Wirtschaft
International

Wirtschaftsnobelpreis geht an US-Ökonomin Claudia Goldin

Benachteiligte Frauen am Arbeitsplatz: Dafür erhält diese Frau den Wirtschaftsnobelpreis

Frauen sind auf dem Arbeitsmarkt auch heute noch benachteiligt. Die amerikanische Professorin Claudia Goldin hat als eine der ersten die Hintergründe analysiert. Nun bekommt sie dafür den Wirtschaftsnobelpreis – als erst dritte Frau überhaupt.
09.10.2023, 12:4109.10.2023, 14:51
Mehr «Wirtschaft»

Wieso Frauen auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt sind

Für ihre Forschung zur Rolle von Frauen auf dem Arbeitsmarkt wird die US-Ökonomin Claudia Goldin mit dem diesjährigen Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Das gab die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Montag in Stockholm bekannt.

Claudia Goldin darf sich nun Nobelpreisträgerin nennen.
Claudia Goldin darf sich nun Nobelpreisträgerin nennen.

Die 77-jährige Goldin habe die wichtigsten Treiber für Geschlechterunterschiede in der Arbeitswelt aufgedeckt, würdigte die Akademie. Goldin habe den ersten umfassenden Beitrag über das Einkommen und die Teilhabe von Frauen auf dem Arbeitsmarkt im Laufe der Jahrhunderte geliefert, sagte der Vorsitzende des zuständigen Nobelkomitees, Jakob Svensson.

Ihre Forschung decke zum einen die Ursachen des Wandels auf, zum anderen aber auch die Hauptursachen für die noch immer verbleibende Kluft zwischen den Geschlechtern. «Frauen sind auf dem globalen Arbeitsmarkt erheblich unterrepräsentiert und verdienen, wenn sie arbeiten, weniger als Männer», stellte die Akademie fest.

Erst die dritte Frau, die den Wirtschaftsnobelpreis erhält

Goldin wurde 1946 in New York geboren. Sie ist Professorin an der Elite-Universität Harvard und erst die dritte Frau, die den Wirtschaftsnobelpreis erhält. Unter den vorherigen 92 Preisträgern waren mit Elinor Ostrom 2009 und Esther Duflo 2019 erst zwei andere Wissenschaftlerinnen gewesen.

Goldin ist die allererste Frau, die als Einzelpreisträgerin in der Kategorie auserkoren wurde: Häufig geht der Wirtschaftsnobelpreis an mehrere Ökonomen zugleich, die zum Beispiel im selben Forschungsfeld tätig gewesen sind. So war es auch bei Ostrom und Duflo der Fall.

Claudia Goldin speaks to a reporter on the phone in her home in Cambridge, Mass. after learning that she received the Nobel Prize in Economics, Monday, Oct. 9, 2023. The Nobel Prize in Economic Scienc ...
Goldin im Gespräch mit Reportern, nachdem sie als Gewinnern bekannt gegeben wurde.Bild: keystone

Sie sei «überrascht und sehr, sehr froh» gewesen, als er ihr vor der offiziellen Bekanntgabe von ihrer Auszeichnung berichtet habe, sagte der Generalsekretär der Akademie, Hans Ellegren. Sie telefonisch zur Preisbekanntgabe zuzuschalten, glückte diesmal nicht.

Die Fachwelt gratuliert

In der Fachwelt gab es viel Zuspruch für die Auszeichnung von Goldin. Sie habe wesentlich dazu beigetragen, dass die Frau im Arbeitsmarkt, in der Ökonomie sichtbar wurde, kommentiert Isabel Martínez, Ökonomin bei der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich, die Wahl.

«Unter anderem dank Goldins Arbeiten haben wirtschaftliche Akteure auch ein soziales Geschlecht, mit all den Eigenschaften, das dieses mit sich bringt.»

Das möge heute trivial klingen, aber diese differenzierte Blickweise sei nötig gewesen, um überhaupt über Geschlechterunterschiede, die Berücksichtigung familiärer Pflichten oder flexiblere Arbeitsbedingungen zu diskutieren und erforschen zu können, sagte Martínez weiter.

«Goldin hat mit ihren Arbeiten unser Verständnis zu mehr Gleichberechtigung am Arbeitsplatz wesentlich erweitert», sagte ausserdem Achim Wambach, Präsident des Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW. Experte Sascha Steffen von der Frankfurt School of Finance & Management kommentierte:

«Besonders bemerkenswert sind ihre Erkenntnisse über das anhaltende Lohngefälle zwischen den Geschlechtern. Goldins Beiträge bilden eine wichtige Grundlage für politische Entscheidungen und künftige Forschungen.»

Kein klassischer Nobelpreis

Im vergangenen Jahr waren der frühere US-Notenbankchef Ben Bernanke und die ebenfalls amerikanischen Ökonomen Douglas Diamond und Philip Dybvig mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet worden. Sie wurden damit für ihre Erforschung von Banken und Finanzkrisen geehrt.

Die Verkündung der Preisträger in der Kategorie Wirtschaftswissenschaften stellt traditionell den Abschluss der alljährlichen Nobelpreis-Bekanntgaben dar. Der Wirtschaftsnobelpreis ist dabei der einzige der Nobelpreise, der nicht auf das Testament von Dynamit-Erfinder und Preisstifter Alfred Nobel (1833-1896) zurückgeht.

Der Preis wird seit Ende der 1960er Jahre von der schwedischen Reichsbank gestiftet und zählt somit streng genommen nicht zu den klassischen Nobelpreisen. Trotzdem wird er gemeinsam mit den weiteren Auszeichnungen an Nobels Todestag, dem 10. Dezember, feierlich überreicht.

Weitere Nobelpreise bereits vergeben

Bereits in der vergangenen Woche waren die Nobelpreisträgerinnen und -preisträger in den Kategorien Medizin, Physik, Chemie, Literatur und Frieden gekürt worden. In den ersten drei Kategorien gingen die Preise diesmal an insgesamt acht Forschende, in Literatur an den norwegischen Autor Jon Fosse.

Am Freitag wurde der Friedensnobelpreis der inhaftierten iranischen Frauenrechtsaktivistin Narges Mohammadi zugesprochen. Alle Nobelpreise sind in diesem Jahr mit elf Millionen schwedischen Kronen (rund 908'000 Franken) pro Preiskategorie dotiert, das ist eine Million mehr als in den Vorjahren. (saw/awp/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
43 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
goschi
09.10.2023 13:28registriert Januar 2014
Es ist kein Nobelpreis!

Es ist der Preis der Nationalbank zu ehren Nobels

Alfred Nobel fand die Wirtschaftswissenschaften esoterischen Quatsch, die unwissenschaftlich sind.
5213
Melden
Zum Kommentar
avatar
Atavar
09.10.2023 14:37registriert März 2020
Zum Glück bezieht sie sich auf den globalen Arbeitsmarkt.
Gender-Pay-Gap, Gläserne Decke o.Ä. aufgrund systematischer Unterdrückung sind - in modernen, westlichen Gesellschaften - längst debuked.
4136
Melden
Zum Kommentar
43
    Hunderte Migranten im Mittelmeer südlich von Kreta gerettet

    Die griechische Küstenwache hat erneut Hunderte Migranten aus Seenot südlich der Ferieninsel Kreta gerettet. In mehreren Einsätzen wurden rund 700 Menschen von Booten und Kuttern geborgen, die aus Libyen kamen.

    Zur Story