Der 27. Januar 2021 könnte dereinst als historisch eingestuft werden, als Wendepunkt in der leidvollen Geschichte gegen die Klimaerwärmung. Joe Biden stellte an diesem Tag vor, wie er diesen Kampf zu gewinnen gedenkt. Der Präsident übertraf dabei alle Erwartungen.
Konkret zählte er auf: Erneuerbare Energie soll gefördert, Bundesland für Öl- und Gasbohrungen geschlossen werden. Die Bundesregierung wird im grossen Stil elektrische Autos für den Eigengebrauch erwerben. Das Justiz-, das Umwelt- und das Energiedepartement werden mit weitgehenden Kompetenzen ausgestattet, so dass sie in der Lage sind, «Umweltgerechtigkeit» durchzusetzen.
Ferner kündete Biden an, dass das Verteidigungsministerium dem Klimawandel oberste Priorität bezüglich nationaler Sicherheit einräumen werde. Zuvor schon hatte der Präsident erklärt, die USA würden dem Pariser Klimaabkommen wieder beitreten. Gleichzeitig hatte er mittels eines präsidialen Erlasses den Weiterbau der umstrittenen Pipeline Keystone XL gestoppt.
Selbst langjährige Umweltschützer wurden vom Tempo des Präsidenten überrascht. Mike Brune, Direktor der Umweltorganisation Sierra Club, erklärte gegenüber dem Magazin «Rolling Stone»:
An die Adresse der Investoren machte Biden auch mehr als deutlich, dass sie besser die Finger von Anlagen in fossile Brennstoffe lassen sollten. «Kohle, Öl und Gas sind Vergangenheit, nicht die Zukunft», schreibt dazu der «New Yorker». «Natürlich sind sie – zumindest noch vorläufig – auch die Gegenwart. Aber man verdient kein Geld, wenn man auf die Gegenwart setzt.»
Noch vor kurzem wäre ein solches Programm mit einem wütenden Aufschrei der Business-Gemeinde beantwortet worden. Diesmal protestiert kaum jemand. Im Gegenteil, es herrscht Partystimmung. So jubelt etwa Burkhard Varnholt, Chief Investment Officer bei der CS, in seinem jüngsten Wochenbericht:
Stolz verweist Varnholt dabei auf die Performance seiner Bank:
Bidens Pläne sind nicht nur ehrgeizig, sie stehen auch auf einem soliden finanziellen Fundament. Zu den rund 3,5 Billionen Dollar, die bereits unter Trump vom Kongress verabschiedet wurden, sollen sich noch 1,9 Billionen Dollar für den «American Rescue Plan» und 2 Billionen Dollar für einen «Green New Deal» gesellen, auch wenn Biden diesen Begriff meidet.
Meiden wird Biden auch die List seiner politischen Gegner. Als Barack Obama 2009 seine Amtszeit antrat, wollte er ebenfalls der Wirtschaft mit einem massiven Hilfsprogramm unter die Arme greifen. Die Republikaner verhinderten dies, indem sie ihn mit Zusagen hinhielten, um ihn dann im letzten Moment ins Leere laufen zu lassen. Das Hilfsprogramm fiel zu mickrig aus, die Wirtschaft erholte sich nur schleppend.
Ein zweites Mal wird den Republikanern dieser Trick nicht gelingen. Biden, aber auch Nancy Pelosi und Chuck Schumer, die demokratischen Mehrheitsführer in den beiden Kammern, haben klar gemacht, dass sie diesmal nicht nur wild entschlossen sind, diese beiden Programme durch den Kongress zu peitschen, sondern dass sie auch die Möglichkeit dazu haben.
Dank dem «Reconciliation-Verfahren» (fragt nicht), können sie die beiden Gesetzesvorlagen durchdrücken, ohne von einem «Filibuster» (fragt ebenfalls nicht) auf den Sankt Nimmerleinstag vertröstet zu werden.
Mit Ausnahme der Öl- und Gasindustrie steht auch die Wirtschaft hinter Bidens Plänen. So hat General Motors bereits angekündigt, ab 2035 nur noch emissionsfreie Autos zu verkaufen, die meisten davon Elektroautos. GM hat sich zu diesem Zweck bereits verpflichtet, 27 Milliarden Dollar für die Entwicklung von 30 neuen Modellen von Elektroautos aufzuwenden.
«Wir tun dies, um ein nachhaltiges Business aufzubauen», erklärt dazu der für Nachhaltigkeit zuständige Manager Dane Parker gegenüber der «New York Times». «Wir wollen in 15 Jahren ein blühendes Geschäft haben.»
Einen ersten Erfolg kann GM bereits vorweisen. Der Hummer, einst der übelste Benzinschlucker schlechthin, ist nun als Elektromodell erhältlich. Die Produktion des ersten Jahres wurde bereits verkauft.
GM spürt den heissen Atem von Elon Musk im Nacken. In der Börse ist Tesla derzeit zehn Mal mehr wert als das Traditionsunternehmen. Will GM nicht in der Vergessenheit versinken, muss jetzt gehandelt werden.
Es bestehe derzeit nicht die Gefahr, dass zu viel Geld in die Wirtschaft gepumpt werde, sondern zu wenig, erklärte kürzlich die neue Finanzministerin und ehemalige Notenbank-Präsidentin Janet Yellen. Präsident Biden hat sich dies zu Herzen genommen. So kommentiert die «Financial Times» seine Pläne für einen Green New Deal wie folgt:
Die Leute dort brauchen auch eine Zukunft - sonst wählen die in vier Jahren einfach Trump 2.0.
Dass er dabei vergisst, dass Investitionen in erneuerbare Energien schon seit Jahren (ja auch in der Schweiz) gefordert werden, schiebt er locker beiseite. Aber ja, man ist jetzt halt einfach stolz, im letzten Moment auf das richtige Pferd gesetzt zu haben...