In seinem epochalen Buch «Der Preis» hat Daniel Yergin aufgezeigt, wie die Geopolitik des 20. Jahrhunderts massgeblich vom Kampf um das Öl geprägt war. Fossile Brennstoffe werden noch lange wichtig bleiben. Doch wer im 21. Jahrhundert das Sagen haben wird, das wird der Ausgang des Krieges um Halbleiter entscheiden. Das zeigt Chris Miller in seinem Buch «Chip War» auf, ein Buch, das von der «Financial Times» zum «Business Book of the Year» gekürt wurde.
Die Bedeutung der Halbleiter oder Chips kann nicht übertrieben werden. Vom Kinderspielzeug bis zum Marschflugkörper – ohne Chips funktioniert gar nichts mehr. Und diese Abhängigkeit wird noch exponentiell zunehmen. Im Internet der Dinge und den Smart Grids werden immer mehr Geräte miteinander verknüpft und von Hochleistungs-Chips gesteuert werden.
Gordon Moore, einer der Väter der Halbleiter-Industrie, hat schon in den Sechzigerjahren das Gesetz formuliert, wonach sich die Leistungsfähigkeit einer jeden neuen Generation von Chips jedes zweite Jahr verdopple. Dieses Gesetz gilt bis heute und hat uns nicht nur die tödlichsten Waffen, sondern auch die rasanten Fortschritte auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz beschert.
Das Geschäft mit Chips ist extrem komplex geworden. Man unterscheidet dabei zwischen den Designern und den Herstellern. Meist sind die beiden getrennt. Nur Intel versucht sich auf beiden Gebieten, und ist wohl gerade deswegen ins Hintertreffen geraten.
In den meisten Branchen sind die Designer die klugen Köpfe, die den Löwenanteil des Gewinns eines Produkts für sich reklamieren, und die Hersteller die armen, schlecht bezahlten Arbeiter an den Förderbändern. Nicht so bei den Halbleitern. Um Chips zu produzieren, braucht es die wohl aufwändigsten Fabriken – genannt Fabs –, die es überhaupt gibt. «Es braucht eine Fabrik, die doppelt so viel kostet wie ein Flugzeugträger und die trotzdem bloss ein paar Jahre an der Spitze bleiben wird», so Miller.
Die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) ist die aktuell führende Fab. Sie entwirft keine eigenen Chips, sondern fabriziert diese nach den Plänen von Auftraggebern wie Apple, AMD, Qualcomm oder Nvidia. Dabei hat sie keine geheime Formel wie Coca-Cola, sondern ein Netz von hoch spezialisierten Zulieferern, etwa ASML, ein niederländischer Hersteller von Lithographiesystemen. Und ASML seinerseits ist angewiesen auf das deutsche Optik-Unternehmen Zeiss. Um das mit einer Zahl zu verdeutlichen: Allein der von Zeiss gelieferte Laser der modernsten Lithographiemaschine von ASML besteht aus beinahe 500’000 Einzelteilen. Kein Wunder, kostet die Maschine deutlich mehr als 100 Millionen Dollar.
Eine Chip-Fab ist daher zwangsläufig auf eine globale Lieferkette angewiesen. «In einer Industrie mit einer derart multinationalen Supply Chain und technischen Abhängigkeiten bleibt Selbstständigkeit eine Illusion», so Miller. «Das gilt auch für die USA, dem nach wie vor bedeutendsten Player auf dem Gebiet der Halbleiter.»
Die USA und China befinden sich beide in einer Chips-Falle. Für die amerikanischen Designer ist der chinesische Markt überlebenswichtig. Für Micron, eine führende Fab in den USA, ist es daher ein harter Schlag, wenn – wie soeben geschehen – die Chinesen ihnen schlagartig den Marktzugang sperren. Dort setzen sie rund ein Drittel ihrer Produktion ab.
Die Verbannung von Micron vom chinesischen Markt ist das jüngste Geplänkel im amerikanisch-chinesischen Chip War. Dieser Krieg hat sich in jüngster Zeit stetig verschärft und wird nicht nur für die Fabs, sondern auch für die Designer zu einem Problem. So warnt Jensen Huag, CEO von Nvidia, der aktuell wertvollsten Halbleiterfirma der USA, davor, die Chinesen vollständig von der Lieferung der fortschrittlichsten Chips auszuschliessen. «Wenn die Chinesen die amerikanischen Chips nicht mehr kaufen können, dann werden sie diese ganz einfach selbst herstellen», erklärte Huag gegenüber der «Financial Times». «Deshalb müssen die USA vorsichtig sein. China ist ein sehr wichtiger Markt für die Tech-Industrie.»
Umgekehrt wird jedoch auch ein Schuh draus. Obwohl sie fast unbegrenzt Geld in die Forschung investieren, können die Chinesen technisch noch nicht mit den Amerikanern mithalten. «Chinas Führer haben die Abhängigkeit von ausländischen Chip-Herstellern als kritische Verwundbarkeit ausgemacht», stellt Miller fest. «Deshalb wollen sie ausländische Chip-Hersteller aufkaufen und deren Technologie stehlen, und darum geben sie den eigenen Herstellern Millionen von Dollar als Subventionen.»
Taiwan spielt im Chip War eine zentrale Rolle. Mit TSMC befindet sich dort wie erwähnt die derzeit bedeutendste Fab. Daher zirkuliert immer wieder die These, dass China Taiwan auch deshalb erobern wolle, um in den Besitz von TSMC zu gelangen. Das ist Unsinn. Der physische Besitz der Fabriken allein würde China wenig nützen. Entscheidend sind die damit verbundenen globalen Lieferketten und das Knowhow der Ingenieure. Mit militärischer Gewalt kann man beides nicht erreichen. Tsai-Ing, Präsident von Taiwan, hat daher auch in «Foreign Affairs» festgehalten, dass die Chip-Industrie ein «Silikon-Schwert» sei, dass es Taiwan erlaube, sich vor aggressiven Übernahme-Gelüsten zu schützen.
Die Chip Wars sind die Folge der zunehmenden Entfremdung der beiden Supermächte. China will wie erwähnt mit aller Macht den technologischen Anschluss finden. Die USA ihrerseits wollen ihre Abhängigkeit vom chinesischen Markt verringern. Deshalb hat die Biden-Regierung ein Gesetz durch den Kongress geschleust, das der einheimischen Halbleiterindustrie mit 50 Milliarden Dollar unter die Arme greift. Teilweise mit Erfolg. So will TSMC auch in den USA eine Fab hochziehen und Apple hat soeben mit dem amerikanischen Hersteller Broadcom einen Liefervertrag in der Höhe von mehreren Milliarden Dollar abgeschlossen.
Keine der beiden Supermächte wird jedoch in absehbarer Zeit eine Halbleiter-Unabhängigkeit erreichen – und das ist gut so. Die gegenseitige Abhängigkeit ermöglicht auch die Option zur Kooperation. Beispielsweise die Möglichkeit, mit den Chips die drängendsten Fragen der Gegenwart wie den Klimawandel zu bekämpfen.
Sowas in Europa hochzuziehen, ist also erstmal von massiver staatlicher Unterstützung abhängig. Aber es ist bei uns zum Glück nur eine Geldfrage.
Technisch haben wir ja alles schon bei uns. Wie schon erwähnt ASML, Zeiss (Optik) und auch Trumpf (Laser) und diverse Maskenhersteller ist alles europäisch.
Die wenigsten haben eine Idee, wie unglaublich Aufwändig die Konstruktion dieser Maschinen der neusten Generation ist.