Ein Benzin- oder Dieseltank ist in zwei Minuten voll, ein Wasserstofftank in vier Minuten. Wer ein grosses Elektroauto an einer normalen Steckdose lädt, wartet mehr als einen Tag, bis die Batterie geladen ist. Die Ladezeiten sind deshalb einer der Knackpunkte der Elektromobilität. Zumal die Reichweite von Elektroautos begrenzt ist.
Weltweit aufhorchen lassen hat deshalb der südkoreanische Autohersteller Hyundai, als er vor einem halben Jahr die 800-Volt-Architektur in seinen Autos vorgestellt hat. Und nun steht der Ioniq 5 von Hyundai mit 800 Volt zum Kauf bereit. Dank der 800-Volt-Technik ist das Aufladen der Batterie von 10 auf 80 Prozent in nur 18 Minuten möglich. Das ist immer noch länger als für eine Tankfüllung Benzin, aber immerhin.
Für das Nachladen von 100 Kilometern Reichweite sind an der Schnellladestation gerade mal 5 Minuten erforderlich. Mit der vollen Batterie soll der Hyundai 500 Kilometer weit kommen. «Neben Hyundai, bieten deren Schwestermarke Kia im EV6 sowie Audi im e-tron GT und Porsche im Taycan die 800-Volt-Technik an. Die Technik wurde von der Firma Rimac entwickelt und von beiden Herstellern Hyundai und VW, zu denen Audi und Porsche gehören, dort eingekauft», erklärt Christoph Wolnik vom Branchenverband auto-schweiz. Mit ein Grund warum diese Hersteller nun 800-Volt-Autos anbieten.
Die meisten Batterie-Elektrofahrzeuge tanken an Ladestationen, die 22 bis 55 kW leisten und deren Spannung zwischen 230 und 400 Volt liegt. Eine maximale Ladeleistung der Schnellladeinfrastruktur erreicht man aber mit der 800-Volt-Technologie. Allerdings muss dafür die ganze Ladeinfrastruktur an die höhere Stromspannung angepasst werden, damit an der Ladesäule mit mehr als 200 Ampere geladen werden kann. Das zeigt sich zum Beispiel an dickeren Kabel, die dank der grösseren Querschnitte besser gegen Wärme isolieren.
Gemäss Christoph Wolnik sind bereits sämtliche Ladestationen des Anbieters Ionity auf 800 Volt ausgelegt. Das sei auch ein Grund, weshalb Hyundai, Kia, Porsche und Audi an diesem Anbieter Anteile hielten. «Auch die Firma Fastned baut 300-kW-Lader mit 800-Volt-Technik auf. Zwei erste Schweizer Standorte an den Rastplätzen Suhr und Lenzburg an der A1 stehen bereits», sagt Wolnik. Und das Schweizer Unternehmen GoFast hat begonnen, erste Standorte auf 300 kW und 800 Volt aufzurüsten, zum Beispiel auf der A1-Raststätte Würenlos in Richtung Bern.
Die Infrastruktur für die 800-Volt-Technik wächst und deshalb sagt der bekannte deutsche Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffer:
Im Mainstream, also bei «den Brot-und-Butter-Autos» wie Dudenhöffer sagt, werde das nicht so schnell gehen, auch wenn Hyundai da nun vorprescht. Aber im Mainstream spielten Kosten und das Portemonnaie der Kunden doch eine stärkere Rolle als eine mögliche 800-Volt-Schnellladung, erklärt der Professor vom Center Automotive Research der Universität Duisburg.
Doch ist die 800-Volt-Technik wirklich so revolutionär und ein Elektrotreiber? «Porsche & Co glänzen ganz gerne beim Kunden mit Höchstleistungen. Und die Premiumkunden sind bereit, dafür auch den Preis zu bezahlen», sagt Dudenhöffer. Wie oft dann im Alltag mit 800 Volt geladen werde, sei eine andere Sache.
Die meisten werden an der Wall-Box zu Hause oder in der Firma laden. Und die wenigsten werden lange Strecken öfter mit Elektroautos fahren. «Es ist ein bisschen wie der Sportwagen mit Spitzengeschwindigkeit 300 km/h. Ausser in Deutschland kann man das ohnehin nirgends fahren. Aber in Amerika und in anderen Ländern kaufen das Menschen gerne, um vom Nachbar etwas bewundert zu werden. So sind wir halt als Menschen», sagt Dudenhöffer.
Nach Wolnik hat die 800-Volt-Technologie die Möglichkeit, den Ladestress zu entschärfen. Er hat selbst an einer Ionity-Schnellladestation einen Porsche Taycan mit 800 Volt geladen. «Man muss aufpassen, dass man mit einer WC-Pause und einem Café to Go nicht die Ladesäule blockiert, weil der Akku schon wieder bei 80 Prozent steht», sagt er lachend.
Ausgerechnet Tesla, bekannt für seine Sport-Premiumstromautos, setzt aber vorderhand nicht auf 800 Volt, sondern bleibt bei 400. Tesla will sich offiziell dazu auf Anfrage nicht äussern. Tesla hat ein eigenes Supercharger-System aufgebaut.
Von den neusten V3-Superchargern mit 250 kW gibt es allerdings erst wenige Ladesäulen, in der Schweiz etwa 20. Das Netz wird aber europaweit ausgebaut. Dort lädt man ein Model 3 und Model Y im Idealfall in rund 20 bis 25 Minuten von 10 auf 80 Prozent. Beim Typ 2 Supercharger von Tesla mit 150 kW Ladeleistung braucht man dafür rund 40 bis 45 Minuten.
Dudenhöffer denkt, dass Elon Musk derzeit die hohen Umrüstkosten scheue. «Es braucht ja auch entsprechende Zuleitungen. Das Ganze wird nicht ganz preisgünstig. Aber wenn Porsche & Co mit 800 Volt laden, muss sich Elon Musk was einfallen lassen. Einfach so weitermachen funktioniert bei ihm nicht», sagt Dudenhöffer.
Wolnik sagt, dass es weiterhin unterschiedliche technische Strategien geben werde. ABB hat soeben Ladesäulen vorgestellt, bei denen in 15 Minuten vollständig geladen werden kann und in drei Minuten 100 Kilometer Reichweite. Allerdings erst im nächsten Jahr. (aargauerzeitung.ch)
Wer sich auf Langstrecken so hetzen lässt, hat ganz andere Probleme, als die paar Minuten Unterschied zwischen 400V und 800V.
Vorteil von 800V sind die kabel Durchmesser -> Kupfer wird gespart und alle kabel sind leichter und beweglicher.