Wirtschaft
Fashion

Zara: So viel verdient der Händler an einem Pulli und so wenig die Näherin

Null Respekt vor Näherinnen? Modehändler Zara am Pranger

Die Schweizer Organisation Public Eye erhebt Vorwürfe gegen den Zara-Mutterkonzern Inditex. Der Modegigant wehrt sich.
21.11.2019, 05:3321.11.2019, 09:55
Fabian Hock / ch media
Mehr «Wirtschaft»
FILE - In this Friday, Nov. 3, 2017 file photo, people exit and a branch of fashion retailer Zara in an upscale Istanbul neighbourhood. Zara said Monday, Nov. 6, 2017, it is working on establishing a  ...
Public Eye kritisiert den Umgang des Moderiesen mit den Zulieferern.Bild: AP/AP

«Respect» prangt in weissen Lettern auf dem schwarzen Kapuzenpulli des Modehändlers Zara. Ausgerechnet, möchte man sagen. Denn laut der Organisation Public Eye hat die Herstellung des Kleidungsstücks wenig mit Respekt vor Zulieferern und Produzenten zu tun.

Laut einem gestern veröffentlichten Bericht würden Arbeiter in der Türkei, wo der Zara-Mutterkonzern Inditex die Pullis herstellen lässt, mit Hungerlöhnen abgespeist. Sie bezahlten für «den massiven Preisdruck, den der Modekonzern auf seine Zulieferer ausübt».

Public Eye hat in der türkischen Hafenstadt Izmir recherchiert und zusammen mit Partnern eine Schätzung aufgestellt. Demnach verdient der Mode­gigant Inditex an jedem Kleidungsstück doppelt so viel wie sämtliche in der Herstellung involvierten Personen zusammen.

So bekäme eine mit der Herstellung von 20'000 Kapuzenpullis beauftragte Fabrik pro Stück umgerechnet knapp 1.80 Franken – bei einem Verkaufspreis in der Schweiz von je 45.90. Die Druckerei «dürfte gerade mal rund 10 Rappen pro Print erhalten haben», heisst es in Bericht.

«Angesichts solcher Tiefstpreise bleibt den Fabrikbesitzern als Ausweg nur, ihrem ­Personal weniger zu zahlen, als dieses verdienen müsste, oder es länger arbeiten zu lassen, als es sollte.»
Public Eye

Mindestlohn ist nicht gleich Existenzlohn

Wie viel die Arbeiter in Izmir verdienen, liess sich nicht exakt herausfinden. Public Eye wurde laut eigener Aussage von Löhnen zwischen umgerechnet 340 und 420 Franken berichtet. In dieser Höhe bewegt sich auch der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn vor Ort.

Public Eye weist indes darauf hin, dass gerade die Textilbranche zwischen örtlichen Mindestlöhnen und dem sogenannten Existenzlohn unterscheidet. Der zum Leben notwendige Betrag läge laut der «Clean Clothes Campaign» bei über 1000 Franken. Dabei ­stehe im Verhaltenskodex von Inditex, dass ihre Zulieferer ­Gehälter zahlen sollen, die reichen, um die Grundbedürfnisse der Arbeitnehmer und ihrer ­Familien zu decken, kritisiert Public Eye.

Aber auch gegen rechtliche Vorgaben werde verstossen, heisst es in dem Bericht: «In einer der von uns besuchten Fabriken lief die Produktion offenbar rund um die Uhr.» Folglich dürfte auch nachts zwölf Stunden gearbeitet werden, «was dem türkischen Gesetz widersprechen würde».

Der Bericht, den Public Eye als «Faktencheck» anpreist, beruht indes zu grossen Teilen auf Schätzungen. Dies, weil Inditex konkrete Zahlen zu Kosten und Verdienst unter Verschluss hält. Auch auf wiederholte Nachfrage dieser Zeitung hielt sich der weltgrösste Hersteller von sogenannter Fast-Fashion – also schnell wechselnden Kollektionen – mit konkreten Angaben zurück.

Nur so viel: Der Beschaffungspreis liege «weit über dem im Bericht spekulativ verwendeten Preis». Die Berechnungen von Public Eye seien unbegründet, die Schlussfolgerungen «ungenau und irreführend».

Die Löhne der Arbeiter lägen vielmehr über dem ortsüblichen Mindestlohn. Für existenzsichernde Löhne setze sich Inditex zwar nach wie vor ein. Fabriken arbeiteten aber für gewöhnlich nicht ausschliesslich für eine einzige Marke. Um Fortschritte zu erzielen, müsste die gesamte Branche zusammenarbeiten.

Public Eye meint derweil, dass existenzsichernde Löhne für die Arbeiter in der Türkei ohne grosse Schmerzen garantiert werden könnten: Inditex müsste den beteiligten Fabriken lediglich 4.19 statt wie bisher 2.40 Franken pro Pulli überlassen. Schon wäre der Respekt wiederhergestellt. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Hochpreisinsel Schweiz am Beispiel von Zara
1 / 9
Hochpreisinsel Schweiz am Beispiel von Zara
ZARA Top mit Hahnentrittmuster und Steppnaht an der Taille kostet in Deutschland 60 Franken, in der Schweiz 79.90 Franken.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Wir kaufen immer mehr Kleider und Abfallberge werden grösser
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
19 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
oliopetrolio
21.11.2019 08:04registriert April 2015
Absolut widerlich! Erst recht wenn man bedenkt, dass der Boss dieses Unternehmen mit 78 Mia. Vermögen zu den fünf reichsten Menschen der Welt gehört.
Die Ausbeutung von Arbeitern zieht sich durch alle Sparten. Auch beim Bau des Zara an der Bahnhofstrasse in Zürich wurden Hungerlöhne an die Bauarbeiter bezahlt was zu einem Baustopp durch die Behörde führte.
Aber weder das oben aufgeführte, noch dieser gute Bericht von Watson werden das Konsumverhalten verändern. Zu geil ist der Geiz...
200
Melden
Zum Kommentar
19
Die Warnungen häufen sich: Wegen Putins Geisterschiffen droht eine Katastrophe
Weil der Kreml seeuntüchtige Tanker einsetzt, häufen sich die Warnungen vor einer verheerenden Ölpest in und um Europa. Damit nicht genug, dürften drohende immense Schäden nicht gedeckt sein.

Der schwedische Aussenminister wählte diese Woche gegenüber dem «Guardian» deutliche Worte. Russland scheine bereit zu sein, eine «Umweltverwüstung» anzurichten, indem es seeuntüchtige Öltanker unter Verstoss gegen alle Verkehrsvorschriften durch die Ostsee fahren lasse.

Zur Story