Der Steuerstreit mit den USA eskaliert erneut. Im Zentrum steht die Grossbank Credit Suisse. Das US-Justizministerium hat seine Gangart verschärft. Es stellt Forderungen, die das direkte CS-Umfeld gemäss NZZ am Sonntag als «jenseits von Gut und Böse» bezeichnet.
Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf reiste letzte Woche zu einem Treffen mit US-Justizminister Eric Holder nach Washington. Dabei ging es laut der Sonntagspresse um die Beilegung des Steuerstreits und vor allem um die Credit Suisse. Offiziell herrscht in Bern Funkstille, das Finanzdepartement wollte sich auf Anfrage von watson nicht zur Angelegenheit äussern.
Die CS hoffte bislang, sie könne sich wie ihre Konkurrentin UBS mit einer saftigen Busse von einem Strafverfahren im Steuerstreit freikaufen. Die UBS zahlte vor fünf Jahren 780 Millionen Dollar. Vor einer Woche jedoch berichtete die «New York Times», das Justizministerium erwäge Klagen gegen zwei Grossbanken: Die BNP Paribas und die Credit Suisse. Hintergrund ist die zunehmende Kritik an der Praxis des «Too big to jail» (zu gross für den Knast). Weil der Untergang einer Grossbank die Weltwirtschaft erneut in eine Krise stürzen könnte, scheute die US-Justiz bislang vor Klagen zurück.
Eine Klage ist mit einem enormen Risiko verbunden. Im Fall der St. Galler Bank Wegelin führte sie zu deren Untergang. Nachdem sie von der US-Justiz verklagt worden war, musste die älteste Privatbank der Schweiz in einer Notfallaktion den «sauberen» Teil ihres Geschäfts an die Raiffeisen verkaufen. Bei der CS gehen Experten wegen des «Too big to jail»-Faktors jedoch nicht von einem solchen Szenario aus. «Ich rechne nicht damit, dass es zu einer Anklage in den USA kommt», sagte der Wirtschaftsrechtler Peter V. Kunz dem «Blick». Ohne ein Schuldeingeständnis, ein so genanntes «Guilty Plea», wird die Bank aber kaum davonkommen. Auch die Busse dürfte deutlich höher sein als im Fall der UBS und die Milliardengrenze überschreiten.
Die Credit Suisse hat angeblich einen «Amerika-Geheimplan» ausgeheckt, berichtet das Finanzportal Inside Paradeplatz. Sie habe auf Initiative von VR-Präsident Urs Rohner in den USA eine Tochterfirma gegründet, eine Art Bad Bank, in die alle unversteuerten US-Konti transferiert worden seien. Das Verfahren könnte auf diese Bank mit Namen CS International Advisors AG abgewälzt werden, die Credit Suisse als Ganzes wäre aus dem Schneider. Nur die CS-Kaderleute, die für die neue Bank arbeiten, «könnten unter die Räder geraten», so Inside Paradeplatz.
Als Teil des Deals wird die CS die Namen der steuerflüchtigen US-Kunden herausgeben müssen. Der einfachste Weg verliefe über das neue Doppelbesteuerungsabkommen von 2009. Doch es ist vom US-Senat bislang nicht ratifiziert worden, weil der libertäre Republikaner Rand Paul Widerstand leistet. Kürzlich wurde es von der zuständigen Kommission abgesegnet und nahm damit eine wichtige Hürde, doch die Abstimmung im Senat steht noch aus.
Die Credit Suisse könnte die Daten auch von sich aus liefern. Die «Lex USA» hätte sie dazu ermächtigt, doch dieses Sondergesetz wurde letztes Jahr vom Nationalrat versenkt. Die Banker wehren sich deshalb mit Händen und Füssen gegen eine solche Lösung.
Die dritte Variante wäre die Herausgabe der Kundendaten per Notrecht. Auf diesem Weg lieferte die Landesregierung 2009 die Namen von 4450 UBS-Kunden an die amerikanische Justiz. Der Bundesrat bewegte sich dabei im legalen Graubereich, faktisch opferte er das Bankgeheimnis. Deshalb wollte er eine Wiederholung eigentlich vermeiden, doch Banken und Experten gehen laut «Blick» davon aus, dass es zu einem zweiten UBS-Szenario kommen wird. An seiner Sitzung vor Ostern soll der Bundesrat darüber diskutiert haben, schreibt die «Schweiz am Sonntag».
Sollte es zum Äussersten kommen und die CS Konkurs gehen, ist das Geld nicht vollständig verloren. Durch den staatlichen Einlegerschutz sind 100'000 Franken pro Kunde abgesichert. Eine Sonderregelung gilt für Freizügigkeits- und Vorsorgekonten der Säule 3a. Ein solches Szenario aber ist wie erwähnt unwahrscheinlich, zu gross sind die Risiken für die Realwirtschaft. Die Börse sieht es ähnlich. Zwar gab der Kurs der CS-Aktie am Montag nach, doch ein veritabler Einbruch fand bisher nicht statt.