Die Atacama-Wüste ist berühmt für ihre Salzseen, Teleskope oder den Malventeppich, den man allerdings nur selten zu sehen bekommt. Denn die Atacama-Wüste gilt als die trockenste Wüste der Welt. Auf der einen Seite halten die Anden den Regen ab und auf der anderen Seite verhindert der kühle Humboldt-Strom an der Pazifikküste das Entstehen von Wolken. Einen Malventeppich gibt es nur, wenn es einmal regnet. Doch eine andere «Sehenswürdigkeit» wächst dort in rasantem Tempo.
Mitten in der staubigen Gegend bei Alto Hospicio ist ein gigantischer Altkleider-Abfallberg entstanden. Die Atacama-Wüste wird zur Abfallhalde für Fast Fashion. Wie kommt das?
Chile ist einer der grössten Importeure von Altkleidern in Lateinamerika und die Freiheitszone von Iquique ist die Drehscheibe. In diesem Jahr kamen bis Oktober 29'178 Tonnen gebrauchter Kleidung an. Die besten Stücke werden ausgesucht und von den rund 50 Importeuren weiterverkauft. Was nicht weiterverkauft wird, landet in der Wüste.
«Diese Kleidung wird in den Bergen unserer Gemeinde entsorgt», sagte der Umweltbeauftragte von Alto Hospicio, Edgar Ortega, der Deutschen Presse-Agentur dpa. Bis zu 20 Tonnen alter Kleider landen so gemäss Schätzung in dem einzigartigen Naturparadies – pro Tag. Und das seit Jahren.
Moyra Rojas, Regionalsekretärin des Umweltministeriums, sagte gegenüber einer Korrespondentin der deutschen Tagesschau: «Kein Zweifel, diese Mülldeponien und Textilabfälle sind ein grosses Problem für die Umwelt. Sie verursachen oft Brände, das verschmutzt die Luft.» Und das betreffe auch die Anwohner, denn die Deponien befinden sich ganz in der Nähe von besiedelten Gebieten.
Ortega sieht seine Stadt als Ende einer Kette, bei der in China produziert, in Europa oder den USA konsumiert und in Chile entsorgt wird. Und Alto Hospicio sei finanziell und personell nicht in der Lage, das illegale Entsorgen zu verhindern, obwohl fünf Inspektoren den Auftrag haben, jene zu erwischen, welche die Altkleider in die Wüste kippen.
«Das Problem entsteht viel früher», sagt Ortega. Dadurch dass die Kleidung aus anderen Ländern nicht als Textilmüll deklariert ist, sei nicht klar, wie die aussortierte Importware entsorgt werden soll. «Solange das nicht gelöst ist, werden wir die Situation nicht ändern».
Das Problem: Altkleider entsorgen ist kostspielig. In Europa bezahlt man rund 200 Euro pro Tonne, um die Altkleider verbrennen zu lassen, sagt Direktor Jörg Funder vom deutschen Handelsforschungsinstitut IIHD gegenüber ntv. Häufig sei es günstiger, die Ware irgendwo zwischenzulagern.
Nicht verkaufte Textilien landen gemäss Funder häufig in Südafrika oder Südamerika, da dort eine andere Saison herrscht. Sommermode etwa, die hier nicht verkauft wurde, wird Ende Saison in diese Regionen verfrachtet, weil der Sommer dort vor der Tür steht. Rund 60'000 Tonnen Altkleider landen so in der Hafenstadt Iquique im Norden von Chile – und was nicht verkauft wird, in der Wüste.
Für Greenpeace ist klar: Die grösste Herausforderung für die Modeindustrie ist die Abfallmenge, die durch Fast Fashion entsteht. Seit dem Jahr 2000 habe Fast Fashion gewaltig expandiert – angeführt von den Modemarken Zara und H&M.
Die Umweltschutzorganisationen fordern schon länger mehr Druck auf die Textilbranche. Echtes Recycling finde kaum statt. Für Greenpeace gibt es deshalb nur eine Lösung: «Weniger ist mehr».
(meg, mit Material der dpa)
Einer der grössten Einzelposten, bei dem mit relativ geringem Aufwand verdammt viel fürs Klima erreicht werden könnte.
Wo bleibt die "Fashionscham"?