Vielleicht ist es wirklich nicht das Schlimmste, wie die Süddeutsche Zeitung kürzlich lakonisch anmerkte, dass unsere Nachfahren in fünfhundert Jahren zwischen all den nicht verrottenden Plastiktüten und Alu-Dosen auch ein paar Armbänder in fröhlichen Neonfarben finden werden. Und vielleicht landen, in fünfhundert Jahren, diese sogenannten Loom Bands sogar auf unserem Teller. Weil sie vom Meeresgetier irrtümlicherweise für Nahrung gehalten und verspeist werden. Und wir wiederum den Speisefisch verspeisen. In ferner Zukunft ist vielleicht der ganze Planet zugeschüttet von diesen neonfarbenen Kringeln und der menschliche Körper – gentechnisch aufgerüstet – ist imstande, diese lustigen Silikon-Kringel zu verdauen. Vielleicht. Wir wissen es nicht.
Wie dem auch sei, hier geht es um Loom Bands, diese neonfarbenen Armbänder, die diesen Sommer fast jeden Kinderarm zieren. Und wenn Gattin Victoria Beckham ihren Liebsten David dazu anhält, doch bitte den bunten Schmuck der Kids zu tragen, dann hat der Hype seinen Höhepunkt definitiv erreicht. Was das Kind in mühsamer Kleinarbeit zusammengeschustert hat, dem will schliesslich gehuldigt werden, elegant am Handgelenk. Ein bisschen Kindsein kann ja nicht schaden, oder? Nein, nein.
Von Bekannten ist zu vernehmen: «Wir haben überall nach Loom Bands-Sets gesucht, doch sie waren alle ausverkauft.» Bittere Tränen sollen die Kinder bei dieser Hiobsbotschaft vergossen haben. Schocksekunde. Man habe das grosse Profikit schliesslich doch noch gefunden. Aufatmen. Dann der Magic Moment: das erste Armband, ein weiteres, ein grösseres, noch eins, bunter, besser – irgendwann ist das Dutzend voll. Das Kind erinnert sich nicht mehr ans erste, das hundertste muss her, während die Eltern die anderen 99 elegant in der Mülltonne verschwinden lassen. Nichts ist für die Ewigkeit. Oder etwa doch?
Bei aller Freude über die neue Lieblingsbeschäftigung der Kleinsten, auch die Kringel haben ihren Schattenseite. Sie bestehen zu grossen Teilen aus Silikon, was bedeutet, dass sie weder verrotten noch rezykliert werden können. Silikon bleibt also für die Ewigkeit. Und bereits schlagen erste Experten Alarm: Die britischen Recycling-Spezialisten von Waste Connect sprechen gar von einer tickenden Zeitbombe. Die Loom Bands seien eine wachsende Gefahr für Tier und Umwelt. In den USA mussten bereits Kleintiere wie Hunde und Katzen, die angeblich solche Armbänder verschluckt haben, behandelt werden.
Nun macht ein Zusammenschluss von besorgten Bürgern unter dem Namen Forechange mobil und hat im Kampf gegen die Loom Bands eine Online-Petition lanciert, die verlangt, dass die Neon-Kringel verboten werden. Zumindest so lange, bis sie unter nachhaltigen Bedingungen produziert und wiederverwertet werden können. In der Schweiz ist das noch kein Thema. Hier wird munter weitergebastelt.
Es gibt das Loom Bands Profiset, das Starterkit, Glitzer-Loom-Bands, Perlen-Loom-Bands, Loom Bands in allen Ecken, und und und... Erfunden wurden die Dinger in den USA und die Legende geht laut den New York Times so: Cheong Choon Ng, ein aus Malaysia ausgewanderter Ingenieur, soll vor bald vier Jahren seine beiden Töchter beim Basteln mit Haushalts- und Haargummis beobachtet haben. Daraufhin habe der erfinderische Papa seinen Töchtern eine Art Webrahmen gebaut, mit denen das Knüpfen schneller klappte.
Cheong filmte seine Töchter beim Weben von Ketten und Armbändern, stellte die Videos ins Internet und investierte 10'000 Dollar in Bastelsets für seine Bänder. Im August 2013 machte die «New York Times» die Rainbow Loom Bands zum Thema – auf Youtube waren nach kurzer Zeit zehntausende Videos mit Anleitungen für den bunten Plastikschmuck zu sehen. Inzwischen soll Cheongs Firma rund 100 Millionen Dollar mit seiner Idee gemacht haben.