Gute alte Zeiten! In wenigen Jahren werden wir verwundert daran zurückdenken, wie wir einst mit Bargeld und Plastikkarten bezahlten.
Die Zukunft gehört dem Smartphone. So viel steht fest. Das Lieblingsgadget der Schweizerinnen und Schweizer, das schon heute auf Schritt und Tritt dabei ist, wird zum digitalen Portemonnaie.
Noch ungeklärt ist die Frage, auf welcher Technik das mobile Bezahlen basieren wird. Seit Jahren wird NFC als Favorit gehandelt. Das Kürzel steht für Near Field Communication und meint einen winzigen Chip, der das drahtlose Übertragen von Daten auf kurze Distanz ermöglicht.
NFC-Chips sind bereits in vielen Smartphones verbaut, die mit dem Google-System Android oder Windows Phone von Microsoft laufen. Hingegen hat Apple bislang bewusst auf NFC verzichtet. Laut Gerüchteküche könnte sich dies mit dem iPhone 6 ändern, das im Herbst herauskommt. Andere Fachleute vertreten hingegen die Meinung, dass Apple auf das angeblich ungeliebte NFC verzichten und eine eigene Lösung bevorzugen wird, die auf Bluetooth 4.0 und iBeacon basiert. In Kombination mit dem Fingerabdruck-Scanner ...
Doch zurück zur Swisscom. Nach zögerlichem Anlauf – sprich jahrelangem Experimentieren, Verhandeln hinter den Kulissen und Doch-noch-nicht-Lancieren – will der grösste Schweizer Provider nun offenbar einen mobilen Bezahldienst vorstellen, der auf NFC basiert.
Laut Ankündigung präsentieren Swisscom, Sunrise und Orange am 1. Juli die Bezahl-App Tapit («Tipp es an»). Das Projekt ist Chefsache, wie die am Montag verschickte Einladung an die Journalisten zeigt. Swisscom-Chef Urs Schaeppi wird gemeinsam mit Libor Voncina (CEO Sunrise) und Johan Andsjo (CEO Orange) auftreten und das «erste Schweizer Portemonnaie der Zukunft» vorstellen.
Neu soll es an der Kasse genügen, das Smartphone zu zücken, die Tapit-App aufzurufen und die Rechnung zu quittieren. Der Zahlungsverkehr wird drahtlos mit dem entsprechenden Terminal abgewickelt.
Das Projekt Tapit ist seit längerem in der Pipeline. Coop bestätigte letztes Jahr gegenüber der Handelszeitung eine Kooperation mit der Swisscom, bei der es um das kontaktlose Bezahlen per Mobiltelefon gehe. Als Starttermin wurde 2014 genannt. Dann wolle der Telekomkonzern auch neue SIM-Karten lancieren, auf denen die Zahlungsdetails der Plastikkarten gespeichert seien.
Laut Medienberichten lassen sich allerdings wie beim kontaktlosen Bezahlen mit der Kreditkarte nur Kleinbeträge bis zu 40 Franken per Knopfdruck begleichen. Darüber hinaus müsse nach wie vor ein PIN-Code am Zahlungsterminal eingegeben werden.
Neben Coop ist mit der Migros auch der grösste Player im Schweizer Detailhandel an Bord. Und auch die Kiosk-Betreiberin Valora ist dabei. Bis 2015 soll der gesamte Schweizer Detailhandel mit 120'000 Tapit-fähigen Terminals (sprich: Kassen) ausgerüstet sein.
Wie zu erwarten arbeiten nicht nur die Telekom-Anbieter fieberhaft am digitalen Portemonnaie. Im April kündigten die Kreditkartenfirma Mastercard und das auf Finanzdienstleistungen spezialisierte Unternehmen SIX Payment Services die Einführung von auf Ende 2014 an. Laut Mitteilung ( MasterPassPDF) handelt es sich um eine Bezahl-Plattform für zuhause und unterwegs, am Computer, Tablet oder Smartphone. Und offenbar handelt es sich dabei nicht um einen direkten Konkurrenten zur Tapit-App. Vielmehr soll MasterPass eine Dienstleistung sein, die von Unternehmen genutzt werden kann.
Der Internetkonzern Google hat bereits 2011 das mobile Bezahlsystem Google Wallet lanciert. Damit kann man online bezahlen, Geldbeträge übermitteln und empfangen. Der Service steht bislang allerdings nur in den USA zur Verfügung, wo das Bezahlen mit NFC bereits verbreitet ist. Europa hinkt diesbezüglich hinterher.
Dass Apple sich der NFC-Technik verweigert und auf den energiesparenden Standard Bluetooth 4.0 Low Energy (LE) setzt, könnte auch andere praktische Gründe haben. «Bluetooth LE bietet aus heutiger Sicht mehr Potenzial für die sogenannte Micro Location als NFC und könnte zum NFC-Killer werden», sagte der Chef des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft, Harald Summa, gegenüber heise.de. Bluetooth LE würde deutlich grössere Gebiete abdecken als NFC, das bestenfalls 20 Zentimeter weit reiche.
Summa: «Die Ausrüstung eines mittelgrossen Kaufhauses mit NFC würde rund 100'000 Euro kosten, die Ausstattung mit BLE etwa 5000 Euro, weil aufgrund der grösseren Reichweite viel weniger Funkstationen benötigt werden.» Den Nutzen habe auch der Kunde: Mit einem NFC-Handy müsse er beispielsweise zum Bezahlen ganz nah an eine Kasse herangehen, so dass eine Warteschlange entstünde.
Ein Analyst des Marktforschungsunternehmens ABI Research glaubt hingegen nicht, dass sich die Detailhändler zwischen NFC oder iBeacon von Apple entscheiden müssen. Vielmehr dürften die App-Nutzer die Wahl haben. Das wäre für einmal ganz im Sinne der Konsumenten, die an sicheren UND praktischen Lösungen interessiert sind.