Watch: my interview with Peter Oborne on why he resigned from the Telegraph @channel4news https://t.co/QepZlmFVYl pic.twitter.com/gHr7uOuW60
— Jon Snow (@jonsnowC4) 17. Februar 2015
Als Peter Oborne im letzten Jahr seine Kündigung einreichte, dachte er an einen leisen Abgang. Seinem gebeutelten Arbeitgeber, der britischen Tageszeitung «Daily Telegraph», wollte er insbesondere mit Rücksicht auf seine Kollegen nicht schaden.
Er hatte sich mental schon auf die «verführerische Aussicht auf mehrere Monate bezahlten Gartenurlaub» eingestellt. Doch das habe sich am vergangenen Montag schlagartig geändert, schreibt der abtretende Chefkommentator in einem Beitrag, der am Dienstag auf dem Portal Opendemocracy veröffentlicht wurde. Und dieser hat es in sich.
Why I have resigned from the Daily Telegraph: https://t.co/dgqWwfo9LC
— Peter Oborne (@OborneTweets) 17. Februar 2015
Oborne zeichnet darin nicht nur die wirtschaftlichen Einbusse bei der Zeitung seit 2010 nach, er kritisiert auch die Schröpfkur des Unternehmens und die Klick-Kultur, die mit dem neuen Chefredaktor Einzug gehalten habe. Als Beispiel für letzteres führte er die Falschmeldung einer Frau mit drei Brüsten auf, die vom «Telegraph» – angeblich wider besseres Wissen – zwecks Klicksteigerung publiziert worden sei.
'Misery of menopause can last for 14 years' - Wednesday's Telegraph front page #tomorrowspaperstoday pic.twitter.com/CHDiIOiusR
— The Telegraph (@Telegraph) 17. Februar 2015
Doch das Fass zum Überlaufen gebracht hätten die Enthüllungen über die Praktiken der Grossbank HSBC in der Schweiz von vergangener Woche. «Alle Zeitungen merkten plötzlich, dass das eine grosse Sache ist», schreibt Oborne. Doch um die Berichterstattung beim «Telegraph» zu finden, hätte man «ein Mikroskop gebraucht». Erst als bekannt wurde, dass vom Skandal womöglich Personen mit Verbindungen zur Labour Partei betroffen sein könnten, stieg auch der «Telegraph» gross in die Geschichte ein.
Oborne grub in der Folge tiefer und fand heraus, dass zwischen seinem Arbeitgeber und der HSBC etwas nicht koscher sein könne. Dass er sich nun entgegen seiner ursprünglichen Pläne öffentlich gegen den «Telegraph» wende, habe zwei Gründe.
Erstens fürchte er um die Zukunft der Zeitung, die er als wichtig für die britische Gesellschaft erachte. Die Leserschaft habe Anrecht auf die Wahrheit. «Die Berichterstattung über den HSBC-Skandal kommt der Form eines Betrugs an den Lesern gleich», schreibt Oborne.
Zweitens gehe es um die Rolle der Medien im Allgemeinen. Deren Aufgabe sei es nicht bloss zu unterhalten, sondern auch sich nicht politischer Macht, grossen Unternehmen und reichen Menschen zu unterwerfen.
Wie Oborne darlegt, hatte der «Telegraph» bereits 2012 mehrere Geschichten über HSBC-Konten in Jersey veröffentlicht. In der Folge seien die Reporter aufgefordert worden, sämtliche Unterlagen zu vernichten, die im Zusammenhang mit den Recherchen standen. Anwälte der Zeitungsbesitzer, der Barclay-Gebrüder, hätten sich damals der Sache angenommen. Wieso, darüber schweigt sich der «Telegraph» heute aus.
Doch HSBC hatte offenbar aufgehört, in der Zeitung Werbung zu platzieren. Man könne es sich buchstäblich nicht leisten, einen Inserenten wie HSBC zu verärgern, zitiert Oborne einen gut informierten Insider. Ab Anfang 2013 wurden kritische Meldungen zur Bank nicht mehr gerne gesehen. Geldwäscherei-Geschichten wurden verworfen. Die HSBC als Werbekunden zurückzugewinnen war oberste Priorität. Und in der Tat war der Inserateboykott nach rund zwölf Monaten zu Ende.
Die Zeitung kritisierte auf Anfrage die Anschuldigungen ihres Mitarbeiters als «ungenau». Daher sehe man davon ab, auf die Fragen zu antworten. Geschäftsbeziehungen würden im allgemeinen nicht kommentiert. Die Abgrenzung zwischen Werbung und redaktionellem Inhalt sei jedoch stets fundamental gewesen. «Jeder Behauptung des Gegenteils widersprechen wir klar.» (kad)