Im vergangenen Herbst hat das Schweizer Stimmvolk ein Zeichen gesetzt: Der sogenannte «Ausbauschritt 2023» für die Nationalstrassen wurde mit 52,7 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Die Vorlage umfasste sechs Ausbauprojekte – unter anderem neue Tunnelröhren in St. Gallen, Schaffhausen und Basel. Doch die Debatte scheint nicht abgeschlossen.
Das Nein sei ein Fehler – insbesondere für Randregionen, die auf eine bessere Verkehrsanbindung angewiesen seien, so der Tenor von FDP und SVP. Die Rechnung der Befürworter: Mehr Verkehr führt zu mehr Stau, und der kostet – nach Angaben des Bundes – jährlich über 48'000 Stunden und Millionenbeträge.
Eine Gruppe bürgerlicher Politiker ist überzeugt, ohne eine dritte Tunnelröhre droht St.Gallen das Verkehrschaos. Während der Sanierung würden sonst täglich rund 40'000 Autos durch die Stadt rollen – eine Belastung, die aus Sicht von FDP-Kantonsrat Oskar Seger «weder der Bevölkerung noch der Wirtschaft zugemutet werden kann», wie er gegenüber SRF sagt.
In der gesamten Ostschweiz machen FDP, SVP und die Mitte nun gemeinsame Sache. Neben dem Projekt in St.Gallen haben sie auch den Fäsenstaub-Tunnel in Schaffhausen im Visier, der ebenfalls vor einer umfassenden Sanierung steht. Um den Verkehr während der Bauzeit zu entlasten, fordern die Bürgerlichen auch dort eine zweite Röhre. Dafür haben sie in allen fünf Ostschweizer Kantonen Standesinitiativen eingereicht.
Ziel ist es, die entscheidenden Bauprojekte trotz Volksentscheid weiterzuverfolgen – notfalls einzeln. Dabei steht besonders der Rosenbergtunnel im Fokus.
In St.Gallen, dem Thurgau und Schaffhausen haben die Kantonsparlamente diese bereits ans eidgenössische Parlament überwiesen. In den beiden Appenzell dürfte die Zustimmung zu den Standesinitiativen im Herbst erfolgen.
Auf der linken Seite kommt das bürgerliche Vorpreschen nicht gut an. Aline Trede, Fraktionspräsidentin der Grünen, hält wenig vom Argument, dass neue Strassen den Verkehr entlasten würden. «Das stimmt einfach nicht. Statistisch ist erwiesen, dass es mehr Verkehr gibt, wenn man mehr Strassen und Tunnel baut, und das wollen wir einfach nicht», so Trede gegenüber SRF.
Was die Linke zusätzlich ärgert: Noch kein Jahr ist vergangen, seit das Stimmvolk den Autobahnausbau – und damit auch die drei Tunnelprojekte – an der Urne abgelehnt hat. «Es ist demokratiepolitisch ein Problem, wenn man jetzt versucht, die Hälfte der Ausbauprojekte, die das Stimmvolk im November abgelehnt hat, auf einem anderen Weg zu realisieren.»
FDP-Kantonsrat Oskar Seger widerspricht: Die Vorlage sei damals ein Gesamtpaket aus sechs Projekten gewesen – und nicht jede Region habe gleich abgestimmt. Aus Sicht der Ostschweizer sei es deshalb legitim, jetzt für die Umsetzung ihrer Tunnelprojekte einzustehen.
Auch Bundesrat Rösti zeigt sich offen. An einem öffentlichen Auftritt signalisierte er Sympathie für die Idee, einzelne Tunnelpläne erneut zu prüfen: «Bei den Tunnelprojekten haben wir die grössten Engpässe. Wir realisieren Tunnelprojekte häufig auch, um die Resilienz der bestehenden Tunnel zu stärken», so Rösti.
Damit liegt der Ball nun wieder bei National- und Ständerat. Und es ist gut möglich, dass am Ende erneut das Volk über einzelne Projekte entscheiden muss.
(les)
Hier wollen offensichtlich Autolobbyisten resp. Strassenausbauaktivisten der Beton- und Asphaltbranche Aufträge zuschanzen.
Rattenschwanz Rosenberg? Nein, danke.
Ironie beiseite: Ich bin grundsätzlich sehr froh um unsere direkte Demokratie und die Mitbestimmungsmöglichkeit direkt durch das Volk. Allerdings hinterlassen solche Artikel & News einen faden Beigeschmack. Zudem kommt es mir so vor, als würde dies immer häufiger vorkommen (rein anekdotisch & gefühlsmässig, dafür habe ich keine Zahlen)