Schweiz
Mobilität

Neue Tunnelröhren: Bürgerliche fordern Autobahnausbau

Blick auf den Rosenbergtunnel der Autobahn A1 und die St. Galler Kantonalbankhalle der Olma, aufgenommen am Mittwoch, 11. September 2024, in St. Gallen. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Blick auf den Rosenbergtunnel der Autobahn A1 in St.Gallen. Bürgerliche Kräfte fordern eine dritte Röhre.Bild: keystone

Das Volk sagte Nein zu neuen Tunnelröhren – bürgerliche Kräfte geben keine Ruhe

Die Schweizer Stimmbevölkerung hat im November 2024 den Ausbau der Nationalstrassen abgelehnt. Doch das bürgerliche Lager plant schon den nächsten Vorstoss. Vor allem in der Ostschweiz regt sich Widerstand gegen das Nein – mit konkreten Forderungen.
24.07.2025, 07:0924.07.2025, 16:29
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Im vergangenen Herbst hat das Schweizer Stimmvolk ein Zeichen gesetzt: Der sogenannte «Ausbauschritt 2023» für die Nationalstrassen wurde mit 52,7 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Die Vorlage umfasste sechs Ausbauprojekte – unter anderem neue Tunnelröhren in St. Gallen, Schaffhausen und Basel. Doch die Debatte scheint nicht abgeschlossen.

Das Nein sei ein Fehler – insbesondere für Randregionen, die auf eine bessere Verkehrsanbindung angewiesen seien, so der Tenor von FDP und SVP. Die Rechnung der Befürworter: Mehr Verkehr führt zu mehr Stau, und der kostet – nach Angaben des Bundes – jährlich über 48'000 Stunden und Millionenbeträge.

Ostschweiz: Bürgerliche Allianz will neue Röhre

Eine Gruppe bürgerlicher Politiker ist überzeugt, ohne eine dritte Tunnelröhre droht St.Gallen das Verkehrschaos. Während der Sanierung würden sonst täglich rund 40'000 Autos durch die Stadt rollen – eine Belastung, die aus Sicht von FDP-Kantonsrat Oskar Seger «weder der Bevölkerung noch der Wirtschaft zugemutet werden kann», wie er gegenüber SRF sagt.

«Dieser Ausweichverkehr wäre unerträglich für die Bevölkerung und die Wirtschaft.»
Oskar Seger, FDP-Kantonsrat St.Gallen

In der gesamten Ostschweiz machen FDP, SVP und die Mitte nun gemeinsame Sache. Neben dem Projekt in St.Gallen haben sie auch den Fäsenstaub-Tunnel in Schaffhausen im Visier, der ebenfalls vor einer umfassenden Sanierung steht. Um den Verkehr während der Bauzeit zu entlasten, fordern die Bürgerlichen auch dort eine zweite Röhre. Dafür haben sie in allen fünf Ostschweizer Kantonen Standesinitiativen eingereicht.

Ziel ist es, die entscheidenden Bauprojekte trotz Volksentscheid weiterzuverfolgen – notfalls einzeln. Dabei steht besonders der Rosenbergtunnel im Fokus.

In St.Gallen, dem Thurgau und Schaffhausen haben die Kantonsparlamente diese bereits ans eidgenössische Parlament überwiesen. In den beiden Appenzell dürfte die Zustimmung zu den Standesinitiativen im Herbst erfolgen.

Kritik von links

Auf der linken Seite kommt das bürgerliche Vorpreschen nicht gut an. Aline Trede, Fraktionspräsidentin der Grünen, hält wenig vom Argument, dass neue Strassen den Verkehr entlasten würden. «Das stimmt einfach nicht. Statistisch ist erwiesen, dass es mehr Verkehr gibt, wenn man mehr Strassen und Tunnel baut, und das wollen wir einfach nicht», so Trede gegenüber SRF.

