Für Barry Pollack, Julian Assanges amerikanischen Anwalt, ist der Fall klar: «Ich habe keine Mühe, die Frage zu beantworten, ob Mr. Assange ein Journalist sei oder nicht. Er veröffentlicht wahre Informationen, die im öffentlichen Interesse sind. Ich denke, das ist ist eine ziemlich zutreffende Definition von ‹Journalist›.»
Für seine Fans ist Assange ein Held der Informationsfreiheit, der die dunklen Machenschaften der Regierungen rund um den Globus ausleuchtet. Seine weniger heroischen Seiten wischen sie gerne unter den Tisch, etwa dass er in Schweden auch wegen versuchter Vergewaltigung angeklagt wurde. Das Verfahren wurde mittlerweile ja auch eingestellt.
Seinen grössten Coup, das Aufdecken der rücksichtslosen Vorgehensweise der amerikanischen Armee im Irak, lancierte Assange zudem zusammen mit der «New York Times», dem «Guardian» und dem «Spiegel». Publikationen also, die gemeinhin zu den Besten dieser Welt gezählt werden.
Die US-Justiz tat sich in der Vergangenheit schwer mit dem Fall Assange. Das First Amendment der amerikanischen Verfassung erklärt die Meinungsfreiheit zum Grundpfeiler des Staates und gilt als unantastbar.
Die Regierung von Barack Obama hat deswegen auch nie Anklage gegen Assange erhoben. Angeklagt wurde indes seine damalige Gehilfin in der amerikanischen Armee, Chelsea Manning (damals war sie noch ein Mann). Sie wurde zu einer 35-jährigen Gefängnisstrafe verurteilt, nicht weil sie Informationen veröffentlicht, sondern weil sie das Computersystem gehackt hatte.
Präsident Obama hat Manning kurz vor Ende seiner Amtszeit begnadigt. Derzeit sitzt sie wieder in Untersuchungshaft, weil sie sich weigert, als Zeugin gegen Wikileaks auszusagen.
Im Auslieferungsbegehren an London klagt die US-Justiz Assange nicht wegen seiner Leaks an. Sie wirft ihm vor, Manning seinerseits bei seiner Straftat geholfen zu haben. Sie begibt sich allerdings auf juristisch dünnes Eis. Die Grenze zwischen journalistischem Aufdecken von Machtmissbrauch und krimineller Unterwanderung von berechtigten Sicherheitsinteressen ist alles andere als glasklar.
Politisch hat Assange mit seiner Rolle im Wahlkampf 2016 die Fronten gewechselt. Für die Demokraten wurde er vom Helden zum Buhmann. Er hat mit seiner Veröffentlichung der E-Mails Hillary Clinton schwer geschadet. Wie Wikileaks dabei mit dem russischen Geheimdienst GRU zusammenarbeitete, hat Sonderermittler Robert Mueller in seiner Anklageschrift gegen zwölf russische Hacker minutiös aufgelistet.
Assange hat sich auch mit Donald Trump jr. abgesprochen, das zeigt ein E-Mail-Verkehr der beiden. Ebenso ist Roger Stone, langjähriger Kumpel von Vater Trump, wegen seiner Vermittlerrolle vom Sonderermittler angeklagt worden.
Die Demokraten haben ein grosses Interesse daran, dass Assanges Rolle in der Russlandaffäre vollumfänglich aufgedeckt wird. Sie werden dabei gar von einzelnen Republikanern unterstützt. So erklärt etwa Richard M. Burr, der Vorsitzende des Senate Intelligence Committee, Wikileaks habe «effektiv während Jahren als Arm des russischen Geheimdienstes» gehandelt.
Ob diese Rolle jedoch aufgeklärt wird, ist unsicher. Im Auslieferungsbegehren an London führen die US-Behörden nämlich als Grund bloss die Beihilfe zum Hacken an. Gemäss international gültigem Recht dürfen nach einer Auslieferung keine neuen Straftaten hinzugefügt werden. Wollen die US-Strafbehörden Assange auch wegen seiner Rolle in der Russlandaffäre belangen, müssen sie ihr Auslieferungsgesuch ergänzen – und zwar innerhalb der nächsten 60 Tage.
Wikileaks hat eine bedeutende Rolle im Wahlkampf 2016 gespielt und Trump dabei sicherlich nicht geschadet. Kann Assange also mit präsidialer Milde rechnen? Wohl kaum. Trump hat zwar im Wahlkampf eine gefühlte Zillion Mal erklärt, wie sehr er Wikileaks liebe. Doch nun gibt er sich mehr als zugeknöpft. «Ich weiss nichts über Wikileaks» entgegnete er auf eine entsprechende Journalistenfrage nach Assanges Verhaftung. «Ich habe keine Meinung.»
Der Opportunismus des Präsidenten und die unsichere Rechtslage können gar zu einer Gefahr für die Pressefreiheit werden. So schreibt die «New York Times» in einem redaktionellen Kommentar: «Bei dieser Regierung – einer, welche die freie Presse als «Feinde des Volkes» bezeichnet –, besteht immer die Gefahr, dass die strafrechtliche Verfolgung von Mr. Assange zu einem Angriff auf das Frist Amendment und die Whistleblower ausartet.»
Ist diese "weniger heroische Seite" Tatsache oder wird hier die Unschuldsvermutung ausser Acht gelassen?
Es gibt sicher auch Negatives über Herrn Assange zu sagen, wie auch bei mir, aber das ist jetzt schon etwas schwach, wie ich finde.