Bis jetzt lag Julius de Kempenaer ziemlich richtig. Als der technische Kursanalyse-Spezialist aus den Niederladen zum ersten Mal für watson den Bitcoin-Kurs kommentierte, prognostizierte er einen zwischenzeitlichen Höchststand von 40'000 Dollar. Das war im Dezember 2020 – und traf ein.
Als wir ein paar Monate später erneut mit ihm sprachen, prognostizierte er eine längere Korrektur (auf ungefähr 20'000 Dollar) – die Korrektur traf ein, ganz so tief ging der Preis aber nicht mehr (ca. 28'000 Dollar).
Jetzt hat die Mutter aller Kryptowährungen einen neuen Höchststand erreicht, und nun wollen wir natürlich wissen, welche Szenarien de Kempenaer für am wahrscheinlichsten hält.
Herr de Kempenaer, wohin geht die Reise?
Julius de Kempenaer: Auf 90'000 Dollar.
Das kam jetzt aber fix.
Das ist das wahrscheinlichste Szenario. Selbstverständlich gibt es dafür keine Garantie. Die historischen Indikatoren deuten aber darauf hin.
Wie kommen sie auf diese Zahl?
Ich addiere dem alten Höchststand (64'000 Dollar) die Differenz (30'000 Dollar) zum letzten Widerstand, der sich bei ungefähr 30'000 formierte. Die Wahrscheinlichkeit dafür erachte ich als die grösste – wenn wir in den nächsten Tagen nicht wieder unter 60'000 fallen. Bleiben wir klar darüber, dann – glaube ich – sind 90'000 möglich. Und ich sehe das eher als Minimum.
Von welchem Zeitraum sprechen wir da? Tage, Wochen, Monate?
Meine Betrachtung ist langfristig. Für diese Analyse benutze ich einen Wochen-Chart. Aber wie lange Bitcoin für 90'000 Dollar benötigt, lässt sich auch so nicht sagen. Das kann wenige Tage, aber auch Monate dauern.
Und wenn nicht? Was, wenn der Kurs erneut in der 60-70'000 Region zurückgewiesen wird?
Dann ist nach unten sehr viel möglich. Bei 30'000 scheint die Unterstützung gross zu sein – doch fällt auch diese, dann sind auch 13'000 Dollar möglich.
Sie sind also kein Fan der Supercycle-Theorie, der Theorie, dass Bitcoin jetzt so etabliert ist, dass sich Korrekturen von 80 Prozent nicht mehr ereignen?
Rein aus den Charts lässt sich so etwas nicht ablesen. Aber es ist natürlich so, dass je grösser die Marktkapitalisierung wird und je mehr etablierte Investoren sich Bitcoin zuwenden, desto stabiler werden die Kurse. Grosse Anleger denken nicht in Wochen oder Monaten, die denken in Jahren oder gar Jahrzehnten. Das stabilisiert auch den Kurs.
Wie kommt es eigentlich dazu, dass der frühere Höchststand zum neuen Widerstand wird?
Es ist Psychologie. Wenn sie 2017 einen Bitcoin für 20'000 Dollar kauften, mussten sie danach 3 Jahre warten, um wenigstens Break-even zu sein. Dazwischen haben sie aber erlebt, wie ein Bitcoin auf 3000 Dollar fiel. Wenn sie bei diesem Preis ihr Portfolio betrachten – das schmerzt. Das schmerzt bitterlich. Und dann klettert der Kurs wieder auf 20'000 und sie sind froh, nach der Achterbahnfahrt unbeschadet wieder aus der Position herauszukommen. Deshalb verkaufen viele Leute – und dadurch entsteht der Widerstand. Mal unter uns: Es braucht verdammt grosse Eier, um dann an der Position festzuhalten und nicht zu verkaufen.
Zum Schluss noch die Frage: Wie lange dauert dieser «Bullrun» nun noch?
Das weiss niemand. Aber natürlich gibt es gewisse Indikatoren. Bleibt der Kurs seinen bisherigen Mustern einigermassen treu, dann kann man von sechs bis 12 Monaten ausgehen. Aber eben. Wir reden von Krypto ... es kann auch nur ein Monat sein – oder fünf Jahre.
Tipptopp! Dann bedanke ich mich für das Gespräch und melde mich in sechs bis 12 Monaten wieder – oder in einem Monat oder fünf Jahren!
Sehr gerne!