«Es ist demokratiepolitisch ein Problem, wenn man jetzt versucht, die Hälfte der Ausbauprojekte, die das Stimmvolk im November abgelehnt hat, auf einem anderen Weg zu realisieren.»
Aline Trede, Fraktionspräsidentin Grüne
Aline Trede, GP-BE, Fraktionschefin der Gruenen spricht ueber die Hearings der Bundesratskandidaten mit der Fraktion der Gruenen, am Rand der Fruehjahrssession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, ...
Für die Fraktionspräsidentin der Grünen wäre der Autobahnausbau ein demokratiepolitisches Problem.Bild: keystone

Was die Linke zusätzlich ärgert: Noch kein Jahr ist vergangen, seit das Stimmvolk den Autobahnausbau – und damit auch die drei Tunnelprojekte – an der Urne abgelehnt hat. «Es ist demokratiepolitisch ein Problem, wenn man jetzt versucht, die Hälfte der Ausbauprojekte, die das Stimmvolk im November abgelehnt hat, auf einem anderen Weg zu realisieren.»

FDP-Kantonsrat Oskar Seger widerspricht: Die Vorlage sei damals ein Gesamtpaket aus sechs Projekten gewesen – und nicht jede Region habe gleich abgestimmt. Aus Sicht der Ostschweizer sei es deshalb legitim, jetzt für die Umsetzung ihrer Tunnelprojekte einzustehen.

Auch Bundesrat Rösti zeigt sich offen. An einem öffentlichen Auftritt signalisierte er Sympathie für die Idee, einzelne Tunnelpläne erneut zu prüfen: «Bei den Tunnelprojekten haben wir die grössten Engpässe. Wir realisieren Tunnelprojekte häufig auch, um die Resilienz der bestehenden Tunnel zu stärken», so Rösti.

Damit liegt der Ball nun wieder bei National- und Ständerat. Und es ist gut möglich, dass am Ende erneut das Volk über einzelne Projekte entscheiden muss.

(les)

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267 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Abies Alba
24.07.2025 07:52registriert September 2021
Das Projekt in SG ist wirtschaftlich gerechnet ein Unsinn: die dritte Röhre in SG kostet alleine knapp eine halbe Milliarde; die Stadtbevölkerung hat klar nein gestimmt, und in den letzten Jahren hat die Verkehrsmenge auf dem Abschnitt der A1 abgenommen (Stand auch in der NZZ, welch grundsätzlich damals pro Ausbau war).
Hier wollen offensichtlich Autolobbyisten resp. Strassenausbauaktivisten der Beton- und Asphaltbranche Aufträge zuschanzen.
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En Espresso bitte
24.07.2025 08:02registriert Januar 2019
Das Problem beim Rosenbergtunnel ist ja vor allem, dass sich unmittelbar vor und nach diesem die beiden grössten Autobahnzufahrten in die Stadt St. Gallen befinden. Eine dritte Röhre Autobahn heisst demnach totaler Verkehrskollaps in der Stadt - und vermutlich Folgeforderungen der Bürgerlichen nach einem Riesenausbau der Autoinfrastruktur in der Stadt, damit der wachsende Autobahnverkehr gebodigt werden kann.

Rattenschwanz Rosenberg? Nein, danke.
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Beyeler
24.07.2025 07:42registriert Oktober 2016
Herzlich willkommen in der vielgelobten und geschätzten direkten Demokratie (zumindest so lange einem der Entscheid des Volkes passt. Ansonsten versucht man halt seine Anliegen irgendwie anders durchzubringen...)

Ironie beiseite: Ich bin grundsätzlich sehr froh um unsere direkte Demokratie und die Mitbestimmungsmöglichkeit direkt durch das Volk. Allerdings hinterlassen solche Artikel & News einen faden Beigeschmack. Zudem kommt es mir so vor, als würde dies immer häufiger vorkommen (rein anekdotisch & gefühlsmässig, dafür habe ich keine Zahlen)
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