Die Geduld vieler Aktionäre ist zu Ende. «Herr Dougan, treten Sie zurück!», forderte am Freitag einer an der Generalversammlung der Credit Suisse in Zürich. Es sei Zeit für neue Köpfe. Und manch einer im Saal quittierte die Forderung an CEO Brady Dougan mit Applaus. Da konnte Präsident Urs Rohner noch lange kommentieren, er finde diese Aussage «nicht gerechtfertigt». Die Meinung bei den Kleinaktionären ist gemacht.
Auch die Geduld der Amerikaner scheint zu Ende zu sein. Sie haben die Grossbank in die Mangel genommen und wollen endlich Resultate sehen. Dougan und Rohner wissen: Vielleicht war das die letzte Generalversammlung in der heutigen Konstellation. Wirklich entspannt wirkten beide CS-Aushängeschilder nicht. Da half auch nicht, dass Rohner mit 82 Prozent eher passabel als gut wiedergewählt wurde und dass die traktandierte Kapitalerhöhung zur Finanzierung der Bankerboni um ein Haar abgelehnt wurde.
Wie mehrere Quellen gegenüber der «Schweiz am Sonntag» bestätigen, steht ein grösserer Schritt zur Bereinigung des Steuerstreits mit den USA unmittelbar bevor. Es ist davon auszugehen, dass sich die CS in den nächsten Tagen mit der US-Justiz einigen könnte. Beobachter rechnen damit, dass der Deal unmittelbar vor oder nach dem Wochenende kommuniziert wird. Allenfalls aber auch eine Woche später. Das Wochen ende würde man nutzen, um beispiels weise Grossinvestoren zu informieren – und zu beruhigen.
Alles deutet darauf hin, dass die CS eine «guilty plea» unterschreibt. Ein Schuldeingeständnis, womit sie sich eine formelle Anklage und einen Strafprozess erspart. Aber die Übung gilt so oder so als heikel, weil sichergestellt werden muss, dass das Vertrauen in die Bank als solche erhalten bleibt. Offenbar laufen derzeit Vorbereitungen, unter Einbezug der Regulatoren, für eine kontrollierte Kommunikation. Ein formelles Schuldeingeständnis dürfte in seiner Wirkung weniger verheerend sein wie eine Strafklage, die für Banken das sichere Ende bedeuten. Doch das ist schwierig vorauszusagen. Denn die US-Justiz hat bisher noch nie einen vergleichbaren Fall durchexerziert.
Oberstes Ziel des Bundesrats war es, zu verhindern, dass die CS die US Lizenz verliert und vom Dollargeschäft ausgeschlossen wird, was fatal gewesen wäre. Diese Gefahr scheint abgewendet. Das Gespräch, das Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf am letzten Wochenende mit US-Justizminister Eric Holder führte, soll diesbezüglich positiv verlaufen sein.
Klar ist für den Bundesrat, dass er nicht zu Notrecht greifen wird, um den Amerikanern die Kundendaten zu liefern. Obwohl die CS ihn dazu drängte (die «Schweiz am Sonntag» berichtete). Dass die Banken hinter den Kulissen nach wie vor für Notrecht weibeln, kam beim Bundesrat in den letzten Tagen sehr schlecht an. Bern setzt weiter darauf, dass die Kundendaten auf ordentlichem Amtshilfeweg geliefert werden. Notrecht würde die Lage der Bank auch gar nicht mehr verbessern, sagen Beobachter. «Damit geben sich die Amerikaner längst nicht mehr zufrieden», sagt einer. Zuletzt wurden in Medienberichten mögliche Bussen von bis zu 1,6 Milliarden Franken genannt. Die CS selber hat bis dato knapp 900 Millionen Franken für eine Zahlung zurückgestellt
Aber wer wird bei der CS das formale Schuldeingeständnis unterschreiben? CEO Brady Dougan, der amerikanische Investment-Banker, der vor seiner Zeit als oberster operativer Chef nie etwas mit dem schwarzgeldlastigen Private Banking zu tun hatte? Oder doch eher Präsident Urs Rohner, der einst Chefjurist war und in seiner heutigen Funktion für die Oberleitung der Bank verantwortlich ist? Klar ist: Wer das Schuldeingeständnis unterschreibt, beendet damit auch seine Karriere als Banker. Er wird zum Ausgestossenen, mit dem man nicht mehr geschäften will. Oder darf. In den USA gibt es mehrere Fälle von Managern, die vor oder unmittelbar nach einem formellen Schuldeingeständnis das Unternehmen verlassen mussten.
Zuletzt haben die CS-Oberen offenbar darauf gesetzt, die Vergangenheit über eine Tochtergesellschaft und subalterne Mitarbeiter beiseite räumen zu können. Im März machte die «Schweiz am Sonntag» bekannt, dass zu diesem Zweck eine neue Firma, eine «Bad Bank» gegründet wurde, in die alle Kundenbeziehungen übertragen wurden, die mit dem US-Geschäft zu tun hatten.
Zunächst waren es klassische amerikanische Off-Shore-Kunden, welche ausgelagert wurden. Nun aber zeigen Recherchen, dass die Bank in einer zweiten Transaktion auch Konten von Schweizern, die vorübergehend in den USA leben, in die CS International Advisors AG ausgelagert hat. Bisher hiess es, in der Bad Bank befänden sich nur Kunden, von denen man sich getrennt habe oder von denen man sich noch trennen wolle. Die Expats will die Bank aber offiziell behalten. Ein letzter Versuch, der Bad Bank künstlich Gewicht zu geben, um sie als Opfer wertvoller erscheinen zu lassen?
Der Plan ist gescheitert. Derzeit sieht alles danach aus, dass sich die US-Behörden nicht mit einem Bauernopfer zufriedengeben. Sie wollen den König. Zu lange hatte die CS gepokert.