Die klügsten Ingenieure der Welt setzen alles daran, dass wir möglichst lange auf Facebook, YouTube etc. verweilen. Wie beurteilen Sie diesen Kampf um Aufmerksamkeit?
Noch in den Neunzigerjahren gab es kein Internet-Business-Modell. Das änderte sich, als Google die Werbung zur Grundlage seines Geschäftsmodells machte und bald darauf bewies, dass man damit Milliarden von Dollar verdienen konnte.
Wie ist es Google, Facebook und anderen gelungen, so viel von unserer Zeit zu ergattern?
Die Ingenieure im Silicon Valley sind sehr gut, wenn es darum geht, etwas ganz Spezifisches zu optimieren. Als man sah, wie viel Geld Google mit Werbung verdienen konnte, wurde es zur Hauptaufgabe der Software-Spezialisten, uns möglichst lange auf einer Seite zu fesseln.
Heute spricht man bereits von einem Teilmonopol im Internet, von den sogenannten FAANGs (Facebook, Apple, Amazon, Netflix, Google), die alles beherrschen. Liegt das in der Natur der Sache?
Ich glaube nicht, dass diese Entwicklung zwangsläufig erfolgen muss. Was ich hingegen glaube, ist, dass wir uns sehr weit vom ursprünglichen Versprechen des Internets entfernt haben.
Was verstehen Sie unter «ursprünglichem Versprechen»?
Ursprünglich haben wir geglaubt, dass das Internet ein freies und demokratisches Medium ist, das ermöglicht, dass sich die Menschen gratis untereinander austauschen können. Heute erleben wir einen Back- oder besser gesagt einen Techlash. Trotzdem bin ich überzeugt, dass wir gegen die Monopolisierung erfolgreich Widerstand leisten können.
Worauf gründen Sie diese Überzeugung?
Historisch gesehen sind Imperien, die für die Ewigkeit gedacht waren, jeweils stets zusammengekracht. Oder nehmen Sie die Schweiz. Sie lebt als kleines, unabhängiges Land ganz gut, oder nicht? In der Wirtschaft sehen wir uns ähnlichen Problemen gegenüber, die früher Länder bewältigen mussten.
Experten gehen heute davon aus, dass es zwei monopolartige Internets geben wird: Ein westliches, sprich amerikanisches, und ein chinesisches. Sehen Sie das auch so?
Wir bewegen uns definitiv in diese Richtung. Doch in beiden herrscht Wettbewerb, auch in China. In den USA wächst der Widerstand gegen die FAANGs.
Ist es denkbar, dass die Regierung die Monopole von Facebook und Google aufbrechen wird?
Senatorin Elizabeth Warren, eine demokratische Präsidentschaftskandidatin, hat gerade letzte Woche einen solchen Vorstoss angekündigt. Vor 20 Jahren dachte Microsoft, es könne die Software-Industrie beherrschen. Andere Beispiele sind IBM oder AT&T. Es ist daher sehr gut vorstellbar, dass die Regierung eingreift und dafür sorgt, dass der Wettbewerb wieder zunimmt.
Haben Die FAANGs inzwischen nicht so viel politische Macht, dass sie dies verhindern könnten?
Oh, die Regierung ist ebenfalls sehr mächtig. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es die sogenannten Räuberbarone (John Rockefeller, Cornelius Vanderbilt, JP Morgan etc., Anm. d. Red.). Sie hatten sehr viel Macht. Trotzdem wurden ihre Monopole von der Regierung zerschlagen. Es hängt somit vom politischen Willen ab, wenn es darum geht, die Tech-Monopole in den Griff zu bekommen.
Früher hiess es einmal: Politik ist Showbusiness für hässliche Menschen. Heute muss man für eine Politkarriere ein Medienstar sein.
Das trifft – teilweise zumindest – zu. Aber sich als Kämpfer gegen Monopole zu positionieren kann auch erfolgsversprechend sein.
Der Kampf um Aufmerksamkeit in den sozialen Medien beginnt auch, das Verhalten der Politik zu verändern. Würden Sie dem zustimmen?
Was die Präsidentschaftswahlen betrifft, sicher. Donald Trump ist der ultimative Attention Hack. Er besitzt eine aussergewöhnliche Fähigkeit, zu bewirken, dass sich immer alles um ihn dreht. Doch es gibt auch Demokraten, die das Aufmerksamkeitsspiel beherrschen: Alexandria Ocasio-Cortez und Beto O’Rourke beispielsweise. Sie verstehen es auch, ihre politischen Kampagnen so zu gestalten, dass auch die banalsten Details interessant erscheinen. Dieses Talent fehlte Hillary Clinton. Niemand wollte zuschauen, wie sie ihren Tag verbrachte.
Here’s the actual Instagram post by @BetoORourke - the cleaning is one second before it turns into an interview of dental hygienist about her experience growing up near the border. People should watching things before commenting. #beto #betodentist pic.twitter.com/McK1LZT0rE
— Zoë (@zoephoto) 10. Januar 2019
Beto O’Rourke postet Videos von der Zahnhygiene auf Instagram, Alexandria Ocasio-Cortez wird als progressive Antwort auf Trump bezeichnet. Wie finden Sie diese Entwicklung?
Obwohl ich mit den Demokraten sympathisiere, finde ich es schrecklich. Man kann eine Gesellschaft auch daran messen, wie sie ihre Politiker wählt. Die Art und Weise, wie wir es tun, ist bedenklich.
Der unablässige Kampf um Aufmerksamkeit führt dazu, dass alles relativ wird. «Nichts ist wahr und alles ist möglich» wird dieser Zustand genannt. Gehen dabei die Werte von Rechtsstaat und Demokratie zugrunde?
Nicht unbedingt. Trump hat auch etwas Gutes, seine Positionen sind sehr klar definiert und er handelt danach: Er hat eine Mauer versprochen – er setzt alle Hebel in Bewegung, um diese Mauer zu bauen. Er hat einen Handelskrieg mit China versprochen – er hat ihn vom Zaun gebrochen. Bei ihm weiss man, was man erhält.
Und er begeht seine Verbrechen in aller Öffentlichkeit.
Das führt aber auch dazu, dass man bei den Wählern in einer Rechenschaftspflicht steht. Niemand glaubte Hillary Clinton, dass sie die Dinge, die sie versprach, auch umsetzen würde. Trump versucht es, selbst wenn es schlecht für das Land ist.
Und dann ein Tweet mit Video verlinken, wo genau erklärt wird, dass es eben nicht um die Zahnhygiene sondern ein Interview ging.. Schwach.