Berlin sonnt sich in seinem Ruf als Mekka der Start-up-Szene. Die Wahl-Berlinerin Marie Zeh, vor zwei Jahren aus der deutschen Hauptstadt nach Zürich und vor einem Jahr weiter nach Aarau gezogen, hat ihr Glück als Jungunternehmerin aber in der Provinz gefunden. Genauer bei der Swiss Commerce Holding im bernischen Langenthal. Deren Industriehalle steht am Stadtrand neben der Bahnlinie, die Berliner Szene-Quartiere sind hier nur eine ferne Erinnerung.
Erst in der Cafeteria in der obersten Etage ist er spürbar, der Start-up-Groove. Lange Holztische, junge Leute. Sie betreiben Online-Shops mit Namen wie «reitsport.ch», «fischen.ch» oder «survival.ch». Und im Fall von Marie Zeh «myluckydog.ch», eine Verkaufsplattform für auf GesunDie Klammer um die Internet-Händler bildet die Swiss Commerce. Sie stellt ihr Know-how, die Finanzierung, das Lager, die Logistik und die IT-Infrastruktur zur Verfügung – die Plattformen der verschiedenen Nischenanbieter kommen denn auch alle in einem ähnlichen Design daher.dheit ausgerichtete Hundeartikel.
«Das ist schon Wahnsinn»
Die Klammer um die Internet-Händler bildet die Swiss Commerce. Sie stellt ihr Know-how, die Finanzierung, das Lager, die Logistik und die IT-Infrastruktur zur Verfügung – die Plattformen der verschiedenen Nischenanbieter kommen denn auch alle in einem ähnlichen Design daher.
«Ich erhalte hier die Möglichkeit, meinen Traum zu verwirklichen», sagt Zeh. Natürlich mache Swiss Commerce im Hintergrund Druck, die gemeinsam gesetzten Umsatzziele zu erreichen. Aber dass man «einfach loslegen und etwas probieren kann, ist schon Wahnsinn».
Das Tempo, mit dem das Projekt der gelernten Modedesignerin vor einem Jahr hochgezogen wurde, ist tatsächlich beeindruckend: Von der Idee bis zur Liveschaltung der Website vergingen 86 Tage. In den letzten vier Monaten wuchs das Geschäft der 25-jährigen Unternehmerin um jeweils rund 35 Prozent. Und nächstes Jahr peilt sie einen Umsatz im mittleren siebenstelligen Bereich an.
Sprung ins kalte Wasser
Ganz reibungslos verlief der Umzug aus Berlin dann allerdings doch nicht. Während dort das Motto «komme ich heute nicht, komme ich morgen» herrschte, war in Langenthal der Tagesablauf weit stärker durchorganisiert. Den «Sprung ins kalte Wasser» machte Zeh noch als Marketingverantwortliche von «reitsport.ch», bevor sie mit «myluckydog» ihr eigenes Projekt startete.
«Ich bin um mein Leben geschwommen», erinnert sie sich. «Aber dann habe ich angefangen, zu verstehen.» Verstehen: Damit meint sie die drei Pfeiler Content, Community und Commerce – also Inhalt, Gemeinschaft und Verkauf – auf denen alle Plattformen aus Langenthal aufbauen.
Die Inhalte sind in ihrem Fall redaktionelle Beiträge von Tierärzten und Ernährungsberatern im Online-Magazin des Shops. «Sie stellen Produkte in einen Kontext, die einen Mehrwert schaffen», heisst das dann auf Marketing-Deutsch. Die Beiträge wiederum werden von den Kunden – und da kommt die Gemeinschaft ins Spiel – weiter diskutiert.
Milo testet Kekse und Spielzeug
In den gängigen Internet-Foren wimmle es ja von Meinungen und die meisten Hundehalter seien von den vielen Informationen überfordert, so Zeh. Das Produkt schliesslich sieht sie als logische Folge aus den ersten beiden Pfeilern: «Hundeartikel werden für gewöhnlich über den Preis verkauft, aber wenn die Hundehalter besser informiert sind, sind sie auch bereit, für Qualität mehr zu bezahlen.»
Als Versuchskaninchen muss der eigene Hund herhalten. Milo, ein italienisches Windspiel, pendelt täglich an Zehs Seite von Aarau nach Langenthal, um neue Spielsachen und Hundefutter zu testen. Möglich also, dass der schlanke Windhund parallel zur Firma etwas in die Breite wachsen wird. Grenzen beim Wachstum von «myluckydog» sieht Marie Zeh jedenfalls keine.
Lagerkapazität sei in Langenthal noch genug vorhanden, und auch neue Mitarbeiter könnte sie einstellen – was ihr dann vielleicht sogar eine Rückkehr ins Start-up-Mekka Berlin erlauben würde. Die digitale Welt ist schliesslich überall. Es gefalle ihr aber auch hier sehr gut, betont die Neo-Aarauerin. Und Mitarbeiter Milo würde gegen eine Rückkehr in die Grossstadt möglicherweise auch sein Veto einlegen.