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«Es gibt keine politische Unterstützung mehr für diese Verhandlungen», sagt Matthias Fekl, der für den TTIP zuständige französische Aussenhandelsstaatssekretär. Sigmar Gabriel, der deutsche Wirtschaftsminister und SPD-Chef, hat am Sonntag im ZDF den transatlantischen Freihandelsvertrag für «de facto gescheitert» erklärt, da die amerikanischen Forderungen für die Europäer nicht akzeptabel seien.
Auf der anderen Seite des Atlantiks ist der TTIP ebenfalls äusserst unbeliebt. Sowohl Hillary Clinton aus auch Donald Trump wollen nichts mehr vom Freihandelsabkommen wissen. Auch führende Ökonomen wie die beiden Nobelpreisträger Paul Krugman und Joseph Stiglitz sowie der Handelsspezialist Dani Rodrik gehen auf Distanz.
Ursprünglich hätte mit der so genannten Doha-Runde der freie Welthandel im Rahmen der Welthandelsorganisation, der WTO, ausgebaut werden sollen. Die Doha-Runde scheiterte am Widerstand der Schwellenländer, vor allem an Indien. Der TPP – das geplante Abkommen zwischen den USA und Asien – hätte zusammen mit dem TTIP diese Lücke zumindest teilweise schliessen sollen. Auch dieser wird immer unwahrscheinlicher.
Widerstand gegen Freihandelsabkommen gibt es nicht nur in den Schwellenländern. Selbst bei den Gewinnern der Globalisierung, etwa beim Exportweltmeister Deutschland, will die Mehrheit der Bevölkerung nichts von TTIP wissen. Und in der Schweiz werden die bilateralen Verträge mit der EU zunehmend in Frage gestellt, nicht nur bei der SVP.
Was sind die Gründe für die Freihandels-Müdigkeit? «Die Hyperglobalisierung hat systematisch die Kapitalgeber gegenüber den Arbeitnehmern bevorteilt», stellt der britische Politologe Martin Jacques im «Guardian» fest. «Die bei grösster Geheimhaltung ausgehandelten Freihandelsabkommen TTIP und TPP sind dafür nur die letzten Beispiele.»
Für Jacques ist das Scheitern der Freihandelsverträge kein Zufall. «Wir werden Zeugen vom Ende der neoliberalen Ära. Sie ist noch nicht vorbei, befindet sich aber im Todeskampf, ähnlich wie die sozialdemokratische Ära in den Siebzigerjahren.»
Ausgelöst wurde der Niedergang des Neoliberalismus durch die Finanzkrise, die schlimmste Wirtschaftskrise seit den Dreissigerjahren. Zunächst schien sie keine direkten Folgen zu zeigen. Die Banken wurden von den Steuerzahlern gerettet und die Finanzmärkte mit billigem Geld der Zentralbanken geflutet. Eine Depression konnte so vermieden werden.
Zugenommen hat jedoch die soziale Ungleichheit, und zwar nicht nur in den USA. Marcel Fratzscher, Leiter des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, stellt in seinem jüngsten Buch «Verteilungskampf» fest, dass sie in Deutschland beinahe amerikanische Ausmasse erreicht hat.
«Die Ungleichheit von heute könnte die Katastrophe von morgen werden», warnt deshalb der Nobelpreisträger und Ökonom Robert Shiller in der «New York Times». Die Ungleichheit, so Shillers, sei ein Albtraum geworden und wir seien zu schlecht ausgerüstet, um sie wirksam zu bekämpfen.
Bürgerliche Parteien waren lange die Garanten für Freihandel und offene Grenzen. Angesichts des wachsenden Widerstandes hat sich dies geändert. Donald Trump lässt sich zusammen mit Nigel Farage ablichten, der treibenden Kraft hinter dem Brexit. Der Brexit ist bereits ein Symbol der Revolte gegen den Neoliberalismus geworden.
Bei der neuen Rechten in den USA, der Alt-right-Bewegung, ist der Neoliberalismus genauso verpönt wie bei den Linken. Traditionelle Politiker wie Jeb Bush werden verhöhnt, tiefe Steuern und Freihandel zu Nebensächlichkeiten erklärt. In Frankreich setzt der Front National ebenfalls auf Protektionismus und Nationalismus. Der Neoliberalismus ist nicht nur ein untaugliches Wirtschaftssystem geworden. Er wird zur Schicksalsfrage der bürgerlich-liberalen Parteien.