist Professor an der Southern Methodist University und Spezialist für die Golfregion.
Der Hahnenkampf zwischen MBS und Putin entbehrt jeglicher wirtschaftlichen Logik. Auch wenn sie grosse Bemühungen zur Dekarbonisierung ihrer Wirtschaft unternehmen, sind die Saudis nach wie vor auf Tod und Leben vom Öl abhängig. Experten schätzen, dass sie einen Preis von 60 Dollar pro Fass brauchen, um über die Runden zu kommen.
Sollte der Preis länger unter dieser Marke liegen, müssen die Saudis ihre Reserven von rund 500 Milliarden Dollar anknabbern. MBS muss gleichzeitig seine ehrgeizigen Pläne für die Modernisierung der Wirtschaft zurückschrauben.
Bereits hat der Ölkrieg Opfer gefordert. Die Aktien des Ölkonzerns Aramco haben mehr als 15 Prozent eingebüsst und sind unter den Ausgabepreis gefallen. Aramco hat kürzlich einen teilweisen Börsengang über die Bühne gebracht. Viele Saudis haben zugegriffen und dürften jetzt eher unglücklich sein. MBS wird dies kaum kümmern. Er hat soeben wieder einige seiner Verwandten verhaften lassen, weil sie es gewagt haben, ihn zu kritisieren.
Russlands Wirtschaft ist breiter abgestützt. Zudem besitzt es eine eigene Währung und kann mit einem schwächeren Rubel die schlimmsten Folgen des tiefen Ölpreises teilweise auffangen. Langfristig ist jedoch auch Russland vom Ölpreis abhängig. Nicht von ungefähr wird es auch die «Tankstelle der Welt» genannt.
Kurzfristig jedoch spielt der tiefe Ölpreis Putin in die Karten. Es hilft ihm, die Dominanz des amerikanischen Schieferöls zu brechen und Russlands Herrschaft über den europäischen Energiemarkt zu sichern. «Er ist zudem sauer, weil die USA gegen seine Nord-Stream-2-Gaspipeline, die Sibirien mit Deutschland verbindet, opponieren», kommentiert das «Wall Street Journal».
Präsident Donald Trump ist sehr stolz darauf, dass die USA dank dem Schieferöl wieder zum grössten Ölproduzenten aufgestiegen und energieunabhängig geworden sind. Der Ausstoss ist innerhalb von drei Jahren von 490’000 auf 3,5 Millionen Fass pro Tag angestiegen.
Nach wie vor ist die Schieferöl-Produktion jedoch deutlich kostspieliger als die normale. In den USA hat der tiefe Ölpreis daher möglicherweise weit reichende Folgen, vor allem in Texas. «Viele kleinere amerikanische Ölfirmen könnten Pleite gehen, wenn der Ölpreis mehr als ein paar Wochen auf diesem Niveau verharrt», schreibt die «New York Times». «Die grösseren werden keine Dividenden mehr ausschütten. Tausende von Arbeitern stehen vor der Entlassung.»
Die Pleiten der Ölfirmen wirken sich auf die Banken aus. Sie müssen befürchten, auf faulen Krediten dieser Firmen sitzen zu bleiben. Beim grossen Börsenbeben vom Montag sind deshalb gerade die Banktitel unter die Räder gekommen.
Zu den Opfern des Ölpreiskrieges gehören auch Länder, die bereits schon massiv angeschlagen sind. Venezuela und der Iran beispielsweise, oder auch die Ölproduzenten in Afrika. «Saudi-Arabien pokert sehr hoch», kommentiert daher die «Financial Times». «Seine Strategie mag zum Ziel haben, Russland an den Verhandlungstisch zu zwingen. Sollte das nicht gelingen – und wir glauben nicht daran – wird dies für alle Ölproduzenten auf der Welt weit reichende Folgen haben.»
Das wird auch die Weltwirtschaft zu spüren bekommen. Billigeres Benzin ist da ein schwacher Trost.
Börse: PANIK!!!
Erdölpreis: sinkt
Börse: PANIK!!!