In der dänischen Politik ist Margrethe Vestager (47) ein fester Begriff. Die sozialliberale Politikerin hat der sozialdemokratischen Premierministerin Helle Thorning-Schmidt schmerzliche Kompromisse abgerungen und sich unerschrocken mit den mächtigen Gewerkschaften angelegt. Kein Wunder, wird sie die «Eiserne Lady von Dänemark» genannt. «Man kann Margrethe Vestager viel vorwerfen, aber nicht, dass sie Angst hätte», sagt Bo Lidegaard, Chefredaktor der Zeitung «Politiken».
Vestager, die vor über einem Jahr Joaquin Almunia als Wettbewerbskommissarin abgelöste, hat ihre Unerschrockenheit bereits unter Beweis gestellt und sich Google und Gazprom vorgeknöpft.
Unter ihrem Vorgänger hatten die Dossiers der beiden Konzerne Staub angesetzt. Jetzt kann es nicht schnell genug gehen: Innerhalb weniger Tage hat Vestager Verfahren gegen beide eingeleitet. Sie stehen im Verdacht, ihre Monopolstellung zulasten der Konsumenten missbraucht zu haben. Die resolute Dänin sieht sich selbst nicht als Powerfrau: «Was ich tue, hat nichts mit Härte zu tun», sagt sie in einem Interview mit der «New York Times». «Für die Konsumenten ist es jedoch von grosser Bedeutung, dass der Wettbewerb fair und offen ist, und mein Job besteht darin, dafür zu sorgen.»
Im Fall von Google hat Vestager einem jahrelangen Zaudern ein Ende gesetzt. Als sie in Brüssel angekommen sei, habe sie das Dossier angeschaut und sei zum Schluss gekommen, dass sich ein Verfahren lohne, sagt sie nüchtern. «Es liegt in meiner Verantwortung, dass etwas geschieht», sagt sie.
Jetzt nimmt sie erstmals auch das Kerngeschäft mit Onlinewerbung ins Visier und erhöht damit den Druck auf den Internetgiganten. Der Vorwurf lautet auf unfairen Wettbewerb. Unter anderem schränke Google die Möglichkeiten von Unternehmen ein, auf ihren Websites Suchmaschinenwerbung von Google-Konkurrenten anzuzeigen.
«Dies schränkt die Auswahl für die Konsumenten ein und verhindert Innovation», kritisierte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager Google am Donnerstag in Brüssel.
Es ist der dritte Bereich, in dem die Kommission Google in einem sogenannten «Statement of Objections» unfairen Wettbewerb vorwirft und Änderungen fordert. In den ersten beiden Verfahren, die auf diese Eskalationsstufe kamen, geht es um Shopping-Angebote und das weltweit dominierende Betriebssystem Android.
Margrethe Vestager: antitrust enforcer and accomplished knitter! http://t.co/s3VqDcaHlZ via @nytimes pic.twitter.com/sLVClc6I2E
— Lion Brand Yarn (@LionBrandYarn) April 21, 2015
Bei Gazprom geht es nicht nur um Geld, sondern auch um Politik. Eigentlich wollte die EU schon lange gegen den russischen Energiekonzern vorgehen, verzichtete aber wegen der Ukrainekrise darauf. Das politische Risiko besteht nach wie vor – der russische Präsident Wladimir Putin protestiert bereits lauthals gegen das Verfahren. Im Westen jedoch wird die Dänin gelobt. «Trotz aller Risiken hat Frau Vestager vollkommen Recht, wenn sie jetzt handelt», schreibt etwa die «Financial Times».
Mit Margarethe Vestager ist ein neuer Sheriff in die Stadt gezogen, einer, der aufräumen will. Vestagen schiesst nicht aus der Hüfte und hat auch keinen Revolver. Sie setzt auf Stoffelefanten, die sie während langen Sitzungen selbst strickt und an Freunde und Feinde verteilt. «Elefanten sind nicht nachtragend», sagt Vestagen, «aber sie vergessen auch nichts.»