Der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. ist 1941 im holländischen Exil gestorben. Die Familie Porsche-Piëch ist jedoch kein schlechter Ersatz. Die Machtkämpfe und Intrigen haben Shakespear’sche Dimensionen und beschäftigen in regelmässigen Abständen die Wirtschaftselite genauso wie das gemeine Fussvolk.
Nun ist es wieder einmal so weit. Der mächtigste Mann im Clan, Ferdinand Piëch, hat mit einem einzigen Satz einen Sturm im VW-Konzern ausgelöst. «Ich bin auf Distanz zu Winterkorn», sagte er gegenüber Spiegel Online. Das genügte. Piëch ist kein Mann von grossen Worten. Er ist erstens Legastheniker und zweitens so mächtig, dass er sich nicht lange erklären muss.
Im Porsche-Piëch-Clan vereinigen sich Ingenieur-Genie und Geschäftssinn. Clan-Gründer Ferdinand Porsche war für den Ingenieur-Teil zuständig, Anton Piëch für das Business. Besagter Piëch hat Louise, die Tochter von Ferdinand Porsche, geheiratet. Ferdinand Piëch ist das dritte Kind dieser Ehe.
Ferdinand Piëch vereinigt beides, Ingenieur-Genie und Geschäftssinn. Das macht ihn zu einer einzigartigen Figur in der Wirtschaftsszene. Bereits als junger Mann hat er in den 1960er Jahren das Unternehmen Porsche vor dem Untergang bewahrt. Er war es, der die legendären Rennwagen konstruiert hat, welche die Langstreckenrennen wie Le Mans dominierten und der marode gewordenen Marke Porsche zu neuem Glanz verhalfen.
1972 wurde Piëch trotzdem aus dem Unternehmen Porsche verstossen. Sein Machtanspruch war der Familie unheimlich geworden und dass er ein Verhältnis mit der Frau seines Vetters Gerd Porsche eingegangen war, steigerte seine Beliebtheit innerhalb des Clans ebenfalls nicht wirklich. Piëch hat übrigens nach eigenen Angaben zwölf Kinder aus verschiedenen Beziehungen. Seit 1984 ist er mit seiner Frau Ursula verheiratet.
Der verstossene Sohn brauchte nicht lange, um wieder Fuss zu fassen. 1972 trat er in die Dienste der VW-Tochter Audi, damals eine verschlafene Hut- und Stumpen-Marke. Piëch entwickelte den legendären Audi-Quattro und leitete damit Aufstieg in das Premiumsegment ein. Heute spielt Audi auf Augenhöhe mit BMW und Mercedes.
Das reichte Piëch noch lange nicht. Er wollte an die Spitze von VW, und das gelang ihm auch. 1993 löste er Carl Hahn als Vorstandsvorsitzender ab und mischte den Konzern sofort gründlich auf. Vom Erzrivalen GM warb er den Sanierer José Ignacio Lopez ab, sorgte damit zuerst für einen Mediensturm und danach dafür, dass im VW-Konzern kein Stein auf dem anderen blieb.
2009 kann es zum grossen Showdown im Porsche-Piëch-Clan. Unter der Führung von Starmanager Wendelin Wiedeking war Porsche nach einer schweren Krise ebenfalls wieder zu einem äusserst erfolgreichen Unternehmen geworden. Das machte die Schwaben übermütig. In einem Coup planten sie die Übernahme der des VW-Konzerns. Das hätten sie besser gelassen. Piëch zerlegte Wiedeking und die Porsches nach allen Regeln der Kunst und integrierte seinerseits den Sportwagenhersteller in VW.
2002 wurde Piëch wurde Vorsitzender des Aufsichtsrats (in der Schweiz Verwaltungsrat). Das Alltagsgeschäft überliess er zunächst Bernd Pischetsrieder, den er vom Konkurrenten BMW geholt hatte. Doch was Piëch gibt, kann er auch sehr schnell wieder nehmen. Weil er mit dessen Leistung nicht zufrieden war, jagte er 2007 Pischetsrieder wieder vom Hof.
Nun soll dessen Nachfolger Martin Winterkorn das gleiche Schicksal blühen. Auf den ersten Blick scheint dies reine Willkür seitens von Piëch zu sein. Unter Winterkorn eilte der VW-Konzern von Erfolg zu Erfolg und wurde hinter Toyota weltweit die Nummer zwei. Der Kurs der VW-Aktie ist auf Rekordhöhe, die Mitarbeiter haben sichere Arbeitsplätzen und anständige Löhnen, und ganz Deutschland sonnt sich im Glanz des Weltkonzerns Volkswagen. Wo also liegt das Problem?
Vielleicht ist jedoch nicht alles so rosig bei VW. «Die Bilanz des Konzern-Herzens VW ist eine reine Katastrophe», erklärte der Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffer in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» und bemängelte: Kein Konzept für die Marke, zu hohe Rabatte und im Vergleich zu GM und Toyota zu tiefe Gewinnmargen. «Piëch musste handeln. Die Luft wird dünn für Winterkorn», lautet Dudenhöffers nüchterne Analyse.
Vorläufig jedoch darf Winterkorn bleiben. Das Präsidium des VW-Aufsichtsrates hat ihm am Freitag den Rücken gestärkt. Doch sollte Dudenhöffers Einschätzung zutreffen, dann wird das Shakespear’sche Drama des Porsche-Piëch-Clans bald um ein Kapitel reicher sein – und VW wieder einmal um einen CEO ärmer.