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FTX-Pleite: Das sind die drei wichtigsten Learnings (und ein Bonus)

Die drei wichtigsten Learnings des FTX-Groundings (und ein Bonus)

14.11.2022, 19:0815.11.2022, 20:23
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Not your keys, not your coins

Es ist der wichtigste Satz für Kryptobesitzer: «Nicht deine Schlüssel, nicht deine Münzen.» Konkret bedeutet das: Wer seine Investitionen nicht selbst verwaltet – und über seine eigenen Zugangsschlüssel verfügt –, ist nicht wirklich im Besitz seines Vermögens. Denn der Fall von FTX zeigt (erneut): Sind Kryptocoins bei einem Finanzdienstleister parkiert, kann der Zugang dazu willkürlich verweigert werden. Aktuell haben sämtliche FTX-Benutzer keinen Zugriff mehr auf ihre Coins.

Offenlegung der Interessensverbindung
Der Autor dieses Artikels besitzt verschiedene Kryptowährungen, darunter Ether und Bitcoin.

Konten bei zentralisierten Kryptobörsen wie FTX, Binance, Kraken oder Coinbase lohnen sich nur für aktive Händler (steuerpflichtig!). Alle, die in guten wie in schlechten Zeiten ihre Coins einfach nur halten (hodlen) wollen, sollten ihre Ersparnisse in ein eigenes Depot (Wallet) auf der Blockchain verschieben, auf das nur sie Zugriff haben. Anleitungen dazu gibt es im Internet zur Genüge. Im Prinzip reicht dafür ein Blatt Papier oder ein hervorragendes Gedächtnis.

FTX ist kein Einzelfall

FTX, so viel ist bereits klar, hat entgegen allen Versprechen im grossen Stil Kundenvermögen verspekuliert. Die Scherben des zerstörten Vertrauens müssen nun die verbliebenen Kryptohandelsplätze zusammenwischen. Sie versuchen das mit einer Transparenzoffensive. Einige Börsen schneiden sich dabei aber ins eigene Fleisch.

Crypto.com betonte kürzlich, sämtliche Nutzervermögen sicher und unangetastet zu verwalten. Bewegungen auf der Ethereum-Blockchain beweisen aber das Gegenteil. Am 21. Oktober wurden 320'000 Ether (380 Millionen Franken), 82 Prozent des gesamten Eth-Besitzes von Crypto.com, zu einer anderen Kryptobörse (Gate.io) verschoben. Es habe sich dabei um ein Versehen gehandelt, stellt Crypto.com-CEO Kris Marszalek auf Anfrage klar.

Interessanterweise unterzog sich Gate.io ausgerechnet Ende Oktober einer Buchprüfung. Kaum war diese vorbei, wurden 285'000 Eth zurück an Crypto.com überwiesen. Ein Schelm, wer glaubt, das kurzzeitig parkierte Vermögen sei dafür benutzt worden, die Bilanz zu schönen.

Auch die beliebte Börse Huobi hat offensichtlich mehrere Millionen Kundenvermögen auf FTX deponiert – und nun keinen Zugriff mehr darauf. Dies gibt die Firma mit Hauptquartier auf den Seychellen in einem offiziellen Statement zu.

Die beiden Fälle dürften erst die Spitze des Eisberges und die nächsten Tage weiter turbulent sein.

An der Grundprämisse von Kryptowährungen hat sich nichts geändert – im Gegenteil

Der FTX-Konkurs, so dramatisch er ist, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Ursprünglich war die Idee von Kryptowährungen, Vermögenswerte zu verwalten, ohne auf den Dienst eines zentralisierten Finanzdienstleisters angewiesen zu sein. Dies war und ist die Grundprämisse von Bitcoin. Wer seine Kryptos selbst verwaltet, braucht weder den Konkurs einer Bank noch eine unfaire oder unfähige Staatsgewalt zu fürchten.

Nun führt aber ausgerechnet die Pleite eines Finanzdienstleisters zu einer der grössten Krisen in der Kryptoszene. Erklärbar ist dieses Paradox nur mit der Ignoranz und der Gier diverser Akteure. Man kann nur hoffen, dass der Konkurs als Augenöffner dient und ein nachhaltiges Umdenken stattfindet.

Bonus: Die Kryptoszene ist aktuell eine komplette Shitshow

Der Politikwissenschafter Peter Mair entwickelte die Theorie, dass es für die Bewältigung der komplexen Problemfelder moderner Demokratien kompromissfähige und fachkundige Experten benötigt. Das Problem: Dieser Menschenschlag ist grossmehrheitlich kein Wahlkämpfer. Im Wahlkampf brillieren Populisten, denen wiederum das Rüstzeug fehlt, Lösungen für die komplexen Probleme zu finden.

Mairs Theorie kann man getrost auf die Kryptoszene anwenden.

Die Problemfelder sind extrem komplex. Für ihre Lösung benötigt es fachkundige Denker und Programmierer. Das Problem: Dieser Menschenschlag ist kein Marktschreier. Auf dem freien Markt brillieren die Quacksalber. Diese mehr oder weniger charismatischen Menschen versprechen mit ihren Projekten das Blaue vom Himmel – primär enorme Renditen. Tatsächliche Lösungen für ein Problem bieten sie nicht. Fliegt die Scharade nach einer Weile auf, wandert die geprellte Masse weiter zum nächsten Hype. Bis auch dieser in sich zusammenfällt.

Laut einer Studie aus dem Jahr 2018 waren 80 Prozent der im 2017er-Hype gegründeten Kryptoprojekte Betrug. Im 2021er-Hype dürfte dieser Anteil sogar noch gestiegen sein. Die Suche nach legitimen Projekten ist die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Und sie ist ein gefundenes Fressen für all die, die proklamieren, es gebe ohnehin nur ein einziges Projekt, das wirklich legitim sei.

Passt irgendwie zur Kryptoszene: Ratte tanzt zu Lady Gaga

Video: watson/twitter/gagadaily
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41 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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El Vals del Obrero
14.11.2022 19:38registriert Mai 2016
Egal worum es happened, aber mySprach empfinde'n findet so was wie "meine 'Learnings'" immer some stupid.
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MartinZH
14.11.2022 19:56registriert Mai 2019
"Learnings" des "Groundings" ... – "Headlines 2022" 🙈🙃
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goschi
14.11.2022 19:21registriert Januar 2014
das wichtigste Learning?

Cryptoshit ist nur für Scam gut
Entweder ist deine Cryptowährung direkt Scam oder sie wird benutzt für Scam
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